sehepunkte 5 (2005), Nr. 11

Ebeltje Hartkamp-Jonxis / Hillie Smit: European Tapestries in the Rijksmuseum

In der jüngeren Vergangenheit wird dem lange Zeit nur wenig beachteten Medium der Tapisserie eine größere Aufmerksamkeit entgegen gebracht. Bestandskataloge bedeutender Sammlungen wie etwa derjenigen des Patrimonio Nacional in Madrid, Bücher zur Entwicklungsgeschichte der Tapisserien, Ausstellungen und Ausstellungskataloge sowie Symposien sind Zeugen dieser zunehmenden Wertschätzung. Die wissenschaftlichen Publikationen haben dazu beigetragen, die Kenntnis über Ikonografie und Stilistik von Tapisserien, ihrer Herstellung, über die Geschichte der einzelnen Manufakturen und deren Absatzmärkte bis hin zu einzelnen Auftraggebern zu erweitern.

Die jüngst publizierte Studie "European Tapestries in the Rijksmuseum" ist ein weiterer Beitrag zum Verständnis dieses Mediums und zur Aufbereitung der Tapisseriensammlungen für eine breite Öffentlichkeit. Da das Rijksmuseum bis voraussichtlich 2008 seine Räumlichkeiten saniert und nur ein geringer Teil des Bestandes unter dem Titel "The Masterpieces" gezeigt wird, ist das Erscheinen des Bestandskataloges gerade zum jetzigen Zeitpunkt besonders zu begrüßen. Wer sich über den reichen Tapisserienbestand des Hauses informieren möchte, kann nunmehr auf diese umfangreiche Publikation zurückgreifen.

Ebeltje Hartkamp-Jonxis, seit 1992 Kuratorin der Textilsammlung des Rijksmuseums, und die Kunsthistorikerin Hillie Smit sind die Autorinnen des Katalogs. Sie erfassen erstmals in der Geschichte des Amsterdamer Museums dessen vollständigen Tapisserienbestand in einem einzigen Buch. Beraten wurden sie von einem Spezialistenteam, dem unter anderem Guy Delmarcel, der hervorragendste Vertreter der flämischen Tapisserienforschung, und C. Willemijn Fock angehörten. Fock ist der Redakteur eines umfassenden Werkes zur Erfassung aller niederländischen Tapisseriensammlungen, um deren zweiten Band es sich bei dem vorliegenden Buch handelt. Der erste, bereits 1988 erschienene Band wurde von Elisabeth J. Kalf bearbeitet und berücksichtigt Tapisserien in den Provinzen Zeeland, Nord-Brabant und Limburg. Ein dritter Band, der den Bestand öffentlicher Sammlungen in weiteren niederländischen Provinzen katalogisiert, ist in Aussicht.

Der Aufbau der vorliegenden Publikation ist übersichtlich und in sich schlüssig. Neben einem Katalogteil beinhaltet die Publikation drei Essays. Zunächst wird die Geschichte der Tapisseriensammlung des Museums erörtert. Des Weiteren findet sich ein Aufsatz zu Themen und Stil der Tapisserien in den nördlichen Niederlanden und schließlich ein Exkurs zu floralen Motiven auf Tischteppichen.

Im einführenden Kapitel werden zunächst 130 Jahre Sammlungsgeschichte des Museums zurückverfolgt. Zu dem heute etwa 200 gewirkte Objekte umfassenden Bestand des Rijksmuseums gehören niederländische, französische, englische, italienische und deutsche Arbeiten aus der Zeit von 1375 bis etwa 1860. Dazu zählen neben Wandbehängen auch Tischteppiche, Sesselbezüge oder etwa Kaminschirme. Namhafte Entwurfszeichner wie Michiel Coxcie oder Jan van den Hoecke, bekannte Manufakturen wie diejenigen des Pieter van Aelst und des Willem de Pannemaker, sowie prominente Sujets (so z. B. Die Geschichte des Tobias, Die Geschichte Alexander des Großen oder Die Darstellung der Monate) sind in der Sammlung vereint. Das Interesse der Mitarbeiter des Hauses war von vornherein nicht nur beschränkt auf niederländische Tapisserien oder solche mit historisch speziell niederländischem Bezug. Bereits 1875 kamen beispielsweise zwei um 1500 datierte deutsche Antependien (Kat. 93 und 94) in die Sammlung. Um 1900 hatte der Bestand den bescheidenen Umfang von nur 32 Tapisserien, die jedoch bereits den international orientierten Sammelansatz bezeugen.

