Wie Clemens Wimmer treffend festgestellt hat [1], existiert bislang keine tiefer gehende, umfassende Studie zum Phänomen Renaissance-Garten in Europa. Daher können Publikationen, die sich dieser Thematik in etwas weiterem Rahmen widmen, mit Interesse rechnen. Bei der hier zu besprechenden handelt es sich um einen Sammelband der Autorin zu verschiedenen Gärten des 16. Jahrhunderts, die auf den ersten Blick in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen. Verwirrend ist das Cover, welches ein Gemälde eines Zitrusbaumes nicht in einem Garten, sondern in einer allegorischen Landschaft zeigt. Dieses Gemälde ist nicht etwa aus dem zu behandelnden Zeitraum, dem 16. Jahrhundert, sondern von 1733. Es handelt sich um das Porträt eines Zitrusbaumes von David von Cöln aus der Orangerie des Lustschlosses Ulriksdal in Schweden. [2] Den Zusammenhang zwischen dem Zitrusbaum und dem Buchtitel vermag auch das Vorwort nicht zu erhellen. Lediglich aufgrund des Titelbildes und anhand einer Nebenbemerkung im Vorwort kann der Fachkundige erahnen, dass die Aufsätze im Rahmen einer Fragestellung verfasst wurden, die die Geschichte des Importes der Zitruspflanze nach Mitteleuropa betraf.
Das mit meist kleinformatigen schwarz-weiß-Abbildungen illustrierte Buch gliedert sich in vier Kapitel. Das erste behandelt den Feldzug König Karls VIII. nach Neapel und die Folgen für die französische Gartenkunst. Über das gesamte Kapitel wird ein Spannungsbogen aufgebaut, der darauf hinzielt zu verdeutlichen, jener Aufenthalt Karls VIII. habe für Frankreichs Gärten "einen "Kultivierungsprozess in Gang gebracht, der - soweit ich sehe - zu diesem Zeitpunkt in Mittel- und Westeuropa einmalig war" (29). Dem ist beizupflichten. Jedoch suggeriert die Autorin, dass es sich dabei um neue Erkenntnisse handeln würde. Die gleiche Aussage findet sich bereits einschließlich der weitgehend gleichen Abbildungen fast wörtlich auf der ersten Textseite bei Gothein. [3] Befremdlich sind dabei die Ungenauigkeiten, wenn es sich um das essenzielle Thema des Buches, die Zitrus bzw. deren Einführung handelt. So sind "arbori di melangoli" etwa nicht mit "Cidrat-Citronen" (28), sondern mit Pomeranzen zu übersetzen, und die in Münzers Beschreibungen genannte Citro ist keine Zitrone, sondern eine Zedratzitrone (Citrus medica L.) (33-34).
Das zweite Kapitel behandelt die Gärten an der Wiener Hofburg im 16. Jahrhundert. Dabei handelt es sich um die ehemals östlich und nördlich des Schweizerhofes befindlichen Gartenanlagen, die den heutigen Josephsplatz und den Hof der Sommerreitschule einnahmen und unter Ferdinand I. ihren Höhepunkt erreichten. Die Autorin greift auf zwei ältere Artikel zurück und ergänzt diese durch weitere (durchaus bekannte) archivalische Quellen. Die Behandlung von Gärten, von denen kaum Abbildungen existieren, ist kein leichtes Unterfangen. Die topografischen Beschreibungen bzw. Thesen der Autorin sind allerdings selbst für Eingeweihte teils kaum nachvollziehbar. Im Zusammenhang mit der so genannten Gartenordnung Maximilians I., deren Titel unzutreffend angegeben ist, nennt die Autorin drei Teilgärten, obgleich im Originalmanuskript zweifellos sechs verschiedene beschrieben sind. Eindeutig ist in der Handschrift von einem "Hertzogin Garten" die Rede, die Autorin spricht fälschlich von einem überhaupt nicht genannten "Herzogsgarten" (!).
Zitruskultur ist in den Gärten der Wiener Hofburg, wie bereits früher bekannt war, schon ab 1542 nachweisbar. Dafür, in dem in Ferrara tätigen und zeitweise nach Wien berufenen Gärtner Wolgemuet einen Zitrusspezialisten zu vermuten, gibt es keine stichhaltige Quellen (48). Der aus dem Jahre 1640 stammende Grundriss (Abb. 10) wird als "Bauzeichnung aus dem 18. Jh." bezeichnet (53). Die ebenfalls von 1640 stammende Grundrissskizze zum Rosstummelplatz mit Alternativstandorten für das Ballhaus (Abb. 11) wird nicht weiter besprochen und zudem fälschlich als "Verbauung der Burggärten im späten 17. Jh." bezeichnet.
Das dritte Kapitel ist dem Königlichen Garten an der Prager Burg (Hradschin) gewidmet. Der Beitrag der Autorin ist für den Zeitraum des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die umfassendste Studie, die in den letzten rund sechzig Jahren diesem Garten gewidmet wurde. Für die Gartenkunstforschung ist es aber keine unbekannte Anlage, auch wenn in vorliegender Publikation mitunter der gegenteilige Eindruck erweckt wird. In letzter Zeit wurden Teilerkenntnisse veröffentlicht, die im Buch nicht genannt werden, so die Bewertung von Plänen und Veduten, welche die Autorin publiziert, sowie eine umfangreiche Bibliografie. [4]
Die zu wenig intensive Beschäftigung mit den topografischen Gegebenheiten ist die größte Schwäche der Autorin. Das spiegelt sich auch in der Rekonstruktionszeichnung des historischen Zustandes des Königlichen Gartens wider (nach 108). Ihr kann in einer ganzen Reihe von Partien nicht zugestimmt werden, was neben der nicht belegbaren Ausgestaltung des Lustgartens vor dem Belvedere auch den Verlauf des gedeckten Ganges König Ferdinands I. betrifft. Auch bildet sie auf synoptische Weise mehrere Bauetappen auf einmal ab, die nicht kenntlich gemacht werden. Ebenso die nachweisbare historische Ausdehnung des Feigenhauses ist nicht zutreffend, denn es war und ist heute noch mehr als doppelt so lang.
