Mit seiner Studie zum Wankelmotor als Medienereignis gelingt es Marcus Popplow, neue Akzente zu setzen, da hier nicht die Genese der Technologie, sondern die Rezeptionsgeschichte einer Innovation im Vordergrund steht. Der Autor hat dazu eine über 10.000 Presseberichte umfassende Ausschnittsammlung aus dem Wankel-Nachlass systematisch ausgewertet und kann unter anderem Verschwörungstheorien widerlegen, eine breitere Durchsetzung des revolutionären Motors sei letztlich an der durch die skeptische Automobilindustrie vermittelten, einseitigen Berichterstattung gescheitert.
Bei dieser Thematik ließe sich an die am Beispiel des Wankel-Motors geführte Methodendebatte über die Gewichtung von technischen, sozio-ökonomischen und kulturellen Faktoren in Innovationsprozessen anschließen. [1] Ebenfalls hätte sich angeboten, das Instrumentarium der historischen Diskursanalyse anzuwenden, um auch in der Technikgeschichte den Paradigmenwechsel zu demonstrieren, wie dies mit Blick auf internationale Entwicklungen verschiedentlich gefordert wurde. [2] Marcus Popplow will hingegen lediglich an die übergeordneten Diskussionsstränge Technikpopularisierung und Wirksamkeit gesellschaftlicher Leitbilder anknüpfen. Ihm geht es vor allem darum, "das Medienereignis Wankelmotor möglichst umfassend auf einer breiten Quellenbasis zu beschreiben" (16).
Dies wird im über 100-seitigen Hauptteil der Arbeit, der die Berichterstattung über den Wankelmotor zwischen 1959 und 1989 fokussiert, auf eindrucksvolle Weise geleistet. An eine Skizze der Rahmenbedingungen der Berichterstattung schließt sich die in sechs Phasen gegliederte, systematische Auswertung der Presse-Diskussionen an. Marcus Popplow macht hierin plausibel, dass die Faszination des Kreiskolbenmotors, aber auch der Spaltungscharakter dieses Themas auf die radikale Neuheit des eleganten Funktionsprinzips sowie auf die eigenwillige Persönlichkeit des Erfinders zurückzuführen war. Ermöglicht wurde das "Medienereignis" jedoch erst durch die Eignung des neuen Motors als Automobilantrieb und die symbolische Aufladung des Autos in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft.
Wurde der Wankelmotor bei seiner Vorstellung 1959 von den Entwicklern bei NSU zunächst als Sensation verkauft, so schloss sich bis Mitte der 1960er-Jahre eine "Zeit der Visionen" an. Über ein verändertes Autodesign wurde ebenso spekuliert wie über mögliche wirtschaftliche Folgen. Der neue Motor gab sich mit niedrigeren Oktanzahlen zufrieden, war kleiner und bestand aus weniger Einzelteilen als der Hubkolbenmotor. Diese scheinbaren Vorteile hätten bei massenhafter Produktion erhebliche Investitionen in neue Raffinerien und Werkzeugmaschinen erfordert. Mit der Markteinführung des NSU Spider Ende 1964 begann die Zeit der Vergleichs- und Tauglichkeitstests. Der Autor erkennt eine durchaus wohlwollende Aufnahme des äußerlich konventionellen Fahrzeugs in weiten Teilen der Presse, die sich mit der Vorstellung des NSU RO 80, der speziell für den neuen Motor gestaltet wurde, zur Begeisterung steigerte. Das als ästhetische Revolution aufgefasste Fahrzeug verkörperte ebenso wie der Mercedes-Prototyp C111 selbstbewusste Modernität, die entsprechend beworben wurde.
Doch waren die Signale für die Zukunft des Kreiskolbenmotors in den frühen 1970er-Jahren uneindeutig. Während Mazda mit entsprechenden Modellen auf den deutschen Markt drängte und General Motors verkündete, mittelfristig die gesamte Fahrzeugflotte umstellen zu wollen, verhielt sich die neue NSU-Konzernmutter Volkswagen zurückhaltend. Berichten über Laufruhe und Fahrkomfort des Wankel-Motors standen Zweifel an der Zuverlässigkeit, die problematische Zusammensetzung der Abgase und der hohe Benzinverbrauch entgegen. Dementsprechend lässt sich der Umschwung der veröffentlichten Meinung über das alternative Antriebskonzept auf die Ölkrise von 1973/74 datieren. Der Wankelmotor verlor sein fortschrittliches Image, sodass Volkswagen auf unsichere Investitionen verzichtete und 1977 die Produktion des RO 80 einstellte. Die 1980er-Jahre stellen sich daher als "Zeit der Rückblicke" dar, in der allerdings kein einheitliches Erklärungsmodell für die ausgebliebene Durchsetzung geliefert wurde.
