Bis zum I. Weltkrieg waren die meisten Staaten Europas Monarchien, und alle neuen Staaten, die damals entstanden, erhielten gekrönte Häupter. Die Institution Monarchie diente offensichtlich für Nationen, die ihren eigenen Staat erreichen wollten, weiterhin als Eintrittskarte in den Kreis der europäischen Mächte. Mit dem Ende des I. Weltkrieges wurde alles anders. Auf der Seite der Verlierer überlebte die Monarchie nicht, und auch unter den neuen Staaten schien der Republik die Zukunft zu gehören. Diesen Monarchensturz und seine Folgen zu analysieren verspricht Aufschluss über den Wandel politischer Einstellungen und Institutionen. Deshalb ist es erfreulich, dass zu diesem Thema nun gleich zwei Bücher erschienen sind. Sie unterscheiden sich stark in ihrer Konzeption und auch in den Wertungsgrundlagen.
Zur "Konjunktur der Monarchiegeschichte" (21), deren Entwicklung Thomas Biskup und Martin Kohlrausch skizzieren, tragen sie mit ihrem Sammelband bei, der überzeugend konzipiert ist, einiges bilanziert und Neues bietet. Es geht um die Geschichtsspuren der deutschen Monarchie nach ihrem Ende. Einige Beiträge sind auf das 19. Jahrhundert konzentriert. Wirkungsgeschichte zu schreiben ist stets außerordentlich anspruchsvoll, und dies erst recht, wenn nach den Wirkungen einer untergegangenen Institution gefragt wird. Das geschieht hier auf verschiedenen Ebenen, die methodologisch völlig unterschiedlich gelagert sind.
In vier Beiträgen werden materielle Erbschaften betrachtet. Ihre Spuren lassen sich eindeutig verfolgen. Cajetan von Aretin präsentiert den Umgang mit den Kunstsammlungen in den Fürstenabfindungen der Weimarer Republik als "ein unvollendetes Erbe der Revolution" (161), das im jüngsten Streit um badische Kulturgüter bis heute nachwirkt. An Baden und Bayern erläutert er detailliert die rechtlichen Lösungen, die gefunden wurden. In keinem deutschen Land wurde das fideikommissarische Hausvermögen ohne Entschädigung in Staatseigentum überführt. Die Revolution stürzte die Monarchen, doch sie erhielten Rechtstitel, die es dem Staat erlaubten, die Tradition der landesherrlichen Kunstpflege fortzuführen. Auch bei den "Umnutzungen" von Schlössern zu Museen ging die Weimarer Republik behutsam mit den gestürzten Dynastien um. Die Museumsexperten konnten dabei ihre Gestaltungskonzepte durchsetzen, wie Marc Schalenberg an Berlin und München und Jürgen Luh am Hohenzollern-Museum im Berliner Schloss Monbijou darlegen, während in der DDR der politische Wille dominierte (Franziska Windt zu Schloss Schönhausen).
Während sich der Umgang der Republiken mit den Kunstsammlungen und Schlössern der Fürsten präzise aus den Quellen ermitteln lässt, müssen die Studien zu den kulturellen Wirkungen der Institution Monarchie mit der Plausibilität retrospektiver Zuschreibungen argumentieren. So zeigt Daniel Schönpflug an den Heiraten im Hause Hohenzollern zwischen 1858 und 1933, wie sie als Liebesheiraten inszeniert wurden und gleichwohl einem klaren dynastischen Kalkül folgten. Wenn er jedoch die Wirkungen dieses "Liebeszaubers" in der deutschen Gesellschaft als das "kollektive Aufbrausen der Gefühle" beschreibt (84), sind das verallgemeinernde Zuschreibungen auf der Grundlage von Zeitungsberichten. Gab es ein "Gefühlsleben des Deutschen Reiches", und drückte es sich in seinen "intensivsten Momenten" bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in den Hohenzollernheiraten aus (77)?
