sehepunkte 2 (2002), Nr. 4

Pádraig Lenihan (ed.): Conquest and Resistance

Eroberung und Widerstand scheinen tatsächlich zwei Schlagworte zu sein, mit denen sich das "irische" 17. Jahrhundert greifen lässt: Der Aufstand der Ulster Lords (1594-1603) und der Krieg Wilhelms von Oranien gegen die von Frankreich unterstützten Anhänger Jakobs II. endeten zwar mit eher moderaten Friedensschlüssen, ihre Umsetzung in den nachfolgenden Jahrzehnten führte jedoch zu einer zunehmenden Entrechtung der katholischen Iren. Zwischen diesen Konflikten liegt die blutige Unterwerfung Irlands durch die Truppen Cromwells, die, folgt man den Autoren des vorliegenden Sammelbandes, einer bedingungslosen Kapitulation gleichkam. In zehn Aufsätzen, einer Einführung und einer Zusammenfassung untersuchen sie, größtenteils vergleichend, diese drei Kriege. Zugrunde gelegt wird dabei ein "britischer" Ansatz, der dem Umstand Rechnung trägt, dass sich auch die irische Geschichte nur aus dem Zusammenspiel englischer, schottischer und irischer Innen- und Außenpolitik erklären lässt. Auch die Involvierung anderer Mächte wird dabei mit betrachtet. Behandelt wird so ein Spektrum aus politischen, strategischen, taktischen, religiösen und wirtschaftlichen, aber auch geschlechtergeschichtlichen oder geografischen Aspekten.

Den Auftakt bildet eine Einführung des Herausgebers mit einem Überblick über die relative Stärke der drei britischen Königreiche und einer Zusammenfassung der drei untersuchten Kriege. Im Rahmen der gebotenen Kürze ist diese Einführung gut gelungen, lässt aber den Leser an zumindest einer Stelle etwas verwundert zurück: Lenihan betont mit Nachdruck, dass die Kriege nicht von vornherein gegen die irische Seite entschieden gewesen seien, obwohl er auf der gleichen Seite mit Recht hält: "Britain's capacity and will to conquer Ireland could not be doubted" (4). Vielleicht zielt er dabei auf die auch von den anderen Autoren des Sammelbands vertretene These ab, dass die irische Strategie oft darin bestand, die Kämpfe so lange hinzuziehen, bis eine andere europäische Macht bereit war zu intervenieren. Allerdings, und das macht der nachfolgende Aufsatz "The Strategic Involvement of Continental Powers in Ireland 1596-1691" (Tadhg Ó hAnnracháin) deutlich, war diese Intervention immer eine Intervention auf einem Nebenkriegsschauplatz - ausgehend von einer "European perception of Irishmarginality" (49), nach der England hier bestenfalls beschäftigt, aber nie geschlagen werden konnte. Am Beispiel von "Ireland in Naval Strategy" verdeutlicht Paul M. Kerrigan, wie beispielsweise Frankreich unter der Annahme, zuerst die gegnerische Kriegsflotte schlagen zu müssen, nichts unternahm, um den Nachschub Wilhelms von Oranien nach Irland zu stören - obwohl die französische der englischen Flotte zu diesem Zeitpunkt durchaus überlegen war. Kerrigan kann auch sehr schön aufzeigen, welch entscheidende Bedeutung die Flottenunterstützung für alle Kriege in Irland hatte: Während die Iren an vielen Punkten gleichzeitig bedroht waren, konnten die Kräfte der Krone beziehungsweise des Parlaments fast ungehindert Nachschub und schweres Gerät für Belagerungen in Irland absetzen. Das Defizit an geeigneten Kriegsschiffen, das Spanien oder Frankreich leicht hätten beheben können, entschied so die Kriege mit.

