Rezension über:

Karl Härter / Michael Stolleis (Hgg.): Repertorium der Policeyordnung der Frühen Neuzeit. Band 10: Reichsstädte 4: Speyer, Wetzlar, Worms (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte; Bd. 251), Frankfurt/M.: Vittorio Klostermann 2010, VIII + 755 S., ISBN 978-3-465-04103-0, EUR 129,00
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Rezension von:
Helga Schnabel-Schüle
Fachbereich III, Universität Trier
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Helga Schnabel-Schüle: Rezension von: Karl Härter / Michael Stolleis (Hgg.): Repertorium der Policeyordnung der Frühen Neuzeit. Band 10: Reichsstädte 4: Speyer, Wetzlar, Worms, Frankfurt/M.: Vittorio Klostermann 2010, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 5 [15.05.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/05/18439.html


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Karl Härter / Michael Stolleis (Hgg.): Repertorium der Policeyordnung der Frühen Neuzeit

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Im Jahre 2004 erschien im Rahmen des 1996 begonnen Editionsprojektes "Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit" ein erster Band zu den Reichsstädten. Während in der Einleitung zum Gesamtwerk noch die Unmöglichkeit der Einbeziehung der reichsstädtischen Gesetzgebung konstatiert wurde, erlaubte ein Verbundprojekt mit 22 Archiven ehemaliger Reichsstädte die Ausweitung des Editionsprojektes, was ohne Frage zu begrüßen ist. Dass dennoch nicht alle Reichsstädte Berücksichtigung werden finden können, ist zu verschmerzen, da die Herausgeber mit den Städten Aachen, Augsburg, Dortmund, Frankfurt am Main, Goslar, Kempten, Köln, Lübeck, Mühlhausen, Nördlingen, Nürnberg, Ravensburg, Regensburg, Rothenburg ob der Tauber, Rottweil, Schweinfurt, Speyer, Straßburg, Überlingen, Ulm, Wetzlar und Worms eine Auswahl getroffen haben, die alle Typen von Reichsstädten mit jeweils mehreren Beispielen abdeckt. Der erste Band erschloss auf 761 Seiten die Policeygesetze der Reichsstadt Frankfurt am Main für die Zeit von 1329 bis 1806, der zweite auf 1474 Seiten diejenigen der Reichsstadt Köln, der dritte enthielt auf 920 Seiten Angaben zu den Policeygesetzen der Reichsstadt Ulm. Der hier zu besprechende vierte Band setzt die Erschließung der reichsstädtischen Gesetzgebung mit einem Band fort, der die Ordnungsgesetzgebung der Städte der Speyer, Worms und Wetzlar beinhaltet. Erschlossen werden auf 755 Seiten mehr als 5200 Policeygesetze dreier mittlerer Städte des Oberrheinischen Reichskreises, die - wie das Werbematerial verrät - "verfassungs- und sozialgeschichtlich besonders interessant sind". Leider wird darauf verzichtet, die Auswahl der drei Städte und ihre Zusammenführung in einem Band in einer Einleitung zu begründen. Die Ordnungen werden nach dem etablierten Sachschema (1. Gesellschafts- und Sozialordnung. Religion; 2. Öffentliche Sicherheit und Ordnung; 3. Sozialwesen. Gesundheitswesen. Erziehungswesen. Kultur; 4. Wirtschaftsordnung. Arbeits- und Berufsordnung; 5. Bodenordnung. Bauwesen Grundstückswesen Öffentliche Einrichtungen) inhaltlich aufgeschlüsselt. Ein umfangreiches Sachregister der Materien und Regelungsgegenstände erleichtert den weiteren Zugang.

