sehepunkte 7 (2007), Nr. 1

Rezension: Studien zu Tarragona und Mataró

Seit der Anlandung des Cn. Cornelius Scipio im Spätsommer des Jahres 218 v. Chr. bei Emporion (Ampurias), entwickelte sich der Nordosten der Iberischen Halbinsel zur Schlüsselstellung Roms im westlichen Mittelmeerraum. Folgerichtig konzentrieren sich eine Vielzahl archäologischer und althistorischer Studien zum antiken Hispanien auf diese heute autonome Region Spaniens (Katalonien). Erinnert sei an methodisch richtungsweisende Arbeiten wie die feldarchäologischen Forschungen von Martin Almagro-Basch in den Nekropolen des griechisch-römischen Ampurias, das dichte Geflecht eng ineinandergreifender, althistorischer und epigrafischer Untersuchungen von Geza Alföldy oder die von Simon Keay initiierten siedlungs- und landschaftsarchäologischen Surveys im Hinterland von Tarragona. Trotz der politisch forcierten sprachlichen Isolation - wer vermutet schon die neuesten Bände der renommierten Fachzeitschrift Ampurias unter dem Buchstaben E(mpúries) - gelang es der rührigen katalanischen Bodenforschung in den letzten Jahren, unsere Kenntnis der dem Mittelmeer zugewandten Landstriche der römischen Provinz Tarraconensis kontinuierlich zu verdichten. [1] Vor diesem Hintergrund sind die beiden in Spanisch bzw. Katalanisch abgefassten Studien zum Territorium der Provinzhauptstadt Tarraco (Tarragona) bzw. der Hafenstadt Iluro (Mataró) zu beurteilen.

Im Rahmen des von Alberto Prieto Arciniega geleiteten Forschungsprojekts "El paisaje histórico en la Hispania romana" entstand die im Herbst 2002 an der Universität Autónoma de Barcelona eingereichte Dissertation von Isaías Arrayás Morales. Der inzwischen selber an jener Hochschule lehrende Verfasser untersucht darin die "morfología", besser gesagt die administrative und (siedlungs-)geschichtliche Entwicklung des Hinterlandes der Stadt Tarraco während der drei vorchristlichen Jahrhunderte, eben jener Epoche zwischen dem Auftakt des 2. Punischen Krieges und der augusteischen Provinzneuordnung.

Das Buch gliedert sich in drei Kapitel, denen eine weitgehend unabhängige Konzeption eigen ist. Traditioneller althistorischer Vorgehensweise folgt der umfangreichste erste Abschnitt, in dem der Verfasser einen historischen Abriss des betrachteten Zeitabschnittes darbietet (21-116). Die solide Zusammenstellung der bekannten literarischen, epigrafischen und numismatischen Quellen gewährt einen zweckmäßigen Überblick über den derzeitigen Stand der Forschung. Entsprechend der Aussagemöglichkeiten des bemühten Quellenmaterials fällt der Blick allerdings weniger auf das territorium, den ager Tarraconensis, denn auf die eigentliche urbs als administratives, religiöses und gesellschaftliches Zentrum der Hispania citerior, respektive des conventus iuridicus Tarraconensis. [2]

Für den zweiten Abschnitt des Buches kündigt der Autor sodann die "dificil análisis de los fuentes arqueologicos" an (117-204). Als Betrachtungsraum - man hätte für eine archäologische Thematik den bereits oben eingeführten naturräumlich begrenzten "Camp de Tarragona" erwartet - wird das erst noch zu definierende territorium der civitas von Tarraco gewählt. So erklärt es sich denn auch, dass nicht die Methode der archäologischen Ethnografie, sondern erneut althistorische Quellen zur Umschreibung der regio Cessetania, dem Siedlungsgebiet der vorrömischen Bevölkerung herangezogen werden. Streng genommen verzichtet auch die Beschreibung des antiken Straßensystems, der zwölf im Arbeitsgebiet gefundenen, gleichwohl erst aus der Kaiserzeit stammenden Meilensteine sowie der mansiones auf eine substanzielle Auswertung der eher illustrierend angeführten archäologischen Bodenzeugnisse.