Zu den besten Aufsätzen gehört auch James Scott Wheelers "The Logistics of Conquest", der sowohl Nachschub und Transport, aber auch die Finanzierung der Kriege beleuchtet. Wheeler nutzt die Möglichkeit, die Entwicklung besonders der englischen Logistik über ein Jahrhundert zu verfolgen, überzeugend aus, indem er sie mit einer Diskussion der Thesen von John Brewer und Geoffrey Parker verbindet. In Verlängerung seiner Studie "The Making of a World Power" kann er dabei herausarbeiten, dass der entscheidende Umbruch auf dem Weg zu einer finanziellen wie militärischen Revolution Englands bereits unter dem Commonwealth stattfand. Das Parlament war schließlich gezwungen, neben Marine und Truppen an anderen Orten über 50.000 Mann in Irland nicht nur zu bezahlen, sondern auch ihre Ausrüstung und Versorgung von England aus sicherzustellen - eine logistische Meisterleistung, die den militärischen Aufbau der Jahrhundertwende vorwegnahm. Ein Aufsatz von James Burke, der sich dem Belagerungskrieg widmet, unterstreicht dies noch. Raymond Gillespie betrachtet in "War and the Irishtown" dagegen die Auswirkungen der Belagerungen auf Irland. Erfreulich ist dabei, dass Gillespie hier nicht nur statistisch vorgeht, sondern auch Nachwirkungen der Kriegführung in den "mental landscapes" der Stadtbewohner im Blick hat; etwas banal wirkt es aber, wenn er dabei unverhältnismäßig lang herauszuarbeiten versucht, dass schon Gerüchte herannahender Truppen Panik auslösen konnten.

Manche Leser werden den Aufsatz "Change and Continuity in Weapons and Tactics 1594-1691" (Donal O´Caroll) etwas speziell finden, da hier zuerst sehr allgemein auf Waffentechnik und einige Aspekte der Debatte um die "Military Revolution" eingegangen wird, die dann im Nachhinein an Beispielen aus Irland untersucht werden. Ähnlich mag man sich in zwei Aufsätzen von Lenihan und John McGurk über geografische Aspekte von Kriegführung und Strategie auf den ersten Blick mit zu vielen Einzelheiten konfrontiert sehen - zumindest wenn man, wie viele deutsche Historiker, Irland selbst eher fremd gegenübersteht beziehungsweise die Herausarbeitung größerer Linien erhofft.

Breitere Resonanz dürfte der vorletzte Aufsatz finden, in dem Bernadette Whelan Schicksale wie auch Handlungsspielräume von Frauen zwischen 1641 und 1691 untersucht und dabei dankenswerterweise Frauen sowohl als Opfer wie auch als am Krieg Beteiligte im Blick hat. Die Zusammenfassung des Aufsatzes kann leider nicht ganz mit dem durchaus interessanten Artikel mithalten, besteht sie doch aus dem etwas banalen Hinweis, die Rolle der Frauen habe sich auch im 17. Jahrhundert nicht wesentlich verändert: Nach wie vor lebten sie in einer von Männern beherrschten Welt.

Den Abschluss des Bandes bildet schließlich eine Diskussion von Irlands Platz in der Chronologie der "Military Revolution" durch Lenihan.

Der vorliegende Band behandelt auf kompetente Weise eine Reihe interessanter Themen. Dazu ist das Hardcover gut aufgemacht und schön anzusehen. Leider wurde das Schlusslektorat nicht sorgfältig durchgeführt: Vereinzelt fehlende Punkte oder verschobene Kommata mögen zu verschmerzen sein, manchmal endet ein Satz der Interpunktion nach aber erst mitten im nächsten, oder es fehlt ein Wort. Diese Fehler ziehen sich nicht durch das ganze Buch, tauchen aber doch so oft auf, dass sie stören. Kritisch ist auch noch anzumerken, dass gerade wegen des über weite Teile gelungenen übergreifenden Ansatzes manche Redundanzen im ereignisgeschichtlichen Teil zwischen den einzelnen Kapiteln vorkommen und man dadurch zumindest bei einer linearen Lektüre leicht übersättigt werden kann. Davon abgesehen kann der Band jedem empfohlen werden, der sich für das kriegerische 17. Jahrhundert interessiert.


Rezension über:

Pádraig Lenihan (ed.): Conquest and Resistance. War in Seventeenth-Century Ireland (= History of Warfare; 3), Leiden / Boston: Brill 2001, VIII + 382 S., 31 illus., ISBN 978-90-04-11743-3, EUR 96,00

Rezension von:
Torsten F. Reimer
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München
Empfohlene Zitierweise:
Torsten F. Reimer: Rezension von: Pádraig Lenihan (ed.): Conquest and Resistance. War in Seventeenth-Century Ireland, Leiden / Boston: Brill 2001, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 4 [15.04.2002], URL: https://www.sehepunkte.de/2002/04/2908.html


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