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges war der Bestand auf 44 Tapisserien angewachsen. Bedeutende Stücke zur Erweiterung des Tapisserienbestandes des Rijksmuseums konnten nach den Kriegsjahren durch Ankäufe getätigt werden, aber auch durch Eintausch gegen Restaurierungsarbeiten in den hauseigenen Werkstätten (17).

Als besonderer Zuwachs erwies sich die Übernahme eines Großteils der Sammlung Dr. Fritz Mannheimer. Die Sammlung des deutschen Bankiers, der seit 1920 in Amsterdam gelebt hatte, kam 1952/53 zunächst als Leihgabe ins Museum und ging 1960 in seinen dauerhaften Besitz über. Unter den aus dem Bestand Mannheimers übernommenen 15 Tapisserien befanden sich beispielsweise zwei Verdüren mit Wappen Kaiser Karls V., die bereits 1938 aus dem Bestand des Kunsthistorischen Museums in Wien verkauft worden waren (16).

Die Katalogeinträge sind geografisch nach Produktionszentren geordnet und innerhalb dieser chronologisch. Die Texte zu den einzelnen Tapisserien sind nach einem einheitlichen Schema gegliedert. Einer Beschreibung der Tapisserie und, falls vorhanden, auch der Bordüre, folgen Kommentare zum Sujet, eventuell vorhandenen Vorlagen, Entwürfen, Kartons und vergleichbaren Serien, zum Zustand und zur Provenienz des jeweiligen Wandbehanges. Die einzelnen Texte sind äußerst prägnant. Dem Leser, der sich vertieft informieren will, bieten die ausgewählten Literaturangaben, die jeden Katalogeintrag abrunden, eine Hilfestellung, auf Grund von Platzmangel werden jedoch nicht alle Vergleichsbeispiele genannt. Wo durch das Fehlen einer Manufakturmarke oder Signatur sowie des Mangels an Archivmaterial die Datierungen und Zuschreibungen ungewiss sind, nehmen die Autorinnen eigene zeitliche Einordnungen und Zuschreibungen vor. Hilfreich sind ihnen dabei ihre sensiblen Beobachtungen im Detail der Kostüme, der Flora und Fauna sowie der Heraldik.

Alle Tapisserien sind mit einer farbigen Gesamtaufnahme erfasst. Ergänzend kommen - soweit vorhanden - Aufnahmen der Manufakturmarken hinzu. In einigen Fällen ist die weniger verblasste Rückseite abgebildet, der Zustand der Tapisserie vor ihrer Konservierung, sowie vorbereitende Skizzen oder Kartons.

Der Katalog der Tapisserien des Rijksmuseums ist ein überaus gelungener Beitrag zur Erfassung der Tapisserienbestände in öffentlichen Sammlungen, von denen leider noch immer eine große Zahl auf Grund mangelnder Publikationen weitgehend unbekannt ist. Es bleibt zu hoffen, dass diese vorbildliche Publikation einen Anstoß zu vergleichbaren Arbeiten darstellt.

Rezension über:

Ebeltje Hartkamp-Jonxis / Hillie Smit: European Tapestries in the Rijksmuseum (= Catalogues of the Decorative Arts ib the Rijksmuseum, Amsterdam; Vol. 5), Zwolle: Waanders Uitgevers 2004, 464 S., 125 Farb-, 140 s/w-Abb., ISBN 978-90-400-8782-0, EUR 180,00

Rezension von:
Katja Schmitz-von Ledebur
Kunsthistorisches Museum, Wien
Empfohlene Zitierweise:
Katja Schmitz-von Ledebur: Rezension von: Ebeltje Hartkamp-Jonxis / Hillie Smit: European Tapestries in the Rijksmuseum, Zwolle: Waanders Uitgevers 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 11 [15.11.2005], URL: https://www.sehepunkte.de/2005/11/6899.html


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