Erst das Unterkapitel II.4 (148-204) bietet dann die angekündigte Analyse der im Archiv der Bodendenkmalpflege (Servei d'Arqueologia e la Generalitat de Catalunya) durch Fundmeldungen und systematische Surveys von Simon Keay [3] registrierten 289 Fundstellen. Im Prinzip der für den keltischen Südwesten der Halbinsel exemplarisch von Luis Berrocal Rangel dargebotenen Methode folgend [4], wählt der Verfasser die vorrömischen, iberischen Ansiedlungen des ausgehenden 3. Jahrhunderts als Referenzgruppe, um dann durch einen statistischen Vergleich die nachfolgenden Veränderungen in der Siedlungsstruktur sichtbar zu machen (Reduktion, Auflassung, Neubeginn etc.). Dazu definiert er schablonenhaft fünf Zeitepochen, die in Schritten von je einem halben Jahrhundert vom "Ibérico pleno" (4.-3. Jahrhundert v. Chr.) bis an die Zeitenwende reichen. Für eine chronologische Einordnung der Fundstelle in das entsprechend grobmaschige Zeitraster reicht dem Verfasser eine beschränkte Zahl an keramischen Leitformen aus (attische Keramik, Campana, Terra Sigillata und bestimmte Amphorentypen).

Erwartungsgemäß wird in der Folge die Entwicklung der erfassten Siedlungsstellen während der fünf definierten Zeitabschnitte verfolgt. [5] Als entscheidende Umwälzungen lassen sich nicht ganz unerwartet das allmähliche Verschwinden der oppida, das Auftauchen von großen Vorratsspeichern ("conjunto de silos") und das "reasentamiento", die Umsiedlung einheimischer Bevölkerungselemente wohl unter römischem Einfluss in der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. erkennen. Beispielhaft kann diese Entwicklung für den emblematischen "nucleo ibérico" in der Unterstadt von Tarraco und dessen allmähliches Zusammenwachsen mit dem römischen praesidium in der Oberstadt (Scipionum opus) nachvollzogen werden. [6] Anders als man es bei einer entsprechenden siedlungsgeschichtlichen Fragestellung erwartet hätte, liegen allerdings keine erläuternden Verbreitungskarten vor. Diese kann sich der Benutzer allenfalls selber aus dem am Kapitelende gegeben Fundstellenverzeichnis zusammenstellen. Selbst das für den Sieg des römischen "Imperialismus" (sic!) (242) kennzeichnende, verstärkte Auftreten von Produktionsstätten für (Wein-)Amphoren und die nachfolgende "implantacion del sistema de la villa" werden ohne einschlägige Kartenbilder abgehandelt. Stattdessen finden sich einige in ihren einheitlichen Grautönen nicht immer leicht zu lesende Histogramme, die in absoluten Zahlen das Verschwinden, Auftauchen oder Fehlen eines bestimmten Siedlungstyps oder einer Befundgruppe (Silos, Öfen etc.) vermerken. Offen bleibt dabei, wie die vom Verfasser verwendeten Siedlungstypen - einmal "centros de primer orden (oppida)", "segundo orden" und "tercer orden", später dann nur noch "centros importantes" und "centros de orden inferior" [160-165] - definiert wurden.

