Rezension über:

David Farber: The Rise and Fall of Modern American Conservatism. A Short History, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2010, X + 296 S., 6 s/w-Abb., ISBN 978-0-691-15606-4, USD 22,95
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Rezension von:
Britta Waldschmidt-Nelson
Deutsches Historisches Institut, Washington, DC
Redaktionelle Betreuung:
Agnes Bresselau von Bressensdorf im Auftrag der Redaktion der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Empfohlene Zitierweise:
Britta Waldschmidt-Nelson: Rezension von: David Farber: The Rise and Fall of Modern American Conservatism. A Short History, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2010, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 3 [15.03.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/03/25724.html


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David Farber: The Rise and Fall of Modern American Conservatism

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Zum Thema Konservatismus ist in den USA in den letzten Jahren eine Fülle von Studien erschienen. Während die meisten dieser Werke spezifische Aspekte des Themas untersuchen (zum Beispiel die Rolle der religiösen Rechten, parteipolitische Entwicklungen oder Rassenpolitik), zielt David Farbers The Rise and Fall of Modern American Conservatism: A Short History darauf ab, einen Gesamtüberblick über die Entwicklung des Modern American Conservatism von den 1930er Jahren bis 2010 zu geben. Seine zentrale These hierbei lautet: "Modern American conservatism is a disciplinary order generated by hostility to market restraints and fueled by religious faith, devotion to social order, and an individualized conception of political liberty." (1)

Während der sogenannte Liberalismus in den USA seit Franklin Roosevelt primär darum bemüht gewesen ist, mit Hilfe der Regierung das kapitalistische System zum Schutz der Bevölkerung zu disziplinieren, so Farber, glauben die Konservativen, es sei besser, die Bevölkerung zu disziplinieren, damit das kapitalistische System reibungslos funktionieren kann. Viele Konservative waren und sind außerdem dazu bereit, bestimmte Bürgerrechte einzuschränken, um die traditionelle, auf etablierte religiöse Normen aufbauende Gesellschaftsordnung (inklusive der bestehenden Geschlechter- und Rassenhierarchien) aufrecht zu erhalten. In diesen Überzeugungen liegt der Kern, der trotz einiger ideologischer Unterschiede und Streitigkeiten über politische Ansätze, Strategien und Programme die konservative Bewegung in den USA zusammenhält (2-4). Diese These mag nicht vollkommen neu sein, aber der Autor bringt sie klar und überzeugend auf den Punkt. Sein Buch zielt auch nicht darauf ab, revolutionäre neue Forschungsergebnisse zu präsentieren (nur im ersten Kapitel finden sich überhaupt Referenzen zu Primärquellen), sondern einem breiten Publikum eine gut nachvollziehbare Synthese der vorhandenen Literatur zum Thema zu bieten.

Innovativ und erzähltechnisch gelungen ist Farbers Strategie, die verschiedenen Phasen und thematischen Schwerpunkte seines Untersuchungsgegenstandes anhand von sechs biographischen Fallbeispielen zu erläutern. Jedem dieser "heroes of the conservative order" (4), Robert Taft, William F. Buckley, Barry Goldwater, Phyllis Schlafly, Ronald Reagan und George W. Bush, ist je ein Kapitel gewidmet: Taft wird als Gründungsvater des modernen American Conservatism vorgestellt, dessen Überzeugungen sich aus seiner Opposition zum New Deal entwickelten; Buckley als derjenige, der intellektuelle Schärfe und publizistische Innovation in die Bewegung brachte; Goldwater als konservativer Champion des weißen Anti-Liberalismus im Süden; Schlafly als brillante Organisatorin einer neuen anti-feministischen Frauenbewegung; Reagan als politisches Genie der republikanischen Partei und schließlich G. W. Bush, als derjenige, dessen Präsidentschaft den Niedergang des konservativen Erfolges einläutete.

Farbers Sprachstil ist lebendig und zeichnet sich durch einen feinen Humor sowie gut gewählte Zitate aus. Eine Reihe wenig bekannter Details aus dem Leben der Protagonisten verleiht diesen konservativen Ikonen zudem eine menschliche Dimension, die im üblichen Diskurs oft verlorengeht: beispielsweise die Art und Weise in der Phyllis Schlafly mit einem Baby auf dem Arm und fünf weiteren Kindern im Schlepptau ihre ersten politischen Kampagnen organisierte (130-131), oder wie der junge Ronald Reagan sich für den New Deal begeisterte und jahrelang zu den engagiertesten Gewerkschaftsmitgliedern in Hollywood zählte (164-165). Farber weist allerdings auch auf weniger schmeichelhafte Fakten hin, wie die Bereitschaft Schlaflys, politisch vorteilhafte Falschaussagen zu publizieren (133-134), oder die Tatsache, dass Reagan primär durch seine mit steigendem Einkommen entwickelte Aversion gegen hohe Steuern motiviert wurde, in den 1950er Jahren ins konservative politische Lager zu wechseln (168). Auch Reagans unverhohlenes Buhlen um die Stimmen weißer Südstaaten-Rassisten (190-191) oder seine Verstrickung in den Iran-Contra Skandal (202-203) bleiben nicht unerwähnt.