Um Gefühle einer ganzen Gesellschaft geht es auch in Eva Gilois Studie über "Reliquien-Geschenke" in Gestalt der Kornblume an Wilhelm I. Sie zeigt, wie das Kornblumenmotiv nach dem deutsch-französischen Krieg den 'Heldenkaiser' mit dem Opferbild seiner Mutter verband. Der Luise-Wilhelm-Mythos habe "die aggressive, autoritäre Wirklichkeit von Bismarcks Einigung mit dem Schleier von Redlichkeit und Leiden" verhüllt (111). Wenn sie diesen Mythos jedoch langfristig "zu einem Teil des deutschen geschichtlichen Selbstverständnisses durch die Verschmelzung von Militarismus und Sentimentalität, Sieg und Verletzlichkeit" (111) werden lässt, so reicht sie das, was sie für ihre Untersuchungszeit sensibel beschreibt, unvermittelt an die Nachwelt als prägendes kulturelles Geschichtserbe weiter.
Auf solche Hochrechnungen in die Zukunft verzichten Dominik Petzold und Monika Wienfort in ihren präzisen Studien zur Herrschaftsinszenierung Wilhelms II. im Kino bzw. zur Wahrnehmung der Thronwechsel in Belgien (1951) und Großbritannien (1953) in der deutschen Presse. 1918 wechselte Wilhelm II. im Film vom Heldenfach in die Schurkenrolle, und 1953 machte das "massenmediale Miterleben der britischen Krönung ... die Monarchie in Deutschland gleichsam ein zweites Mal überflüssig" (157).
Drei Beiträge spüren der Institution der Monarchie in der politischen Kultur der Weimarer Republik und der BRD nach. Arne Hofmann beschreibt die Schwäche des Monarchismus nach 1918, sieht jedoch in dem fortlebenden monarchistischen Weltbild eine schwere "Erblast für die Demokratie" (258). Sie ist nicht auf die zweite demokratische Republik übertragen worden, wie Tobias Kies darlegt. Auch in der Bundesrepublik gab es zwar Vorstellungen vom Bundespräsidenten als Ersatzkaiser, doch Umfragen und Briefe bezeugen, dass die Bevölkerung ihn "zu keinem Zeitpunkt monarchisch überhöhte" (282), und auch alle Bundespräsidenten führten ihr Amt betont republikanisch.
Ob in dessen Amt ein Erbe der Demokratie steckt, erörtert Christoph Schönberger eindrucksvoll. Er zeigt, dass dieses Amt sich anders entwickelt hat als es die Schöpfer des Grundgesetzes sich vorgestellt hatten. Im Bundespräsidenten könnte durchaus eine Art Reserveverfassung für den Notfall bereit stehen, wenn diese Not einmal eintreten sollte. Mit ihr hatten bereits die Liberalen in der Revolution von 1848/49 ihr Plädoyer für einen starken Kaiser als Haupt des künftigen deutschen Nationalstaates begründet. Schönberger sieht historisch eine starke "innere Beziehung" (302) des parlamentarischen Regierungssystems zur Monarchie. "Der Bundespräsident ist ... gewissermaßen der parlamentarische Monarch, den Deutschland auf Reichsebene nie hatte." (309) Von dieser institutionellen Analogie grenzt er die Vorstellung von einem neutralen Staat über der Gesellschaft ab, die sich mit dem Amt des Bundespräsidenten verbinden könne - eine "problematische Tradition", für die er bei dem gegenwärtigen Präsidenten Anzeichen sieht (309).
Erfolgreicher als durch Republikaner wurde im 19. Jahrhundert das Prinzip monarchischer Legitimität durch Monarchen gefährdet. Mehrere Autoren sehen darin eine Erblast, die es nach 1918 schwer gemacht habe, sich für die Monarchie als Staatsform zu engagieren. Zwei Beiträge sind speziell diesem Thema gewidmet. Dieter Brosius untersucht die gesellschaftliche Breitenwirkung der preußischen Annexion des Königreiches Hannover 1866 und die lange Wirkkraft dieses monarchischen Monarchensturzes, die in der welfischen Traditionspflege sichtbar wird. Wie andere Monarchen auf ihren Sturz reagierten, stellt Heidi Mehrkens an dem braunschweigischen Herzog Karl II. und an dem französischen Kaiserpaar Napoleon III. und Eugénie dar. Die beiden Monarchen schlossen sich zu einer Art "monarchischen Selbsthilfegruppe" (50) zusammen. Die zum Teil unkonventionellen Mittel, mit denen abgesetzte Monarchen das Fortleben ihres Hauses zu sichern suchten, gehören ebenfalls zum Erbe der Monarchie, das dieses Buch in vielen Facetten vor Augen führt. Christopher Clark bilanziert die Ergebnisse in seinem Nachwort.