Generell trägt das weitgehende Fehlen der Datierung der Pläne in diesem Abschnitt nicht gerade zum Verständnis der ohnehin komplizierten Sachverhalte bei. Auch die auf den Originalplänen vorhandene Beschriftung ist mit einer Ausnahme nicht erwähnt. Die Datierung sei für die wichtigsten Pläne deshalb an dieser Stelle nachgetragen: Abb. 15: um 1760, Abb. 21: 1560, Abb. 24: wohl 1. Hälfte 17. Jahrhundert mit späteren Beschriftungen, die letzte von 1726.
Das vierte Kapitel mit dem Titel "Die Gärten des Pfalzgrafen Ottheinrich in Neuburg an der Donau und in Heidelberg" ist das kürzeste. Hierzu hat die Autorin im Gegensatz zu den Kapiteln über die Wiener und Prager Burggärten scheinbar kaum Originalquellen eingesehen. Gleichzeitig liegt bereits eine grundlegende Arbeit zum Heidelberger Herrengarten vor. [5] Über den südlich der Neuburger Residenz gelegenen Hofgarten ist nur wenig bekannt. Eine gründliche Erforschung dieses frühen Gartens wäre daher wünschenswert. Mit vorliegendem Beitrag wird diese Lücke leider nicht geschlossen. Die Beschreibungen und Quellen zum Heidelberger Herrengarten, der ab 1544/45 entstand, sind weitgehend aus älteren Publikationen bekannt. Hier geht es der Autorin kaum mehr um eine Darstellung des Gartens, sondern die Orangeriepflanzen stehen im Vordergrund. Über die weitere Geschichte des Herrengartens nach dem Tod Ottheinrichs erfährt der Leser nur wenig. Stattdessen wird mit der Übersiedelung der Zitruspflanzen aus dem Herrengarten in das von Salomon de Caus errichtete abschlagbare Pomeranzenhaus im Hortus Palatinus im Jahr 1619 das Thema von den Gärten des Pfalzgrafen Ottheinrich nun zum Hortus Palatinus, der mehr als 60 Jahre nach Ottheinrichs Tod angelegt wurde, transferiert.
Da die Publikation eines zusammenfassenden Schlusswortes entbehrt, vermag nur der sehr akribische Leser herauszufiltern, dass die Einführung bzw. Verbreitung des später in den Barockgärten so eminent wichtigen Zitrus angeblich in erster Linie über die im Buch behandelten Höfe bzw. Hofgärten stattfand. Dass dies freilich bestenfalls nur einen Teilaspekt darstellt, dürfte auch dem unkundigen Leser klar sein. Die weniger spektakuläre Wahrheit ist wohl, dass es bereits früh über das Netzwerk der Klöster sowie die Handelskontakte der Reichsstädte Verbindungen in den Mittelmeerraum gab, die eine Einführung ermöglichten.
Die Stärke des Buches liegt in der Kompilierung zahlreicher historischer Details und teils entlegen publizierter Literatur, wobei die daraus gezogenen Schlüsse hinsichtlich der Gestalt der Gärten oft zu hinterfragen sind. Auffallend ist, dass den Deutungen der Autorin widersprechende archivalische Quellen keine Berücksichtigung finden. Auch ist die Transkription der Archivalien in moderne Sprache eher unglücklich. Einem spezialisierten Forscher verschließt sich durch diese Vorgehensweise der Weg zur Beantwortung der Fragen, welche die Autorin mit ihrem Buch aufwirft. Als positiver Beitrag sind die Biografien der Gärtner zu nennen. Der Autorin gelang es hier, eine ganze Reihe lange tradierter Ungenauigkeiten zu korrigieren.
Ebenso auffallend ist, dass in dem umfangreichen Literaturverzeichnis zur Thematik Grundlegendes fehlt, so neben einiger Sekundärliteratur, z. B das erste gedruckte Gartenbuch der Welt von Domitzer (1529) und das erste Gartentraktat in deutscher Sprache von Peschel (1597). Leider verzichtet die Autorin ferner auf jegliche Einordnung der behandelten Gärten und Gartenelemente in die Geschichte der Gartenkunst. Auch aufgrund des Nichtvorhandenseins von anschaulichem Bild- und Planmaterial dürfte die teure Publikation daher für den vorwiegend kunsthistorisch interessierten Leser leider wenig ergiebig sein.
Anmerkungen:
[1] Johann Peschel: Gartenordnung [...],Leipzig 1597, hrsg. und erläutert von Clemens Alexander Wimmer, Nördlingen 2000, 16.
[2] Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Wo die Zitronen blühen [...], Ausst. Kat. Potsdam 2001, 78-79.
[3] Marie Luise Gothein: Geschichte der Gartenkunst, Bd. 2, Jena 1914, 3-5.
[4] Sylva Dobalová: The Gardens of Rudolf II, in: Studia Rudolphina, 4 (2004), 61-65.
[5] Wolfgang Metzger: "All Ding zergenglich" Der Heidelberger Herrengarten [...], in: Die Gartenkunst, 12, 2000, 275-302.
Hilda Lietzmann: Irdische Paradiese. Beispiele höfischer Gartenkunst der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts (= Kunstwissenschaftliche Studien; Bd. 141), München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2007, 144 S., ISBN 978-3-422-06675-5, EUR 39,90
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse an.