Der vorliegende Band präsentiert einige der Ergebnisse, die im Rahmen eines deutsch-italienischen Forschungsprojekts von Wissenschaftlern der Universitäten Heidelberg und Rom erarbeitet wurden. Er fasst eine Reihe von Untersuchungen zusammen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der epigraphischen Repräsentation beschäftigen. Dabei widmen sich die ersten beiden Beiträge der Betrachtung zentraler Phänomene und grundsätzlicher Entwicklungen in der römischen Epigraphik; sie machen dementsprechend etwa die Hälfte des Bandes aus. Ihnen folgen fünf weitere, thematisch und auch vom Umfang her begrenztere Detailuntersuchungen zu einzelnen Personengruppen oder Monumentformen.
Der übergreifende Titel des Werkes lässt dabei die große inhaltliche Bandbreite nicht unmittelbar erkennen. Hier spannt sich der Bogen von der späten Republik bis zur Regierungszeit des Arcadius, von der Selbstdarstellung der stadtrömischen Eliten bis hin zum Repräsentationsverhalten von Unterschichten. Im Vordergrund steht die Stadt Rom, doch werden auch zahlreiche Aspekte untersucht, die für das gesamte Reich von Bedeutung sind.
Géza Alföldy eröffnet den Band mit einer Untersuchung der Ehrenmonumente von Angehörigen des "ordo senatorius" in Rom und ihren Veränderungen im Laufe der Kaiserzeit (11-46). Grundlage dieser Analyse ist die systematische Sichtung des relevanten Materials, die vom Verfasser selbst für die Erstellung des neuen Faszikels von CIL VI (8, 3) durchgeführt wurde. Sie belegt nun wesentlich klarer, was sich vorher nur angedeutet hatte: Während sich außerhalb Roms die Grundformen der statuarischen Ehrung von Angehörigen der hohen "ordines" kaum von der des Herrschers unterschieden, galten in Rom ganz andere Regeln. War in der Republik der öffentliche Raum der Hauptstadt für die Monumente der Senatoren ohne wesentliche Einschränkung erreichbar, so wurde er seit Augustus zum Repräsentationsplatz des Herrschers. Zwar vollzog sich diese Entwicklung nicht schlagartig und führte nicht zu einer vollständigen Verdrängung anderer Personen. Doch unterlag die Errichtung öffentlicher Monumente fortan der Zustimmung und damit auch der Einflussnahme des Herrschers, und so ergaben sich deutliche Einschränkungen in der öffentlichen Repräsentation der Senatoren. Gerade dieser Prozess der Verdrängung, die Veränderungen in der Typologie der Monumente, aber auch die Verlagerung und Umwidmung von Repräsentationsräumen wird nun deutlicher als zuvor erkennbar.
Zwar gab es auch weiterhin eine nicht geringe Zahl öffentlicher Monumente für Senatoren. Doch wurden sie in der Regel von Senat und Volk errichtet; Stiftungen anderer Personen (die in einem Anhang präsentiert werden: 42-45), waren fortan im Wesentlichen auf den privaten Raum beschränkt. Nutznießer dieser Ehrungen war zudem nur eine kleine, besonders herausgehobene Spitzengruppe unter den Senatoren. Voraussetzung für diese besondere Privilegierung war allerdings nicht ein bestimmter Rang, sondern in erster Linie ein besonderes Nahverhältnis zum Kaiser: die "pietas immobilis erga principem". Diese Entwicklung brachte zwar für die Mehrheit der Senatoren deutliche Einschränkungen, doch wurde dies durch manches abgemildert. So blieb den Senatoren der private (oder besser: 'halböffentliche') Raum der eigenen "domus" als Ort der Repräsentation nahezu uneingeschränkt erhalten. Eine Kompensation war auch auf dem Gebiet der Grabmonumente möglich; nicht zuletzt wurde den kollektiven Ansprüchen des Senatorenstandes Rechnung getragen, gerade auch gegenüber dem Ritterstand.
Auch der zweite Beitrag, eine Gemeinschaftsarbeit von Barbara Borg und Christian Witschel, widmet sich einem grundlegenden und auffälligen Phänomen der römischen Epigraphik: dem drastischen Rückgang von Statuen respektive von Inschriften überhaupt sowie den deutlichen stilistischen Veränderungen im Repräsentationsverhalten der römischen Eliten während des 3. Jahrhunderts nach Christus (47-120).
Nach einer kurzen Einleitung in die Problematik stellen die Autoren in einer außerordentlich belesenen und materialreichen Untersuchung den Wandel in der materiellen Kultur an einer Reihe von Fallbeispielen, das heißt an ausgewählten Städten in Italien sowie in verschiedenen Provinzen, im Detail dar (50-78). Auch wenn die generelle Entwicklung im Wesentlichen in eine vergleichbare Richtung tendierte, sind doch deutliche lokale Unterschiede zu erkennen. Bereits sie lassen starke Zweifel an den bisherigen Erklärungsmustern aufkommen, die sich vor allem zweier Parameter bedienen: eines materialistischen Ansatzes, der die Ursache in erster Linie in wirtschaftlicher Not sieht, sowie eines soziokulturellen, der von einem radikalen sozialen Wandel ausgeht. In kritischer Abgrenzung von dieser sozialökonomischen Erklärung werfen die Verfasser die Frage auf, ob die Gründe für den Wandel nicht vielmehr im mentalen Bereich, in "veränderten Kommunikations- und Sehgewohnheiten sowie ästhetischen Bedürfnissen" zu suchen sein könnten (78-90).