Für das letzte Kapitel (205-240), dem "Estudio arqueomorfológico del Territorio", hatte der Betreuer der Arbeit schon im Vorspann die Umsetzung der so genannten "método de Besançon" angekündigt (11). Nach einer konzisen Darstellung der angewandten Methode sucht man allerdings vergeblich. [7] Stattdessen führt der Verfasser einmal mehr althistorische Beschlagenheit vor Augen ("nomenclatura y conceptos de centuriación, limitatio y deductio"). Das entscheidende Argument für die Existenz einer sodann postulierten "orientación A" als Grundlage der centuriation des ager Tarraconensis wird dagegen eher beiläufig vorgestellt (215 f.). Es handelt sich um eine getreu der antiken Vermessungshandbücher angelegte Amphorenreihe zur Markierung einer privaten (?) Grundstücksgrenze. Der zu erwartende Befundplan - schließlich geht es um die genaue Festlegung einer 27°-Ost-Achse - fehlt. Anhand der gegebenen Strichzeichnung der Amphorenränder kann zumindest der typologisch vorgebildete Leser erkennen, dass diese Grenze frühestens in augusteischer Zeit angelegt worden sein kann (Dressel 2-4). Dieses in Mas d'un Burguet (Alcover) belegte Richtungssystem vermochte der Verfasser in der Folge auf orthfotografischen Karten wiederzuerkennen (mapa 4-13), was umso interessanter ist, als Simon Keay - zweifellos einer der besten Kenner der Region - die Existenz einer centuriation im ager Tarraconensis bislang ausgeschlossen hatte.

Die schon im vorausgehenden Kapitel herangezogenen Fundstellen werden in der Folge auf ihre Lage in Bezug auf die Schnittpunkte der römischen Limitationslinien hin untersucht (219-240). Und das Ergebnis ist durchaus beeindruckend: In signifikanter Weise scheinen sich die römischen Fundstellen, ebenso wie mittelalterliche Kirchen und einschlägige Toponyme, entlang der römischen Vermessungslinien zu konzentrieren. Die zeitdifferenzierte Betrachtung belegt zudem, dass diese Ausrichtung bereits seit dem Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. stattfand, ein deutlicher Hinweis auf eine noch vor die augusteische Provinzeinteilung zurückreichende centuriation des Hinterlandes von Tarraco (173).

Nach dem Studium des prägnanten, nach den einmal vorgenommenen Zeitstufen geordneten Resümees (241-243) zu einem - wie der Verfasser eigens betont - "fenómeno extremamente complejo" bedauert man, dass die herangezogenen archäologischen Quellen nicht immer nachvollziehbar gewürdigt wurden. Die entscheidende handwerkliche Schwäche liegt im Fehlen der für jedwede siedlungsgeografische Fragestellung unumgänglichen, heute dank einschlägiger GIS-Programme schnell und effektiv zu erstellenden zeitdifferenzierten Verbreitungskarten. Unbeschadet dessen, liefert der vom Verfasser gewählte interdisziplinäre Forschungsansatz eine Vielzahl neuer Erkenntnisse zur Gliederung des Territoriums der tarraconenser Provinzhauptstadt. Diese kritischen Anmerkungen schmälern jedoch keineswegs das Verdienst des Verfasser durch seinen interdisziplinären Arbeitsansatz ein vollkommen neues Bild dieses Territoriums entworfen zu haben.

Ein vollkommen anderer methodischer Ansatz liegt dem zweiten hier anzuzeigenden Buch zugrunde. Xavier Cela Espína, verantwortlicher Archäologe der Stadt Mataró, und Víctor Revilla Calvo, ausgewiesener Vertreter der provinzialrömischen Archäologie am CEIPAC der Universität Barcelona, stellen das aus dem Stadtgebiet des antiken Iluro (Mataró) geborgene Spektrum an spätrömischer Fundkeramik in das Zentrum ihrer Untersuchungen. Basierend auf einer kenntnisreichen antiquarischen Analyse des keramischen Materials, gelingt es den beiden Verfassern in den sechs Kapiteln des Buches ein überaus facettenreiches Bild der antiken Stadt an der Wende zum europäischen Mittelalter zu entwerfen. [8]

