Rezension über:

Thomas F. Scanlon (ed.): Sport in the Greek and Roman Worlds. Volume 1: Early Greece, the Olympics, and Contests (= Oxford Readings in Classical Studies), Oxford: Oxford University Press 2014, XII + 338 S., ISBN 978-0-19-921532-4, GBP 35,00
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Thomas F. Scanlon (ed.): Sport in the Greek and Roman Worlds. Volume 2: Greek Athletic Identities and Roman Sports and Spectacle (= Oxford Readings in Classical Studies), Oxford: Oxford University Press 2014, XII + 389 S., 38 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-870378-5, GBP 40,00
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Rezension von:
Ingomar Weiler
Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Karl-Franzens-Universität, Graz
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Ingomar Weiler: Sport in the Greek and Roman Worlds (Rezension), in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 3 [15.03.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/03/26175.html


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Sport in the Greek and Roman Worlds

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Die Herausgeber der Reihe Oxford Readings in Classical Studies stellen sich die Aufgabe, für Studierende, Lehrende und Forscher eine repräsentative Auswahl wichtiger Beiträge zu einem altertumswissenschaftlichen Gegenstand, im vorliegenden Fall zum griechischen und römischen Sport vorzulegen. Insgesamt 20 Artikel - die meisten um ein Addendum zum neuen altertumswissenschaftlichen Forschungsstand erweitert - behandeln Themen und Fragen von der minoischen Periode bis in die römische Kaiserzeit. Die Spätantike wird dabei nur am Rande berücksichtigt.

Als Herausgeber fungiert Thomas F. Scanlon, Professor am Department of Classics, Comparative Ancient Civilizations, Comparative Literature and Foreign Languages der University of California, Riverside. Scanlon hat neben Abhandlungen zur antiken Historiographie vor allem mit der Monographie Eros and Greek Athletics (Oxford 2002) und zahlreichen Studien zur antiken Agonistik und Gymnastik sowie als Herausgeber einschlägiger Sammelbände Fachkompetenz bewiesen.

Beide Bände sind mit sehr umfangreichen und nahezu identischen Einführungen des Herausgebers (fast 30 Seiten) und Bibliographien (fast 60 Seiten) ausgestattet. Scanlons Introduction bietet zunächst einen Forschungsüberblick, der von Monographien des 19. Jahrhunderts, vor allem von den Standardwerken von J. H. Krause, L. Grasberger, E. Curtius ausgeht, um dann neuere perspektivenreiche Analysen und Darstellungen zur antiken Sporthistorie vorzustellen.

Diese innovative Phase beginnt nach Ansicht des Herausgebers bei den Altertumswissenschaftlern in Europa und Amerika um die Mitte der 1970er Jahre. Den neuen Abschnitt in der Sporthistoriographie, der anhand einzelner Publikationen dokumentiert wird, behandelt und kommentiert Scanlon unter dem Titel The 'New Wave' of Greek Sport Studies (I: 7-13). In der Folge werden sodann einzelne Repräsentanten und ihre neuen Zugänge zum besseren Verständnis des antiken Sports vorgestellt. Dazu heißt es: "The new 'turn' in ancient sport studies is that of more nuanced examinations of the 'why', the motivation for Greek and Roman public contests, in terms of both social forces and cultural mentalities: for example, the work of Pleket, König, Nicholson, and Christesen on the Greeks, and Hopkins, Kyle, Barton, Futrell, and Welch on the Romans" (I: 21-2).

Dass von den hier angeführten Autoren mit Ausnahme von H. W. Pleket nur Forscher der angelsächsischen Altertumswissenschaft in der Aufsatzsammlung berücksichtigt werden, überrascht den Rezensenten. Dazu kommt: Nur drei der hier exemplarisch aufgelisteten neun Experten kommen in der vorliegenden Publikation zu Wort. Freilich steht jeder Herausgeber vor dem kaum lösbaren Dilemma einer adäquaten Auswahl seiner Autoren. Das Feld der Agonistik und Gymnastik in der griechisch-römischen Welt wird heute von Hunderten von Althistorikern, Archäologen und Altphilologen durchpflügt. Trotzdem: Von der erwähnten Inkonsequenz abgesehen ist die Sammlung der ansonsten gut sortierten Beiträge ohne Zweifel eine wertvolle Handreichung und Bereicherung wohl für jeden Studierenden.