So richten sie im Folgenden den Blick auf entsprechende "neue" Formen der Repräsentation: Den wachsenden Wert von Spielen und das Eindringen von Spieldarstellungen in die Repräsentationskunst auch der höchsten Kreise, die gesteigerte Bedeutung von Prozessionen wie "pompa circensis" und "processus consularis", oder die Zurschaustellung von Luxus im allgemeinen Habitus sowie in der Wohnkultur (90 ff.).
Insgesamt gelingt es den Verfassern, in überzeugender Weise plausibel zu machen, dass sich "der Charakter der Selbstdarstellung tendenziell aus dem Bereich der monumentalen, auf dauerhafte Sichtbarkeit und Dokumentation gerichteten Formen in den Bereich der performativen, temporären Repräsentation verlagert" haben könnte, wobei ausdrücklich betont wird, dass es sich keineswegs um einen abrupten Wandel handelte, sondern um eine längerfristige Schwerpunktverlagerung, einen Transformationsprozess, der bereits im 2. Jahrhundert begonnen hatte und erst im Lauf des 4. Jahrhunderts zu einem gewissen Abschluss kam.
Standen bisher zentrale Aspekte in der Repräsentation der römischen Eliten im Vordergrund, so rücken nun auch die stadtrömischen Unterschichten ins Blickfeld. Zunächst bietet Francisca Feraudi-Gruénais einen Vorbericht zu einer umfassenderen Publikation über die sepulkrale Selbstdarstellung von Unterschichten, waren doch für diese Bevölkerungskreise die Nekropolen im Wesentlichen der einzige Ort, wo sie ihre Leistungen zeigen konnten (121-124). In einem weiteren Beitrag untersucht Werner Rieß dagegen eine bestimmte, nach ihrer rechtlichen, beruflichen und materiellen Stellung sehr heterogene "Berufsgruppe": die stadtrömischen Lehrer (163-207). Gerade sie bewegten sich in einem Spannungsverhältnis zwischen der offensichtlich zunehmenden, aber durchaus auch ambivalenten Wertschätzung von Bildung, dem Repräsentationsanspruch ihrer Vermittler sowie deren oft niedrigem persönlichen Status. Neben der Analyse ihrer Selbstdarstellung mit ihren speziellen Kennzeichen und deren Veränderung enthält ein Anhang eine detaillierte Präsentation aller relevanten epigraphischen Zeugnisse (193-207).
Einem bestimmten Monumenttyp ist hingegen der Beitrag von Cecilia Ricci gewidmet: Dem antiken Kenotaph. Hier geht es vor allem auch um eine präzise Unterscheidung der verschiedenen Typen mit ihren jeweiligen Funktionen. Inhaltlich erstreckt sich die Untersuchung dabei von den frühesten Zeugnissen für Einzelpersonen aus dem 7./6. Jahrhundert vor Christus bis hin zu den kaiserzeitlichen Kollektivgräbern für Soldaten mit ihrer "Fusion" von funerärem, kommemorativem und propagandistischem Charakter (149-161).
Zwei Beiträge schlagen darüber hinaus den Bogen zur Spätantike. In der Münzprägung des valentinianischen Kaiserhauses spielte die Verherrlichung der VRBS ROMA eine nicht unwesentliche Rolle; eine systematische Untersuchung der epigraphischen Zeugnisse durch Heike Niquet (125-147) bestätigt dagegen das aus den literarischen Quellen gewonnene Bild einer zunehmenden Romferne dieser Dynastie. Gerade die kaiserlichen Baumaßnahmen zeigen, dass "Rom zu einer Provinzmetropole herabgesunken war". Wie in den Provinzstädten bereits während des Prinzipats, so ergaben sich daraus auch hier zunehmende Freiheiten für die Repräsentation anderer Personen in einer Stadt, die nun nicht mehr Kaiserresidenz war.
In einer Detailstudie untersucht schließlich Barbara Ruck die Arcadiusbasis auf dem Caesarforum. Dabei gelingt es ihr nicht nur überzeugend, eine exzeptionelle und politisch bedeutsame Statuengruppe zu rekonstruieren: Zwei spiegelbildlich angeordnete Reitermonumente der kaiserlichen Brüder, die, wenn auch im Gegensatz zur Realität, die gerade jetzt besonders wichtigen kaiserlichen Tugenden der "concordia" und der "virtus" propagieren sollten. Darüber hinaus entwickelt sie methodische Kriterien zur Identifizierung bestimmter Monumenttypen (209-229).
Insgesamt präsentiert dieser Band also zahlreiche neue Erkenntnisse zu wesentlichen Aspekten nicht nur der römischen Epigraphik und erschließt darüber hinaus eine Fülle von Material. Er stellt damit einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Mittel und Wege antiker Repräsentation dar und ist überdies ein eindrucksvolles Zeugnis einer fruchtbaren internationalen Kooperation.
Géza Alföldy / Silvio Panciera (Hgg.): Inschriftliche Denkmäler als Medien der Selbstdarstellung in der römischen Welt (= Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien; Bd. 36), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2001, 229 S., 12 Abb. auf Tafeln, ISBN 978-3-515-07891-7, EUR 44,00
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