Der Fragestellung angemessen, erläutert ein einleitendes Kapitel die historischen Rahmenbedingungen und die gewählte Vorgehensweise (21-44). Bei dem am Küstenstreifen zwischen Emporion und Tarraco gelegenen Iluro handelte es sich um eine ex-novo-Gründung des beginnenden 1. Jahrhunderts v. Chr. Der prosperierende Hafenort, ein oppidum civium romanorum der ausgehenden Republik war wohl schon unter Augustus in den Rang eines municipium erhoben worden. Die prinzipatszeitliche Stadt wurde durch einen Mauerring, ein hippodamisches Straßenraster, öffentliche Großbauten, wie ein marcellum, und einer dem Typ der italischen domus folgenden Wohnbebauung geprägt. [9] Wie in vielen anderen Städten des römischen Hispaniens lässt sich dann aber seit dem ausgehenden 2. und frühen 3. Jahrhundert eine deutliche Reduktion der urbanistischen Strukturen nachweisen. Zusammenhängende Baubefunde der Spätzeit blieben bei den ausschnitthaften Rettungsgrabungen aus, sodass eine minuziöse Analyse des Fundstoffes der einzig gangbare Weg erschien. Die Tatsache, dass Straten der Alarona genannten mittelalterlichen Stadt fehlen, war dabei von Vorteil; über den römischen Ablagerungen fanden sich lediglich Siedlungsspuren der "època moderna contemporània".

Die Vorlage des Fundstoffes erfolgt nach einem wohldurchdachten und übersichtlichen Schema. Während das Kapitel 2 Fundensembles aus den Planierungsschichten ("nivells d'aterrassament") über dem kaiserzeitlichen cardo maximus präsentiert (45-168), werden in Kapitel 3 die Inventare der weitgehend unabhängig von den prinzipatzeitlichen Baustrukturen angelegten Vorratsgruben und Gräben ("sitges i fosses") vorgestellt (169-314). In einem vierten Kapitel legen die Verfasser dann die wenigen, gleichwohl für die Siedlungs- und Sozialgeschichte ungemein wichtigen Ergebnisse aus den Grabungen in der großen spätantiken Nekropole im Stadtzentrum vor (315-344).

Nicht zuletzt aufgrund der ausgezeichneten grafischen Dokumentation findet sich auch der fremdsprachige Leser mit der Präsentation der einzelnen Fundstellen gut zurecht. Sieht man von einzelnen sich wiederholenden Grundformen der nordafrikanischen Massenproduktion ab, sind alle Funde in gut lesbaren Umzeichnungen abgebildet, wobei farblich zwischen Drehscheibenware und der auf der langsam drehenden Schreibe produzierten, zumeist reduzierend gebrannten "ceràmiques grolleres" unterschieden wird. Auf die knapp gehaltenen allgemeinen Informationen zur eigentlichen Grabung folgt die Beschreibung der üblicherweise bis in die spätrepublikanische Epoche zurückreichenden Siedlungsphasen.

Herzstück der Arbeit ist dann die antiquarische Analyse der "contextos tardoromans". Die Verfasser verstehen es dabei, die traditionelle Klassifikation durch J. W. Hayes (1972), A. Carandini et alii (1981) und S. Keay (1984) durch die neueren Ergebnisse der internationalen (bes. M. Mackensen, M. H. Fullford / D. S. P. Peacock etc.) bzw. regionalen Keramikforschung zu erweitern (bes. X. Aquilué und J. A. Remola). Gerade für das katalanische Gebiet haben sich hier in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte ergeben. [10] Für die spätere siedlungsgeschichtliche Interpretation ist die Beobachtung von Bedeutung, dass in den Planierschichten über dem munizipalen Straßenraster Fundgut des 5. und 6. Jahrhunderts vorherrscht (Formgruppen Hayes 104C, 105 und 107), während die im Stadtgebiet gefundenen Grubeninventare eine Nutzung noch bis in das 7. Jahrhundert belegen (Hayes 91D, 101 und 109, z. B. Abb. 118). Am Ende jeden Abschnittes werden die ausgezählten Mindestindividuenzahlen (NMI) in übersichtlicher Tabellenform vorgelegt, wobei prägnante Kurzbezeichnungen eine schnelle Orientierung über Sprachgrenzen hinweg ermöglichen (z. B. Sital = [Terra] S[igillata] ital[ica]). Durch eine Einbeziehung der nur summarisch im Textkommentar angeführten Fundmünzen hätte man die grafische Darstellung noch erweitern können.