In beiden Bänden befinden sich einige konzise und für den Leser sehr hilfreiche und mich überzeugende Kommentare Scanlons zu übergeordneten Fragestellungen wie Contesting the Olympics (I: 117-119), Enigmas and Solutions of the Greek Contests (I: 203-205), Greek Sports in the Roman Era (II: 149-150) und Etruscan and Roman Sports and Spectacle (II: 189).

Der erste Band, der einzelne athletische und hippische Wettkämpfe der Griechen, deren politischen und religiös-kultischen Kontext und die Rezeption in der römischen Welt darstellt, bietet dazu neun Studien: 1. T. F. Scanlon: Women, Bull Sports, Cults, and Initiation in Minoan Crete (28-59); 2. W. H. Willis: Athletic Contests in the Epic (60-88, mit einem Addendum von T. F. Scanlon, 89-90); 3. François de Polignac: Athletic Cults in Ancient Greece: Political Topic, Mythical Discourse (91-116); 4. U. Sinn: Olympia: The Place of the Contests in the Cult of Zeus Olympios (120-142); 5. N. B. Crowther: Athlete and State: Qualifying for the Olympic Games in Ancient Greece (143-157); 6. A. Farrington: Olympic Victors and the Popularity of the Games in the Imperial Period (158-202); 7. S. G. Miller: Turns and Lanes in the Ancient Stadium (206-227); 8. D. G. Kyle: Winning and Watching the Greek Pentathlon (228-248); 9. M. Golden: Equestrian Competition in Ancient Greece: Difference, Dissent, Democracy (249-270).

In den elf Beiträgen des zweiten Bandes geht es vor allem um soziologische Fragen, um Frauensport (ein Forschungsschwerpunkt von Scanlon), ferner um das Gymnasialwesen und Fragen der Organisation des antiken Sports sowie um die römischen Unterhaltungsformen in Amphitheater und Circus: 1. H. W. Pleket: On the Sociology of Ancient Sport (29-81); 2. D. C. Young: Professionalism in Archaic and Classical Greek Athletics (82-94); 3. W. Decker: Gymnasion (95-107); 4. T. F. Scanlon: Racing for Hera: A Girl's Contest at Olympia (108-147); 5. C. Mann: Greek Sport and Roman Identity: The Certamina Athletarum at Rome (151-181); 6. U. Sinn: Olympia and the Curia Athletarum in Rome (182-188); 7. G. Gori: Etruscan Sports and Festivals (190-197); 8. K. Welch: The Roman Arena in Late-Republican Italy: A Re-evaluation (198-228); 9. M. Carter: Gladiatorial Ranking and the SC de Pretiis Gladiatorum Minuendis (CIL II 6278 = ILS 5163) (229-268); 10. D. G. Kyle: Animal Spectacles in Ancient Rome: Meat and Meaning (269-295); 11. H. A. Harris: The Organization of Roman Racing (296-311).

Fast alle der hier wieder abgedruckten Beiträge entsprechen der Vorgabe, den "new 'turn' in ancient sport studies" publizistisch und editorisch zu erfassen. Die beiden Aufsätze von W. H. Willis (1941) und H. A. Harris (1972) - der zuletzt Genannte auch ohne Addendum - kommen meines Erachtens der Zielsetzung nur sehr bedingt nach. Als ergänzende Lektüre, um sich über neue Forschungsresultate zu informieren, empfehle ich die altertumswissenschaftlichen Studien von Autoren wie Z. Papakonstantinou, W. Petermandl, S. Remijsen, H.-Y. Strasser, J.-P. Thuillier, C. Ulf, P. Valavanis und H. van Wees, um nur einige Namen außerhalb des angelsächsischen Raumes zu nennen.

Damit soll aber nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die editorische Leistung, die Thomas F. Scanlon erbracht hat, geschmälert wird. Seine beiden mit 50 Abbildungen ausgestatteten Bände bilden eine vorzügliche Dokumentation, die den antiken Sport in seiner Eigenart und seiner Vielfalt einem Interessentenkreis vertraut macht, der über die Antike hinausblickt und die auch Assoziationen zur Gegenwart auslöst.

Ingomar Weiler