sehepunkte 7 (2007), Nr. 11

Malte Hohn: Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525

Die Frage, welche rechtlichen und sozialen Folgen der so genannte Bauernkrieg von 1524/25 zeitigte, ist in der bisherigen Forschung erstaunlicherweise kaum untersucht worden, obwohl sie für die historiografische Bewertung des Phänomens zentral ist - wurde doch spätestens seit der großen Darstellung von Zimmermann [1] die Vorstellung prägend, die Obrigkeiten seien nicht nur militärisch bei der Unterdrückung des Aufstandes, sondern auch in ihren anschließenden Vergeltungsmaßnahmen unverhältnismäßig hart vorgegangen. Nicht zuletzt eine solcherart exzessive Bestrafung schien dem Aufstand des gemeinen Mannes gegen die Obrigkeiten im Rückblick Recht zu geben. Erst Klein wies 1975 darauf hin [2], dass die Folgen des Bauernkriegs keineswegs so drakonisch gewesen seien wie stets angenommen und weder demografisch noch wirtschaftlich bleibende Schäden verursacht hätten.

An dieser Stelle nimmt die vorliegende Studie, die 2002 in Heidelberg als rechtshistorische Dissertation angenommen wurde, den Faden auf. Hohn stellt die Frage nach den straf- und zivilrechtlichen Folgen des Bauernkrieges, soweit sie sich aus den Quellen erheben lassen. Im ersten und umfangreichsten strafrechtlichen Teil widmet sich der Autor den Rechtsgrundlagen, auf Grund derer der Bauernkrieg als Aufstand bewertet und verschiedene Strafmaßnahmen ergriffen wurden, und geht dann in einer historischen Kasuistik die verschiedenen Todes-, Leibes-, Freiheits-, Geld-, Dienst- und Ehrstrafen durch, die verhängt wurden. Beachtenswert sind die Ausführungen zu den rechtlichen Grundlagen und sozialen Vorstellungen, auf Grund derer von den Fürsten und Städten durchwegs zwischen Rädelsführern und Mitläufern unterschieden und regionale und soziale Unterschiede im Strafmaß geltend gemacht wurden. Insgesamt gelte, so Hohn, dass fast ausschließlich Todesstrafen für die Anführer und Geldstrafen für die Mitläufer verhängt wurden, und dass Geistliche überdurchschnittlich oft mit dem Tode bestraft wurden. Auch der Aufbau und die Verfahrensweise der angewandten Strafverfahren der Nachkriegszeit werden dargestellt. Ausführungen zur Rolle des Schwäbischen Bundes und der württembergischen Urfehden ergänzen den ersten Teil.

Im zweiten Teil widmet sich der Autor den finanziellen Kompensationen und stellt die unterschiedliche Handhabung der "Brandschatzung" (Verzicht auf Plünderung gegen finanzielle Kompensation) und die verschiedenen Umlageverfahren dar, mittels derer der Schwäbische Bund und einzelne Fürsten eine Erstattung sowohl der erlittenen Schäden als auch der Kriegskosten durchzusetzen versuchten. Auffällig ist hier, dass meist absolute Summen zwischen etwa 5-12 Gulden pro Kopf gefordert wurden, die tatsächliche Zahlung sich aber (gemäß dem Einkommenssteuerschlüssel) oft nach der Finanzkraft des Einzelnen richtete. Da die angeblich erlittenen Schäden aber nicht bezifferbar sind, können, so der Autor, kaum tragfähige Aussagen über die Verhältnismäßigkeit der Kompensationen gemacht werden. Im dritten, quasi "öffentlich rechtlichen" (15) Teil der Arbeit behandelt Hohn "konfliktbeendende Regelungen" wie Waffenstillstände, Kapitulationen, Huldigungen und die Frage des Waffentragens als Recht der Bürger. Der Autor kann hier allerdings nur auf einige wenige Beispiele verweisen, die kaum breitere Wirkung erzielten. In einem vierten Teil untersucht Hohn die Funktionen und Bedeutung des Reichskammergerichtes und des Reichsregimentes nach dem Bauernkrieg und stellt summarisch die Prozesse vor, die (bis auf eine Ausnahme erst nach dem Krieg) vor dem RKG um Schadensersatz und fiskalische Fragen geführt wurden. Dabei sei zu beachten, dass rechtsichernde Funktionen während des Bauernkriegs fast vollständig und nach dem Abschluss der Kampfhandlungen immerhin noch überwiegend vom Schwäbischen Bund wahrgenommen wurden. Im letzten Kapitel untersucht der Autor knapp das Verhältnis des Bauernkriegs zu den Reichstagen zwischen 1525 und 1530 und stellt dabei genauer den Reichstag von Speyer 1526 vor, auf dem zum einzigen Male die Beschwerden der Bauern Gegenstand (allerdings erfolgloser) Beratungen waren.