In einem zweiten Teil (127-188) wird die Presseberichterstattung über den Wankelmotor nochmals auf Zuspitzungen, Ausblendungen und ungenutzte Argumente hin analysiert, um "Trampelpfade" der Berichterstattung herauszuarbeiten. Die Visionen eines veränderten Autodesigns stellen sich demnach als überzogen, die Konzentration auf die Anwendung des Motors als Automobilantrieb als kurzsichtig dar. Popplow kritisiert die Ausblendung gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge in den Diskussionen über den Wankelmotor und macht deutlich, dass die Fixierung der Presse auf Testdaten "den komplexen Rahmenbedingungen technischer Innovationen in einer modernen Industriegesellschaft nicht gerecht" (157) wurde. Als ungenutzte Argumente für den Wankel-Motor werden seine Geräuscharmut, eine mögliche Umweltfreundlichkeit beim Einsatz komplexer Abgasentgiftung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und das nationale Prestige herausgearbeitet.
Ein dritter Abschnitt thematisiert das Verhältnis der Presse zum Erfinder Felix Wankel, der in der Berichterstattung eine zentrale Rolle einnahm (189-244). Dabei wurde das Bild einer genialen Erfinderpersönlichkeit kommuniziert. Marcus Popplow dekonstruiert diesen Mythos teilweise, indem er ihn als Medienstrategie darstellt und auch die NS-Verstrickungen Wankels erwähnt. Die Kritik des Erfinders an der mangelnden Investitionsbereitschaft der Automobilindustrie scheint der Autor hingegen wenigstens partiell zu teilen, wenn er in der knappen Ergebniszusammenfassung über die mangelnde Diskussion industriepolitischer Belange ebenso klagt wie über die durch widersprüchliche Testberichte hervorgerufene Verwirrung der Leser. Die Gradwanderung zwischen kritischer Distanz und notwendiger Würdigung der Person Wankels ist in dieser von der Felix-Wankel-Stiftung finanzierten Studie aber durchaus geglückt.
Kritisch angemerkt werden müssen einige Redundanzen, die der ambitionierten Gliederung des Bandes, die eine chronologische Darstellungsweise durchbrechen will, geschuldet sind. Auch stört die ausgiebige Verwendung wörtlicher Zitate, die sich stellenweise zu einer Zitatensammlung ausweitet, zuweilen das Lesevergnügen (33-35). Positiv hervorzuheben ist dagegen die reichhaltige Bebilderung des Bandes, wobei die zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotografien im laufenden Text noch durch einen gesonderten sechzehnseitigen Bildteil mit farbigen Abbildungen ergänzt werden. Leider hat die ausgiebige Verwendung von Bildmaterial vorwiegend illustrierenden Charakter. Als Argumente werden die Bilder kaum genutzt, geschweige denn systematisch analysiert. Auch wenn die Möglichkeiten der Neuen Kulturgeschichte somit bewusst nicht voll ausgenutzt werden, lässt Popplows Studie doch erkennen, welches Potenzial in einer kulturwissenschaftlich inspirierten Technikgeschichtsschreibung steckt, da es dem Autor gelingt, die interpretative Flexibilität neuer Technologien deutlich zu machen. Nicht nur Innovationen, auch deren massenmediale Rezeptionen werden sozial konstruiert.
Da diese Arbeit zeigt, wie Medien über Technik berichten, ist sie trotz der scheinbar engen Thematik nicht nur für eingefleischte Wankel-Fans, sondern auch für den Allgemeinhistoriker empfehlenswert.
Anmerkungen:
[1] Vergleiche Andreas Knie: Wankel-Mut in der Autoindustrie. Anfang und Ende einer Antriebsalternative, Berlin 1994; Wolfgang König: Technik, Macht und Markt. Eine Kritik der sozialwissenschaftlichen Technikgeneseforschung, in: Technikgeschichte 60 (1993), 243-266.
[2] Vergleiche Mikael Hård: Zur Kulturgeschichte der Naturwissenschaft, Technik und Medizin. Eine internationale Literaturübersicht, in: Technikgeschichte 70 (2003), 23-45.
Marcus Popplow: Motor ohne Lobby? Medienereignis Wankelmotor 1959-1989 (= Technik + Arbeit. Schriften des Landesmuseums für Technik und Arbeit in Mannheim; 11), Heidelberg / Ubstadt-Weiher / Basel: verlag regionalkultur 2003, 253 S., 121, z.T. farb. Abb., ISBN 978-3-89735-203-2, EUR 16,90
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