Rezension über:

Wolfgang Huschner / Ernst Münch / Cornelia Neustadt u.a. (Hgg.): Mecklenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien, Rostock: Hinstorff 2016, 2 Bd., 1482 S., 600 Farb-, 127 s/w-Abb., ISBN 978-3-356-01514-0, EUR 164,00
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Rezension von:
Ralf Lützelschwab
Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fischer
Empfohlene Zitierweise:
Ralf Lützelschwab: Rezension von: Wolfgang Huschner / Ernst Münch / Cornelia Neustadt u.a. (Hgg.): Mecklenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien, Rostock: Hinstorff 2016, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 6 [15.06.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/06/29780.html


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Wolfgang Huschner / Ernst Münch / Cornelia Neustadt u.a. (Hgg.): Mecklenburgisches Klosterbuch

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Das 2007 erschienene Brandenburgische Klosterbuch (BKB) stand am Anfang. Inhalt und Struktur des BKB überzeugten eine breitere Öffentlichkeit (samt Förderinstitutionen) derart, dass man es auch andernorts wagte, ähnliche Mammutprojekte in Angriff zu nehmen. So auch mit Blick auf Mecklenburg, wo man das Ziel verfolgte, alle ehemals existierenden Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien zu berücksichtigen. Die reichen Bestände des Landeshauptarchivs Schwerin waren diesem Ansinnen mehr als förderlich. Das Zusammenwirken von Bau- und Kunsthistorikern, Historikern, Archäologen, Architekten, Archivaren und weiteren Spezialisten ermöglichten Beiträge, die sich durchgehend auf hohem Niveau bewegen und den aktuellen interdisziplinären Forschungstand zu den einzelnen Institutionen widerspiegeln.

Das Mecklenburgische Klosterbuch (MKB) umfasst zwei, jeweils knapp 700 Seiten umfassende Bände, die zunächst durch eines bestechen: die hervorragende Druckqualität und ansprechende Farbbebilderung, die bereits ein bloßes Durchblättern zum Vergnügen machen. Der Inhalt erfüllt die so geweckten Erwartungen. Vier Beiträge im ersten Band leiten in das Gesamtwerk ein. Ernst Münch beschreibt den historischen Raum Mecklenburgs im Mittelalter (17-20), während Wolfgang Huschner in das komplexe Themengebiet der Klöster, Stifte, Kommenden, Prioreien und Orden in Mecklenburg einführt (21-57). Ernst Badstübner und Dirk Schumann stellen ihre Expertise in Hinblick auf die Bau- und Kunstgeschichte unter Beweis (58-74), während Frank Nikull der steigenden Bedeutung der Mittelalterarchäologie Rechnung trägt und in einer knappen Skizze die mecklenburgischen Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien aus archäologischer Perspektive untersucht (75f.).

Es folgt in alphabetischer Reihung nach dem Namen der Standorte das eigentliche Herzstück: der Katalog der 43 Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien in Mecklenburg. Der Umfang der Beiträge korreliert dabei nicht zwangsläufig mit der konkreten historischen Bedeutung der jeweiligen Institution. Häufiger wurde bisher schlecht bzw. überhaupt nicht erforschten Institutionen mehr Platz eingeräumt, während anderen trotz ihrer potenziellen Bedeutung aufgrund der schlechten Überlieferungslage nur wenige Seiten gewidmet werden konnten.

Ein solches Grundlagen- und Überblickswerk lebt von der Zuverlässigkeit der Register. Enthalten sind sie im zweiten Band. Neben einem Quellen- und Literaturverzeichnis finden sich hier ein Abkürzungs- und Siglenverzeichnis sowie sorgfältig gearbeitete Indices der Personen und Orte.

Die Gliederung der einzelnen Beiträge ist ebenso einsichtig wie übersichtlich. Als einführende Abschnitte dienen allgemeine Informationen zur jeweiligen Institution (1) und zu Grundzügen und Eckdaten zur Geschichte (2). Danach erfolgt die Tiefenerschließung, beginnend mit der Verfassungsordnung (3). In diesem Abschnitt wird nicht nur das Verhältnis zum eigenen Orden, sondern auch zu den geistlichen Autoritäten des Umfelds, die Zusammensetzung des jeweiligen Konvents und dessen Leitung bestimmt. Zumeist akribisch gearbeitete Verweise auf Klosterämter und Leitungsfunktionen (samt Namenslisten) dürften prosopographische Studien zukünftig sehr erleichtern. Ökonomische Aspekte, d.h. die Klosterwirtschaft, mit wertvollen Hinweisen zum Besitzerwerb und zur Wirtschaftsordnung, stehen im Zentrum des folgenden Abschnitts (4), gefolgt von Verweisen auf das religiöse und spirituelle Wirken der Klöster (5). Erfreulicherweise wird darin auch (sofern überhaupt Informationen vorliegen) sowohl auf die konkrete Pastoral als auch auf die spirituelle Ausstrahlung, etwa in Form von Ablassurkunden, eingegangen. Administratives, diplomatisches, rechtliches und politisches Wirken wird im nächsten Abschnitt behandelt (6), auf den Informationen zur Bauarchäologie und -forschung folgen (7). Auf die darstellenden Teile, in denen sich immer wieder auch Hinweise zur Nachnutzung der Gebäude finden, folgen Abbildungen und Beschreibungen der Siegel (8), ein Quellen- (9) und ein Literaturverzeichnis (10).

