In den Jahren 2002 und 2003 waren mancherlei Aktivitäten zu verzeichnen, die an die vor genau 200 Jahren erfolgte Säkularisation erinnerten. Auf ganzer Linie vermochten die meist auf landesgeschichtlicher Ebene angesiedelten Ausstellungen, Kolloquien, Publikationen, Gedenkveranstaltungen durchaus auch ältere Paradigmen zu hinterfragen, wie etwa das von der grundlegenden Kirchenfeindlichkeit der Säkularisation. Ein weiteres Paradigma, das sich bis in die Publizistik der Säkularisationszeit zurückverfolgen lässt, ist die Vorstellung, die Klöster und Stifte seien im 18. Jahrhundert derart vom inneren, teilweise auch äußeren Verfall geprägt gewesen, dass die Säkularisation nur noch den unvermeidlichen Todesstoß versetzt hätte.
In diesem Zusammenhang vermag die anzuzeigende Publikation nun ein völlig anderes Bild zu entwerfen, indem sie sich mit der Situation der Klöster in der Oberpfalz im 17. und 18. Jahrhundert beschäftigt. Dass dabei eine thematische Beschränkung auf den Bereich der Festkultur vorgenommen wurde, kann man nur gutheißen. Dadurch haben die Herausgeber eine in Sammelbänden gelegentlich anzutreffende Themenvielfalt bis hin zur Beliebigkeit von vornherein vermieden. Zudem wirkt der Band der beschriebenen Zerfallsthese entgegen, die bisweilen eine vorgeblich sich in Üppigkeit, reinen Äußerlichkeiten, Luxus und Verschwendung erschöpfende Barockkultur zum Ausgang nimmt. Die einzelnen Aufsätze zeigen nun recht facettenreich auf, dass barockes Festgeschehen "in vielfältiger Verdichtung ein qualifiziertes Paradigma" bietet, "um die geistigen Prozesse und Strömungen, die das monastische Selbstverständnis dieser Epoche prägen, sinnenfällig ins Blickfeld zu rücken" (15). Auf diese Weise können oberpfälzische Klöster als "geschichts- und kulturbildende Faktoren" (14) wahrgenommen werden. Die so entstandene spezifisch klösterliche Kultur war es dann, "die erst mit dem Prozess der neuzeitlichen Säkularisation ihre universelle Bedeutung verloren hat" (14). Ohnehin genießt die Thematik Festkultur seit einigen Jahren eine zunehmende Aufmerksamkeit in der Forschung, beschäftigt sich doch eine wachsende Zahl von Publikationen für unterschiedliche Epochen mit dem Phänomen "Fest".
Den insgesamt elf Einzelbeiträgen ist eine Einleitung der Herausgeber vorangestellt, deren Untertitel "polemische und programmatische Bemerkungen zur Oberpfälzer Klosterforschung" lautet. Beklagt wird dort, dass zwar Architektur und Ausstattung der Oberpfälzer Klöster in der bisherigen Forschung eine Rolle spielten, nicht aber deren kulturelles und geistiges Potenzial. Ebenso werde in bayerischen Klostergeschichten die Oberpfalz immer wieder ausgeklammert. Die Klage mündet in die Forderung nach einer Lobby für die Oberpfälzer Klosterforschung. Da vorliegender Band als der erste einer neuen, entsprechend angelegten Reihe erscheint, darf er als "Lobbyarbeit" im besten Sinne angesehen werden.
Die einzelnen Beiträge nehmen "einzelne Orte, Medien und Festanlässe" in den Blick "- mit dem Ziel, Forschungslücken in der regionalen Kultur- und Institutionsgeschichte" (14) einzelner Klöster zu beseitigen. Sehr fruchtbar erscheint auch dem Rezensenten der dabei gewählte interdisziplinäre Ansatz: Es finden sich Aufsätze zur Architektur-, Kunst-, Musik-, Theater-, Bildungsgeschichte und Theologie. Dabei lassen sich zwei verschiedene Herangehensweisen an die Thematik beobachten: Einige Beiträge behandeln Teil- oder Einzelaspekte klösterlicher Festkultur gleichsam im Querschnitt für mehrere Klöster der Oberpfalz, andere richten den Fokus hingegen jeweils auf einen einzelnen Konvent.