Bedauerlich ist, dass weder im ersten Band noch in den Folgebänden die Spezifika der Repertoriumsbände zu den Reichsstädten erörtert werden. Dies betrifft vor allem die Ausdehnung des Zeitraums. Während im ersten Band des Repertoriums der Zeitraum mit 15.-18. Jahrhundert angegeben wurde, setzte der erste Band zu den Reichsstädten bereits im 14. Jahrhundert ein, der hier zu besprechende Band nun aber gar im 12. Jahrhundert. Dies hätte angesichts des Titels des Gesamtwerks zumindest eine Erklärung verdient. Zu den im Einleitungsband des Repertoriums vorgestellten berücksichtigten Ordnungsgattungen (Policey- und Landesordnung, Ordnung, Verordnung, Reskript) kommt nun noch die Gattung "Verbot" hinzu. Eine Erläuterung wäre willkommen gewesen.

Dem Repertorium der Quellen zu den drei Städten werden jeweils kurze historische Einleitungen vorangestellt. Thomas Rölle liefert einen dichten, die wesentlichen Problemlagen der stadtgeschichtlichen Entwicklung in Mittelalter und Früher Neuzeit gut fokussierenden Abriss der Speyerer Stadtgeschichte, in der nur leider keinerlei Verbindung zur policeygesetzlichen Tätigkeit der Stadt hergestellt wird. Kein einziges der immerhin 3386 in den Band aufgenommenen Policeygesetze wird in seiner Bedeutung für bestimmte Probleme der Stadtgeschichte angesprochen. Schaut man sich die Ordnungen genauer an, gewinnt man zudem den Eindruck, als hätten die zentralen Einschnitte der Speyerer Stadtgeschichte keinen Niederschlag in der policeylichen Gesetzgebungstätigkeit gefunden: Verordnungen im Kontext der beiden großen Reichstage des 16. Jahrhunderts findet man ebenso wenig wie solche, die auf die reformatorische Bewegung reagieren. Die völlige Zerstörung der Stadt kommt nur in einer Ordnung zur Sprache, die im Register aber unter dem Stichwort "Krieg" und seinen Zusammensetzungen nicht zu finden ist, vielmehr unter dem blassen Stichwörtern "Rat" sowie "Amtsführung".

Zur Reichsstadt Wetzlar ist die Überlieferung weitaus weniger umfangreich als zu Speyer: 429 Stücke aus der Zeit zwischen 1390-1802 konnten ermittelt werden. Sigrid Schieber hebt in ihrer Einleitung besonders die Bedeutung des 1693 in Wetzlar wiedereröffneten Reichskammergerichts hervor. Die Spannungen zwischen den "Kameralen", den Bürgern und dem Rat der Stadt zeitigten zahlreiche innerstädtische Konflikte. Erfreulich ist, dass die Verfasserin auch auf die Ordnungen eingeht und kurz und prägnant die Regelungsmaterien zusammenfasst (489-493).

Gunter Mahlerwein geht in seiner lediglich acht Seiten umfassenden Einleitung zu Worms auf die der Stadtzerstörung von 1689 geschuldete fragmentarische Überlieferung ein und konstatiert eine höchst rudimentäre Quellenüberlieferung für die Zeit vor 1700: Aufgenommen wurden 1394 Stücke aus den Jahren 1381-1798, darunter 38 Ordnungen für das 14. und 15. Jahrhundert, 22 für das 16. Jahrhundert und 160 für das 17. Jahrhundert. Auch in Worms spiegelt die Policeygesetzgebung die historischen Herausforderungen nicht wieder, was aber hier angesichts der Überlieferungssituation erklärbar scheint.

Dem inzwischen durch die raschen Zugriffsmöglichkeiten der elektronischen Erschließung verwöhnten Leser mag die Arbeit mit den beiden Registern mühsam erscheinen. Die Möglichkeit des elektronischen Zugriffs auf das erhobene Material würde das Potenzial des Repertoriums als Grundlage möglicher Forschungsarbeiten deutlich steigern. Die bereits in Rezensionen zu früher erschienenen Bänden herausgehobene Bedeutung des Repertoriums für die Geschichtswissenschaft als eines inzwischen unverzichtbar erscheinenden Mediums zur Bereitstellung und inhaltlichen Erschließung einer wichtigen, für die Frühe Neuzeit typischen Quellengruppe sei aber nochmals nachhaltig unterstrichen.

Helga Schnabel-Schüle