Die Untersuchung Bernd Schildts zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts zeichnet die Entwicklung der gerichtlichen Kompetenzen von der Kammergerichtsordnung des Jahres 1495 bis zum Konzept der Kammergerichtsordnung von 1613 nach. Es handelt sich um eine erweiterte und ergänzte Fassung eines Vortrags des Bochumer Rechtshistorikers im Stadthaus am Dom zu Wetzlar, die in der Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung publiziert ist.
Nach gängigen Vorstellungen war das Reichskammergericht einerseits Appellationsinstanz gegen Zivilurteile territorialer und reichsstädtischer Obergerichte, andererseits erstinstanzliches Gericht etwa bei Rechtsverweigerung, Landfriedensbruch oder für Untertanenprozesse. Von diesem Ausgangspunkt aus wird ein differenziertes und detailreiches Bild anhand der Reichsabschiede entwickelt. Schildt betont insbesondere die Kontinuität zum königlichen Kammergericht, die plausibel mache, warum die Kammergerichtsordnung von 1495 nur wenige Zuständigkeitsregelungen enthielt. Die Ausbildung einer Zuständigkeitsordnung war nach seinen Feststellungen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts im Wesentlichen abgeschlossen.
Als roter Faden zieht sich die Frage nach der "inneren Logik" (7, 32) der Zuständigkeitsregelungen für das Reichskammergericht durch die Untersuchung hindurch. Nach Auffassung des Rezensenten lässt sich diese Frage nicht beantworten und letztlich gar nicht sinnvoll stellen, jedenfalls dann nicht, wenn man innere Logik als juristische Systematik begreift: Hindernis ist dafür nicht einmal so sehr die kompromisshafte und inkrementale Entwicklung der Zuständigkeiten, die auch Schildt herausarbeitet, sondern die Tatsache, dass ein Anspruch an systematische Stimmigkeit einer Gesetzgebung erst mit der Kodifikationsidee des 18. Jahrhunderts entwickelt wurde.
Vor diesem Hintergrund müsste zunächst einfach zur Kenntnis genommen werden, dass das im Rückblick diffus erscheinende Bild von zeitgenössischen Autoren durchaus anhand unterschiedlichster Zuständigkeitskriterien und ihrer Verknüpfung dargestellt wurde. Dies hätte Ausgangspunkt für die Frage sein können, was der jeweilige Autor mit dieser oder jener Kriteriologie hat verdeutlichen wollen. Die zeitgenössischen Systematisierungen einfach als konstruiert und überkomplex zur Seite zu schieben, vergibt diese Chance, in der zeitgenössischen Literatur Deutungsmuster für das Reichskammergericht nachzuweisen.
Vor diesem Hintergrund weiß der Rezensent nicht recht, was er mit all' den Einzelinformationen zu Zuständigkeitsfragen anfangen soll, die in dieser Untersuchung - gründlich, präzise und detailreich - aus den Reichskammergerichtsordnungen zusammengetragen werden. Die Untersuchung hält in einem engen Sinne, was sie im Titel verspricht: die Entwicklung der Zuständigkeit des Reichskammergerichts anhand der Ordnungen darzustellen. Aber die Studie deutet diese Informationen nicht, ordnet sie nicht ein, entwickelt aus ihnen nichts.
Bernd Schildt: Die Entwicklung der Zuständigkeit des Reichskammergerichts. Von der Kayserlichen Cammer-Gerichts-Ordnung Anno 1495 zum Concept der Cammer-Gerichts-Ordnung vom Jahr 1613 (= Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung; Heft 32), Wetzlar: Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung 2006, 50 S., ISBN 978-3-935279-37-6, EUR 7,50
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