Zur monarchischen Selbsthilfe waren die deutschen Bundesfürsten am Ende des I. Weltkrieges nicht fähig. Sie gingen nicht als "Opfer übermächtiger Gewalten in die Geschichte" ein, der "Zerfall der Monarchie in Deutschland war keine Naturkatastrophe, kein Schicksalsschlag, sondern zum Gutteil Resultat der aktiven und passiven Ruinierung dieser Institution durch ihre vornehmsten Protagonisten." (351) In diese Bilanz mündet die Studie von Lothar Machtan über das Ende der deutschen Bundesfürsten, auf die Bismarck institutionell das Reich hatte gründen wollen. Er hatte "auf Sand gebaut" (225). Das zeigt Machtan für die Endphase überzeugend auf einer breiten Quellengrundlage. Nicht alle Fürstenarchive wurden ihm geöffnet, doch was er an Quellen zusammengetragen hat, fügt sich zu einem Fundament, das verlässlich ist.
Machtans Werk bietet einen weiten Einblick in das Ende der regierenden Fürstenhäuser in Deutschland. Geschrieben ist es im Stil eines republikanischen Triumphalismus. Ein abwägendes einerseits-andererseits liegt dem Autor nicht. Er versenkt die deutschen Fürsten posthum nochmals auf dem "Dynastenfriedhof", auf dem er "Grabinschriften voll postumer Selbstverklärung" (15) wahrnimmt, die er mit Lust an der polemischen und nicht selten höhnenden Formulierung tilgt. Wie unaufgeregt systematisch bilanziert werden kann, hat Heinz Gollwitzer bereits 1971 in seinem Aufsatz "Die Endphase der Monarchie" gezeigt. Dessen Studien tauchen bei Machtan nicht auf. Hier hätte er auf vergleichender Grundlage Auskünfte über "Die Funktion der Monarchie in der Demokratie" (1989) erhalten. [1]
Eine volle Parlamentarisierung in der Monarchie hält Machtan nicht für möglich. Diese Überzeugung liegt seiner wertungseifrigen Studie zugrunde. Die deutschen Bundesfürsten weist er einer "Parallelwelt" (19) zu, in der das "deutsche Modell der Erbmonarchie(n)" (58) den Kontakt zur gesellschaftlichen Wirklichkeit verloren habe. Unterschiedliche Vorstellungen von der Rolle der Monarchie nimmt er unter den deutschen "Regional-Monarchen" (25) durchaus wahr, doch ihn interessieren die zu verallgemeinernden Hauptlinien. Das "einigende politische Credo aller Angehörigen des deutschen Herrscherstandes blieb die Grundüberzeugung, sowohl einzeln als auch kollektiv die gottgewollte Prävention gegen die Selbstbestimmung des Volkes zu sein." (64) Dies heraus zu präparieren ist sein Ziel. Die Bundesfürsten erscheinen als ein "dynastisches Machtkartell" und zugleich als eine "reichspolitische Zwangsgemeinschaft" (65), in der "Halb-oder Scheinsouveräne" einer "Lebenslüge" anhingen, indem sie die Augen vor der "'Entmonarchisierung' des Staates" verschlossen (63). Sie banden sich bis in den Untergang an den Kaiser, dessen "fortschreitender Selbstentkrönung" (152) sie nichts entgegenzusetzen wussten. Im Krieg wurde die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit dramatisch sichtbar, als die Fürsten in ihrer Mehrheit trotz der hohen militärischen Ränge, die sie bekleideten, sich als "Attrappen" erwiesen hätten, hinter denen sie nur noch als "lebende Zinnsoldaten" (94) auftreten konnten. Dass solche Fürsten schließlich von der politischen Bühne verwiesen wurden, ist einsichtig und zwingend.
