sehepunkte 2 (2002), Nr. 7/8

Ralf Thomas Baus: Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands in der sowjetisch besetzten Zone 1945 bis 1948

Als die Ost-CDU bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 stärkste politische Kraft wurde, begann eine intensive Debatte um die Funktion der bisherigen Blockpartei in der DDR. Sahen die einen in ihr eine "willige Blockflöte", richteten andere den Blick eher auf die Frühgeschichte und verwiesen auf vorübergehende Eigenständigkeit sowie andauernde Renitenz in der von den Sowjets durchgesetzten SED-Diktatur. Nun liegt eine bisher fehlende, ausführliche Darstellung über Gründung und Frühgeschichte der Ost-CDU vor, und jeder kann sich selbst davon überzeugen, dass alle Argumente, die CDU trage eine Mitverantwortung an der kommunistischen Diktatur, Ursache und Wirkung willkürlich verdrehen.

Detailliert und nachvollziehbar zeichnet Ralf Thomas Baus den Weg der CDU bis 1948 auf SBZ- wie auch auf den Landesebenen nach, geht auf Programm und Politik der Union ein und beleuchtet die Rolle führender Politiker. Baus, der sich bereits als Kenner der sächsischen CDU einen Namen gemacht hat, lässt kaum einen Zweifel daran, dass SMAD und SED den Handlungsspielraum der christlich orientierten Partei von Anfang an massiv einengten.

Zur Überraschung der Besatzungsmächte entstanden nach dem Krieg in allen Zonen Gründungszentren einer völlig neuen, überkonfessionellen Partei. Die neue "Christlich-Demokratische Union Deutschlands", deren Gründungsväter sich zum großen Teil am Widerstand gegen das NS-Regime beteiligt hatten und die nun auf einen demokratischen Neuanfang hofften, fand in der Bevölkerung unerwartet großen Zuspruch.

Die sowjetische Besatzungsmacht sah sich vor das Problem gestellt, die CDU in ihr deutschlandpolitisches Konzept einzubinden, plante sie doch, die Kommunisten zur führenden Kraft in der SBZ zu machen. Vor diesem Hintergrund stellt Baus klar, dass die Gleichschaltung der CDU nicht erst mit der Absetzung von Jakob Kaiser Ende 1947 begann, für ihn begann die Diktatur 1945, war von Anfang an die sowjetische Kontrolle über die Parteien total. Schon im Herbst 1946 konnte von freien, gleichen und geheimen Wahlen keine Rede mehr sein. Den Zwängen des Einheitsblocks der Parteien, in denen die Sowjets von Beginn an die KPD/SED dominieren ließen, setzte die CDU einen Anspruch auf programmatische Eigenständigkeit entgegen, der sich freilich nur in Randfragen verwirklichen ließ. Hier wie in Fragen der Organisation der CDU kam es zu ständigen Eingriffen seitens der Besatzungsmacht und der von ihr protegierten SED-Vasallenführung.

In diesem Zusammenhang geht Baus ausführlich auf die zweifache Absetzung der CDU-Führung unter Andreas Hermes und Walther Schreiber Ende 1945 sowie unter Jakob Kaiser und Ernst Lemmer Ende 1947 ein. Als Grund benennt er deren Weigerung, den politischen Vorgaben der Besatzungsmacht da zu folgen, wo es um christlich-demokratische Grundprinzipien ging. War es bei Hermes die Weigerung, der radikalen und mit offenem Terror verbunden Enteignung landwirtschaftlicher Güter zuzustimmen, wehrte sich Kaiser gegen die deutlichen Signale der Durchsetzung einer zweiten totalitären Diktatur auf deutschem Boden. Kaiser sah als engagierter Verfechter des Erhalts der staatlichen Einheit Deutschland in der Durchsetzung der kommunistischen Diktatur vor allem auch die Gefahr einer endgültigen Spaltung des Landes. Sein Versuch, die CDU zum "Bollwerk" gegen eine neue Diktatur zu machen, führten zur Absetzung und Spaltung des Hauptvorstandes 1948 in eine von Ost- und eine von West-Berlin aus agierende Führung.

Baus beschreibt auch die Motive, die den interimistischen Vorsitzenden, Hugo Hickmann, und den im Herbst 1948 auf sowjetische Weisung eingesetzten CDU-Vorsitzenden, Otto Nuschke, veranlassten, sich der sowjetischen Politik zur Verfügung zu stellen. Deren Politik zielte zunächst darauf, der CDU im Rahmen der Besatzungspolitik ein möglichst hohes Maß an Eigenständigkeit zu erhalten. Dies endet, als Hickmann abgesetzt wurde und Nuschke sich den Zwängen des neu heraufziehenden Totalitarismus beugte. Am Ende eines Gleichschaltungsprozesses stand seit den frühen 50er Jahren eine Blockpartei, die organisatorisch Teil des SED-Herrschaftsapparates war und deren wichtigste Aufgabe in der Indoktrinierung und Einbindung einer andauernd renitenten Mitgliederschaft bestand. Diese Dialektik von Beeinflussungsinstrument und zu beeinflussender Mitgliedschaft bestimmte die innere Situation der Ost-CDU und ihre Funktion in der DDR bis zum revolutionären Herbst 1989.

Die detaillierte, sorgfältig recherchierte Studie stellt eine wichtige Ergänzung der oft SED- beziehungsweise SPD-zentrierten Darstellungen zur Geschichte der SBZ dar und verdient es, als ein Standardwerk zur Parteienentwicklung in Deutschland nach 1945 Eingang in die Forschung zu finden.


Rezension über:

Ralf Thomas Baus: Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands in der sowjetisch besetzten Zone 1945 bis 1948. Gründung - Programm - Politik (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte; Bd. 36), Düsseldorf: Droste 2001, 590 S., ISBN 978-3-7700-1884-0, EUR 42,00

Rezension von:
Michael Richter
Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität, Dresden
Empfohlene Zitierweise:
Michael Richter: Rezension von: Ralf Thomas Baus: Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands in der sowjetisch besetzten Zone 1945 bis 1948. Gründung - Programm - Politik, Düsseldorf: Droste 2001, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 7/8 [15.07.2002], URL: https://www.sehepunkte.de/2002/07/2978.html


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