In einem separaten Abschnitt werden all diejenigen fast 30 auswärtigen Klöster, Stifte und Kommenden erfasst, die über Höfe und Besitzungen in Mecklenburg verfügten. Besondere Aufmerksamkeit gilt hier denjenigen Höfen, auf denen Mönche und Konversen eines auswärtigen Klosters dauerhaft lebten und arbeiteten.

Das MKB bietet einen wahren Reichtum an kartographischen Darstellungen, neben Überblickskarten zur geographischen Verteilung der Klöster, Stifte, Kommenden und Prioreien sind dies Besitzkarten und Grundrisse. Hinzu kommen gelegentliche Abbildungen von Urkunden, Siegeln und Fotographien, die noch sichtbare mittelalterliche Bausubstanz bzw. Überreste der Klosterkultur aus Kirchen und Konventsgebäuden präsentieren - dies alles in außergewöhnlich guter Qualität.

Das Gros der das europäische Hoch- und Spätmittelalter prägenden Orden war auch in Mecklenburg präsent: Benediktiner, Benediktinerinnen, Kartäuser, Zisterzienser, Zisterzienserinnen, Prämonstratenser, Prämonstratenserinnen, Franziskaner, Klarissen, Dominikaner, Augustinereremiten, Magdalenerinnen - eine ausgesprochen gelungene Gesamtkarte (24/25) bietet eine Übersicht über die geographische Lage und Ordenszugehörigkeit der einzelnen Institutionen. Deutlich wird, dass die überschaubare Anzahl und das Spektrum der Ordensniederlassungen und Stifte ganz augenscheinlich dazu ausreichten, um die dünn besiedelten mecklenburgischen Gebiete dauerhaft zu einem Teil des lateinischen Europas werden zu lassen. Auf eigene Beiträge für die nachweislich existierenden semireligiösen Einrichtungen wurde verzichtet, sie tauchen aber in vielen Beiträgen des MKB auf. Es erstaunt die Abwesenheit von Ansiedlungen der Templer (deren Präsenz keine direkten zeitgenössischen oder zumindest zeitnahen Quellen belegen) und der Karmeliten, den ewigen Nachzüglern im mendikantischen Konzert, die die von ihnen in anderen Teilen Europas favorisierten Nischen in mittleren oder kleinen Städten in Mecklenburg wohl bereits besetzt vorfanden und deshalb auf eine Ansiedlung verzichteten.

Die Quellenlage ist, wie sie ist. Diejenigen Leser, die sich an der geistigen Ausstrahlung der beschriebenen Institutionen und am seelsorgerlichen Wirken der in ihnen Wirkenden interessiert zeigen, bleiben deshalb mitunter enttäuscht zurück. Aussagen der Art "Hauptaufgabe der Franziskaner war die seelsorgerische Tätigkeit (cura animarum). Dazu liegen [zwar] nicht sehr viele Quellen vor." (586, beschrieben wird das Franziskanerkloster St. Johannes in Neubrandenburg) lassen die Quellenverluste erahnen. Mitunter finden sich Hinweise auf Materialien zur Vorbereitung von Predigten in den Abschnitten zu den Klosterarchiven bzw. -bibliotheken wie etwa im Fall von Ratzeburg, wo sich eine heute in Kopenhagen liegende Predigthandschrift von 1340 nachweisen lässt. Solcherart Hinweise sind aber die große Ausnahme. Sollte zur kulturellen Ausstrahlung der Klöster Musik gehört haben, so haben sich Spuren dieser Praxis nicht erhalten.

Die Herausgeber können zum Abschluss des Großunternehmens MKB nur beglückwünscht werden. Der Forschung stehen nun Informationen zur Verfügung, die nicht nur zuverlässig und aktuell sind, sondern die zukünftig Grundlage vieler weiterführender Untersuchungen zur Klosterlandschaft Mecklenburgs sein dürften. Solide Grundlagenarbeit in ihrer besten, weil weitere Forschungen stimulierenden Form - potenziellen öffentlichen Geldgebern, denen Globalgeschichtliches und Digitales derzeit sehr am Herzen zu liegen scheinen, sollte dies immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden.

Ralf Lützelschwab