So verdienstvoll die Studie ist, und so gründlich sie die bekannten (und eine Reihe unbekannter Quellenbestände vor allem aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart, dem Staatsarchiv Magdeburg und dem Staatsarchiv Würzburg) in den Blick nimmt, bleibt sie im Ergebnis dennoch etwas enttäuschend. Das liegt vor allem daran, dass das Interesse des Autors ein genuin rechtliches und kein historisches ist. Eine im eigentlichen Sinne historische Einleitung in die Problematik vermisst man ebenso wie die Erörterung der Frage, ob die Beurteilung des Bauernkrieges als "Aufruhr", auf die sich die Obrigkeiten bei ihren Maßnahmen beriefen (und damit auch die Maßnahmen selbst), rechtlich und historisch überhaupt gerechtfertigt war. Noch problematischer scheint mir, dass der Status der benutzten Quellen als historiografischer Gattung nicht reflektiert wird. Der Autor versteht die Quellen in einem durchaus positivistischen Sinne als historisch zuverlässiges rechthistorisches Zeugnis: nach der Grauzone zwischen Recht und Politik, die in den Quellen überall deutlich hervortritt, wird ebenso wenig gefragt wie nach ihren ganz unterschiedlichen parteilichen Motiven. Damit verbunden ist die problematische Einteilung der Quellen nach modernen Fragestellungen wie Strafrecht, Zivilrecht und öffentlichem Recht. Obwohl der Autor selbst zugibt, dass "die Aufteilung des Stoffes nach den genannten Kategorien einen Anachronismus" darstellt (15), bleibt er im Folgenden bei ihr und schreibt die Fülle der vermeintlich objektiven historischen Einzeldaten in diese fein säuberliche rechtsdogmatische Taxonomie ein. Die entscheidende Andersartigkeit mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtsdenkens kann so nicht in den Blick kommen. Schließlich muss als problematisch angesehen werden, dass durch eine solche rein rechtshistorische Behandlung der Quellen nur ein verzerrtes Bild der rechtlichen und sozialen Realität des Untersuchungszeitraums gewonnen werden kann: Denn der Autor selbst lässt wiederholt durchblicken, dass historisch gesehen die überwiegende Menge der Aufständischen in Schnellverfahren abgeurteilt wurden, die keine zureichende rechtliche Regelung besaßen und dementsprechend auch keinen Niederschlag in den Quellen gefunden haben. Da somit nirgends sicher gesagt werden kann, was Regel und was Ausnahme war, ist sowohl die historische als auch die rechtshistorische Aussagekraft der von Hohn aus den Quellen gezogenen Schlüsse grundsätzlich in Frage gestellt.

Auf Grund der Fülle der untersuchten Fälle, der neu erschlossenen Quellenbestände, der Menge der sehr sauber nachgewiesenen und recherchierten Details, die durch ein gründliches Register erschlossen werden, kann das Buch, das sich streckenweise wie ein Moritatenkabinett der deutschen Rechtsgeschichte liest, dennoch als ein zwar methodisch problematischer aber kulturhistorisch reicher Beitrag zur Geschichte "der radikalsten Tatsache der deutschen Geschichte" (Marx) gelten.


Anmerkungen:

[1] Wilhelm Zimmermann: Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges. Stuttgart 1841-1844.

[2] Thomas Klein: Die Folgen des Bauernkrieges von 1525. Thesen und Antithesen zu einem vernachlässigten Thema, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 25 (1975), 65-115.

Rezension über:

Malte Hohn: Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525. Sanktionen, Ersatzleistungen und Normsetzung nach dem Aufstand (= Schriften zur Rechtsgeschichte; Heft 112), Berlin: Duncker & Humblot 2004, 407 S., ISBN 978-3-428-10992-0, EUR 84,00

Rezension von:
Anselm Schubert
Theologische Fakultät, Georg-August-Universität, Göttingen
Empfohlene Zitierweise:
Anselm Schubert: Rezension von: Malte Hohn: Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525. Sanktionen, Ersatzleistungen und Normsetzung nach dem Aufstand, Berlin: Duncker & Humblot 2004, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 11 [15.11.2007], URL: https://www.sehepunkte.de/2007/11/6690.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse an.