Obwohl das Streben nach Freiheit und Gleichheit für das Selbstverständnis der USA von entscheidender Wichtigkeit ist, argumentiert Farber überzeugend, gibt es bei vielen Amerikanern - nicht nur bei der weißen Oberschicht - ein stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Ordnung und Stabilität, das eine zentrale Voraussetzung für den anhaltenden politischen Erfolg und die Beliebtheit konservativer Positionen ist. Seine Darstellung zeigt weiter, dass neben wirtschaftlichen Interessen und Traditionsbewusstsein auch andere Faktoren für die Entwicklung der konservativen Bewegung wichtig waren. In diesem Zusammenhang erklärt Farber auch, wie die sich manchmal bis zur Paranoia steigernde Angst vieler Amerikaner vor allem, was die bestehende Ordnung in Frage stellt oder bedroht - vom Kommunismus, schwarzer Bürgerrechtsbewegung, Feminismus und Jugendkultur bis zum Gay Rights Movement, Atheismus und Terrorismus - von konservativen Politikern nicht nur geteilt, sondern zum eigenen Vorteil oft zusätzlich geschürt und benutzt worden ist.

Während die ersten fünf Kapitel den Erfolg dieser konservativen Politik nachzeichnen, stellt das letzte die Präsidentschaft von George W. Bush als Zeit des konservativen Niedergangs dar, der als Folge einer Farbers Ansicht nach sowohl innen- als auch außenpolitisch desaströsen Politik im Wahlsieg von Barack Obama kulminiert (256). Das Fazit des Buches: "Maybe modern conservatism [...] has outlasted its historic purpose" (262), ist durch die jüngsten Erfolge der ultra-konservativen Tea-Party und des GOP Wahlsiegs von 2014 wohl weitgehend widerlegt. Aber gerade dies verdeutlicht einmal mehr, dass die Widerstandsfähigkeit und Anziehungskraft des amerikanischen Konservatismus niemals unterschätzt werden sollte.

Ein Überblickswerk wie das vorliegende kann naturgemäß nicht alle Aspekte seines Themas erschöpfend behandeln, aber einige hätten vielleicht doch etwas mehr Aufmerksamkeit verdient, insbesondere der wichtige Einfluss der christlichen Rechten. Farber weist zwar lobenswerterweise auf die oft vernachlässigte Rolle konservativer Katholiken wie Buckley und Schlafly hin, aber andere zentrale Punkte, zum Beispiel die Supreme Court Entscheidung Engel v. Vitale von 1962 (das Verbot organisierter Gebete an öffentlichen Schulen), die für die politische Mobilisierung konservativer und fundamentalistischer Christen und damit für viele Wahlerfolge der GOP seit den 1960er Jahren entscheidend waren, werden gar nicht oder nur ganz am Rande erwähnt. Dies gilt auch für die Bedeutung der Abtreibungsthematik und die polarisierende Roe v. Wade Entscheidung von 1973 (damit wurde die Abtreibung eines ungeborenen Kindes unter das Recht auf Privatsphäre gestellt). Weiter spricht Farber zwar mehrfach die Sympathie konservativer Politiker für Südstaatensegregationisten und ihre Opposition zur Bürgerrechtsbewegung an, aber eine tiefergehende Analyse der Bedeutung von Rassenpolitik für die Konsolidierung der GOP und die Neuordnung der amerikanischen Parteienlandschaft seit den 1960er Jahren fehlt. Wünschenswert wäre außerdem eine etwas genauere Untersuchung des Aufstiegs der Neokonservativen und der durch sie vorangetriebenen Neuausrichtung konservativer Außenpolitik gewesen.

Trotz dieser Kritikpunkte ist Farbers anregend und abwechslungsreich geschriebenes Buch als einführende Lektüre zum Thema American Conservatism durchaus zu empfehlen. Es bietet einen soliden Überblick, einige neue Denkanstöße und in jedem Fall reichhaltigen Diskussionsstoff zu den Kerninhalten konservativer Politik in den USA.

Britta Waldschmidt-Nelson