Basierend auf der so geschaffenen soliden Materialvorlage, widmen sich die beiden abschließenden Kapitel des Buches der Auswertung und Modellbildung. Im Abschnitt 5 werden die Besonderheiten der in Iluro während des 6. und 7. Jahrhunderts gebräuchlichen Sachkultur, namentlich der erfassten Keramik (345-397) und die in einem Anhang bearbeiteten Glasfunde analysiert (M. Pérez-Sala, 499-543). Dabei wird in überraschender Deutlichkeit erkennbar, wie die Stadt bis in das 7. Jahrhundert an dem auf einen intensiven Seehandel begründeten Warenaustausch im westlichen Mittelmeer partizipierte. Ganz wie in den großen Küstenstädten des westgotischen Herrschaftsbereiches bzw. der byzantinischen Spania (Malaga, Cartagena, Algeciras) erreichen neben nordafrikanischen und massiliotischen (DSP) Produkten auch weiterhin ostmediterrane Waren die kleine Küstenstadt (LR-C/D, Abb. 166). Daneben zirkulierten natürlich auch regionale Produkte, wie die von den vorgelagerten Baleareninseln stammende Ebussitaner Ware (Abb. 167 f.) sowie eigene, lokale Töpfereierzeugnisse. Letztere wurden von den Verfassern erstmals typologisch geordnet (Abb. 169-174) und die zugrunde liegenden Rohmaterialien mit archäometrischen Mitteln charakterisiert [J. Bruxeda / M.A. Cau, 449-498].

In Kapitel 6 entwerfen die Verfasser dann ein Modell der siedlungsgeschichtlichen und urbanistischen Entwicklung einer "ciutat a la costa" zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem 7. Jahrhundert n. Chr. (399-420). Die Veränderungen des 6. und 7. Jahrhunderts waren nach der Ansicht der Autoren für die urbanistische Entwicklung weniger bedeutend als die tiefgreifenden Umwälzungen an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert. Zwar hatte man das Straßenraster der prinzipatszeitlichen Ansiedlung im Verlauf des 6. Jahrhunderts endgültig aufgegeben; die im Stadtgebiet gelegenen Nekropolen und Vorratslager signalisieren aber weiterhin öffentlich genutzte Siedlungsareale, etwa jenes rund um die Plaça da Santa Maria. Gleichwohl scheint die klassische Trennung zwischen antiker Stadt und ihrem Territorium an der Wende zum frühen Mittelalter weitgehend aufgehoben worden zu sein. Eine Einfriedung einzelner Parzellen durch Gräben zeugt von einer Vermischung zwischen ländlicher und städtischer Welt. Die zentralörtliche Funktion der Hafenstadt war aber weiterhin an der wirtschaftlichen Dynamik, insbesondere der fortbestehenden Teilnahme am überregionalen, mediterranen Güteraustausch ablesbar (vgl. Kap. 5). In dieselbe Richtung deuten auch die durch archäozoologische Untersuchungen zu rekonstruierenden Ernährungsgewohnheiten (E. Orri / A. Estrada, 543-555). Selbst die anhand der Grubeninventare - aufschlussreich sind die Überlegungen zu dem "concepte de residualitat" - zu belegende "coexistencia de diversas actividades económicas, a escala domestica" sehen die Verfasser nicht als Zeichen einer "decadència" der Stadt, sondern vielmehr als flexible Anpassung eines urbanen Gemeinwesens an die veränderten ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen der Spätantike und des beginnenden Mittelalters. Definiert man die antike Stadt somit nicht über ihre monumentale Architektur und ihren rechtlichen Status, sondern stellt man kulturgeschichtliche Kriterien, wie das eines funktionierenden Gemeinwesens in den Vordergrund, so muss man Abschied nehmen von der lange Zeit nicht nur in Spanien bestehenden Vorstellung einer "crisis general de la ciudad y su territorio" in der Spätantike. Die archäologische Analyse der beiden Verfasser belegt am Beispiel des hispanischen Iluro die Fähigkeit zu einer überaus dynamischen Anpassung ("metamorphose") der städtischen Lebenswelt an sich verändernde Rahmenbedingungen.