Von den Beiträgen der ersten Gruppe nimmt Christina Grimminger den Festsaal in Oberpfälzer Klöstern als einem wichtigen Ort des barocken Festgeschehens in den Blick. In der baulichen Anlage der Klöster stehen diese Räumlichkeiten durchweg mit den Gästezimmern und der Prälatur in Verbindung und machen bereits dadurch deutlich, dass sie als die "weltlichen, öffentlichen Bereiche der Klosteranlage" (36) anzusehen sind, was auf ihre Funktion im Rahmen offizieller und repräsentativer Anlässe hinweist. Weitere Aufsätze behandeln jeweils für die Oberpfälzer Klöster die dort vorhandenen Gemälde und Skulpturen des heiligen Benedikt und des Schutzengels (Günter Lorenz), die für verstorbene Äbte angefertigten Trauergerüste, die so genannten "castra doloris" (Elisabeth Fendl), die zu verschiedenen Anlässen abgehaltenen feierlichen Disputationen, bei denen sich "großes barockes Gepräge entfaltete" (103; Ulrich G. Leinsle), die klösterliche Theaterpflege während des 18. Jahrhunderts (Manfred Knedlik) sowie die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts begangenen Klosterjubiläen (Stefan W. Römmelt).
Von der zweiten Gruppe befasst sich Hans Faltermeier mit Leben und Werk des im Kloster Walderbach tätigen Komponisten und Ordensmannes Eugen Pausch (gestorben 1838) und erinnert in diesem Zusammenhang an die Schicksale der klösterlichen Musikaliensammlungen während der Säkularisation. In noch stärkerem Maße als die Klosterarchive wurden sie verkauft oder gar vollkommen vernichtet. Peter Pfister umreißt die barocke Kloster- und Festkultur des nach 1669 wiederbesiedelten Zisterzienserklosters Fürstenfeld, die wesentlich von Abt Martin Dallmayer bestimmt wurde, der dieses Amt bis 1690 innehatte. Vergleichbares leistet Georg Schrott für das Zisterzienserkloster Waldsassen. Beide Aufsätze thematisieren auch den auf den ersten Blick herrschenden Gegensatz zwischen der barocken Festkultur und insbesondere der strengen zisterziensischen Spiritualität. Dass solche Überlegungen indessen modernen Vorstellungen entspringen, wird vor allem bei den Ausführungen von Georg Schrott deutlich.
Alles in allem handelt es sich um einen inhaltlich recht ansprechenden Band, der den Anspruch, "barocke Festkultur in Oberpfälzer Klöstern" zu umschreiben, einlöst. Von den in diesem Untertitel des Bandes verwendeten Begriffen werden zwei hinreichend thematisiert, denn neben den Anmerkungen zu den Oberpfälzer Klöstern im einleitenden Beitrag finden sich dort wie auch in einzelnen Beiträgen (vor allem bei Pfister und Schrott) Hinweise zum Festbegriff und zum Terminus Festkultur. Keine eigene Erörterung findet hingegen der kunstgeschichtliche Epochenbegriff "Barock", der hier ohne weiteres auf das gesamte 17. und 18. Jahrhundert übertragen wird. Dazu hätte man sich doch einige methodische Überlegungen gewünscht.
Hinsichtlich der Ausstattung des Bandes fällt auf, dass die Qualität der Abbildungen recht unterschiedlich ist und sich einiges Unzureichendes findet. Wenn Georg Schrott in seinem Fazit von einem Netzwerk spricht, das er aufgrund des "Austausch[s] zwischen den Klöstern" (199) konstituiert sieht, so wird daran deutlich, dass man sehr wohl von einer "Klosterlandschaft" Oberpfalz sprechen darf. Daher wäre eine Karte dieser Klosterlandschaft sicherlich auch für die Rezeption des Bandes über die Oberpfalz hinaus hilfreich gewesen. Zu wünschen wäre dem Band eine solche jedenfalls.
Manfred Knedlik / Georg Schrott (Hgg.): Solemnitas. Barocke Festkultur in Oberpfälzer Klöstern. Beiträge des 1. Symposions des Kultur- und Begegnungszentrums Abtei Waldsassen vom 25. bis 27. Oktober 2002 (= Veröffentlichungen des Kultur- und Begegnungszentrums Abtei Waldsassen; Bd. 1), Kallmünz: Michael Laßleben 2003, 207 S., ISBN 978-3-7847-1176-8, EUR 28,00
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