Diese Geschichte eines zwangsläufigen Untergangs erzählt Machtan zunächst für die Vorkriegszeit: die deutschen Fürsten - eine "Fehlbesetzung für die souveränen Führerrollen", denn aufgrund "ihrer hohen Geburt" waren sie "verhindert, die sie umgebende Wirklichkeit sachlich-rational zu erfassen." (75) Dann folgen mit dem I. Weltkrieg und dem Monarchensturz an seinem Ende die Hauptkapitel, in denen er minutiös die Entwicklungen verfolgt. Das Buch schließt mit "Umsturz-Szenarien", in denen Machtan das Ende der Monarchie vor allem in Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg mit Seitenblicken auf die kleineren Bundesstaaten nachzeichnet.
Machtan denkt mehrfach in seinem Werk auch über Alternativen nach, doch letztlich kennt er nur zwei Staatsformen, die er für unvereinbar hält: die parlamentarische Republik und die Monarchie. Die Symbiose zwischen beiden, die in anderen Staaten sich mühsam und konfliktreich herausgebildet hat, zieht er nicht in Erwägung. Er erkennt dazu auch keine Realisierungschancen in einzelnen deutschen Bundesstaaten.
Was besagt diese Diagnose für das Demokratiepotential in der deutschen Gesellschaft? Hier hängt Machtan einem Erklärungsmuster an, das die Geschichtswissenschaft seit längerem aufgegeben hat: Die Bevölkerung wurde manipuliert, so dass sie nicht erkannte, was ihre historische Aufgabe gewesen wäre. Die "bizarre politische Lebensform" der deutschen Fürsten "schrie förmlich nach Abhilfe" (72). Es kam aber keine, "weil ihre blaublütigen Protagonisten offenbar allein durch ihre äußerlich durchaus glänzende Existenz manifeste Bedürfnisse im Volk zu bedienen vermochten, darunter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wohl vor allem das Bedürfnis nach dem Numinosen in Menschengestalt." (73)
Warum wurde dieser Anachronismus nicht beseitigt? Es gab "in Deutschland keine republikanischen Visionäre, das heißt keine Politiker, die den ganzen Fürstenzauber konsequent hinwegzufegen wagten." (75). Fürsten im "Zustand politischer Unmündigkeit" erfüllten die "Beherrschungssehnsucht vieler Menschen" (77). Einer solchen Gesellschaft war nicht zu helfen. Nicht einmal durch den Monarchensturz. Denn die "Phantomschmerzen", die zurückblieben, hätten wesentlich zu Hitlers Aufstieg beigetragen (16).
Machtan beteuert zwar, keinem "'republikanischen' Moralismus" (17) huldigen zu wollen, doch alle seine Wertungen sind davon durchsäuert. Sie verhindern eine systematische Analyse, welche Funktionen die Fürsten auf dem deutschen Weg zum Nationalstaat, bei dessen innerer Entwicklung und in den Entwicklungsblockaden wahrgenommen haben. Wer des Autors Urteile nicht teilt, findet dennoch in dem Buch eine Fülle quellengesättigter Informationen über das Ende der deutschen Bundesfürsten. Eine angemessene Geschichte der regierenden Häuser im deutschen Nationalstaat steht jedoch weiterhin aus.
Anmerkung:
[1] Diese und weitere Aufsätze sind nun bequem zugänglich in: Heinz Gollwitzer: Weltpolitik und deutsche Geschichte. Gesammelte Studien. Hrsg. von Hans-Christof Kraus, Göttingen 2008.
Lothar Machtan: Die Abdankung. Wie Deutschlands gekrönte Häupter aus der Geschichte fielen, Berlin / München: Propyläen 2008, 427 S., ISBN 978-3-549-07308-7, EUR 24,90
Thomas Biskup / Martin Kohlrausch (Hgg.): Das Erbe der Monarchie. Nachwirkungen einer deutschen Institution seit 1918, Frankfurt/M.: Campus 2008, 331 S., 14 Abb., ISBN 978-3-593-38727-7, EUR 34,90
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