Die archäologische Disziplin steht in der Pflicht, ihre Forschungsergebnisse in den aktuellen historischen Diskurs einzubringen. Welche methodische Herausforderung jedoch ein solcher interdisziplinärer "discurso histórico completo y coherente" darstellt (vgl. Cela / Revilla S. 340), dürfte im Verlauf der Besprechung deutlich geworden sein.


Anmerkungen:

[1] X. Dupré Raventós: Las capitales provinciales de Hispania 3: Tarragona, Rom 2004.

[2] Vgl. I. Arrayás Morales: Tarraco, capital provincial, in: Gerión 22 (2004), 291-303.

[3] S. Keay: A Roman Provincial Capital and its Hinterland. The Survey of the Territory of Tarragona (Spain). 1985-1990 (= JRA. Suppl. Series; 15), Ann Arbor / Mi. 1995.

[4] L. Berrocal-Rangel: Los pueblos celticos del suroeste de la Península Ibérica, in: Complutum Extra 2 (1992).

[5] Zsf. I. Arrayás Morales: Morfología histórica del territorium de Tarraco en época tardo-republicana romana (ss. III-I a.C.), in: Dialogues d'Histoire Ancienne 30 (2004) 1, 33-60.

[6] Vgl. J. Ruiz de Arbulo: Scipionum opus and something more: an Iberian reading of the provincial capital (2nd-1st. C. B.C.), in: JRA Suppl. 62 (2006), 33-43.

[7] Vgl. dazu J. Cortadella / O. Olesti / A. Prieto: El estudio de las centuriaciones en la Península Ibérica: progresos y límites, in: Arqueologia Espacial 19/20 (1998), 429-441; O. Olesti: Cadastre, aménagement du territoire el romanisation de Maresma à l'epoque républicaine, in: Dialogues d'Histoire Ancienne 20 (1994) 1, 283-307.

[8] Vgl. X. Cela Espína / V. Revilla Calvo: LRCW I. Late Roman Coarse Wares, Cooking Wares and Amphorae in the Mediterranean: Archaeology and Archaeometry, Oxford 2005, 203-222 (= BAR S1340).

[9] Vgl. J.A. Cerdà Mellado / J. García Roselló / C. Martí Garcia et al.: El Cardo Maximus de la Ciutat romana d'Iluro (Hispania Tarraconensis), in: Laietania 10 (1997); J. Guitart i Duran: Iluro, Baetulo, Iesso and the establishment of the Roman town model in Catalunya, in: JRA Suppl. 62 (2006), 51-63.

[10] Vgl. J. Ma. Macias Solé. La ceràmica comuna tardoantiga a Tàrraco. Análisi tipológica i histórica (segles V-VII) Tulcis 1. Tarragona 1999; LRCW a. O. (s. Anm. 8).

Rezension über:

I. Arrayás Morales: Morfología histórica del territorio de Tarraco (ss. III-I a.C.) (= Col·lecció: Instrumenta; Vol. 19), Barcelona: Universitat de Barcelona 2005, 304 S., ISBN 978-84-475-3007-6, EUR 40,00

X. Cela Espín / V. Revilla Calvo: La transició del municipium d'Iluro a Alarona (Mataró). Cultura material i transformacions d'un espai urbà entre els segles V i VII dC, Mataró (= Laietània. Estudis d'Història i d'Arqueologia del Maresme; 15 (2004)), Mataró: Museu de Mataró 2004, 555 S., ISSN 0212-8985, EUR 13,00

Rezension von:
Felix Teichner
Institut für Archäologische Wissenschaften, Goethe-Universität, Frankfurt/M.
Empfohlene Zitierweise:
Felix Teichner: Studien zu Tarragona und Mataró (Rezension), in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 1 [15.01.2007], URL: https://www.sehepunkte.de/2007/01/11027.html


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