Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Team am GHI/DHI London (Christina von Hodenberg, Bernhard Hollick, Indra Sengupta, Hannes Ziegler)


E.P. Thompson: Whigs and Hunters. The Origin of the Black Act, London: Allan Lane 1975
Eine faszinierende Detailstudie zur Entstehung des berüchtigten "Black Act" von 1723, der eine beispiellose Zahl von Verbrechen unter Todesstrafe stellte und damit den blutigsten Gesetzestext des englischen 18. Jahrhunderts darstellt. Thompson verbindet die Anlässe für diesen erklärungsbedürftigen Vorgang mit der 1720 geplatzten Spekulationsblase der "South Sea Company" und der konsequenten Beugung des Rechtssystems durch die Whig-Oligarchie unter Robert Walpole. Mit großer Detailfreude, vortrefflichem Humor und einer vehementen, vom Marxismus inspirierten Kritik an den englischen Eliten des 18. Jahrhunderts bringt Thompson nüchterne Verwaltungsakten und Rechnungsbücher auf inspirierende Weise zum Sprechen und demaskiert das Stabilität und Gerechtigkeit propagierende Walpole-Regime mit einer Lesart gegen den Strich der offiziellen Quellen. Man muss den im Einzelnen bisweilen umstrittenen Ergebnissen nicht zustimmen und muss andererseits auch kein Marxist sein, um zu sehen wie sehr Thompsons scharfsinnige Kritik damit einen Nerv auch unserer heutigen Zeit trifft.

Amelia Bonea / Ioan Balcosi: The Magic Mango; URL: https://storyweaver.org.in/stories/27150-the-magic-mango
Dieses webbasierte, frei zugängliche Kinderbuch bietet einen lebendigen Zugang zur Anfangsgeschichte der Telegrafie und beschreibt, wie diese die weit verstreuten Teile des Britischen Empires miteinander ins Gespräch brachte. Die Autorin Amelia Bonea ist Historikerin an der Universität Heidelberg (https://womenalsoknowhistory.com/individual-scholar-page/?pdb=3593). Auch für Erwachsene interessant!

Eckhard Keßler: Die Philosophie der Renaissance. Das 15. Jahrhundert, München: C.H.Beck 2008, 270 S., ISBN 978-3-406-57641-6, EUR 29,90.
Während die Kunst des Quattrocento sich allgemeiner Beliebtheit erfreuen kann, ist seine Philosophie weitgehend terra incognita. Denker wie Cristoforo Landino oder Pietro Pomponazzi dürften nur wenigen Experten bekannt sein. Das wollte der 2018 verstorbene Münchner Renaissance-Forscher Eckhard Keßler ändern: mit seinem prägnant geschriebenen und gelehrten Buch stellt er drei maßgebliche philosophische Strömungen im Italien des 15. Jahrhunderts vor: den Humanismus, den Florentiner Platonismus und den Paduaner Aristotelismus. Er macht so die Vielstimmigkeit und Experimentierfreude einer Epoche sichtbar, die im Anschluss an die krisenhafte Entwicklung der Spätscholastik neue Wege des Denkens suchte.

Sonya Schönberger: Zingster Straße 25 (=berliner hefte zur geschichte und gegenwart der stadt; 6), URL: https://eeclectic.de/produkt/zingster-strasse-25/
Die Berliner Künstlerin Sonya Schönberger ist in einen Plattenbau in Ost Berlin gezogen, genauer gesagt in die Zingster Straße in Neu-Hohenschönhausen. Sie hat in einem Wohnhochhaus alle Bewohner befragt, die sich darauf einließen - meist Rentner, die schon seit Jahrzehnten in der 'Platte' leben. Die in diesem schmalen Band abgedruckten Transkripte sind faszinierend. Ganz persönliche, oft enthüllende Erzählungen beleuchten Alltagserfahrungen in der DDR, das Schockerlebnis Systemwechsel und die Gegenwart alter Leute im wiedervereinten Deutschland. Kein Fachbuch, sondern eine höchst lesbare Quellensammlung.