Das 3. Jahrhundert n. Chr. stellt in der Geschichte Europas eine zentrale Epoche dar, kam es doch in diesem von krisenhaften Phänomenen geprägten Zeitraum zum Übergang von der römischen Kaiserzeit zur Spätantike. Aufgrund der schlechten Quellenlage ist dieser Transformationsprozess im Einzelnen nur schwer zu rekonstruieren. Zahlreiche Einzelstudien haben versucht, Licht ins Dunkel zu bringen, doch fehlte bis anhin eine maßgebliche Gesamtdarstellung. Dieses umfassende, zweibändige Handbuch schließt nun die Lücke.
Die zeitliche Abgrenzung der Soldatenkaiserzeit ist umstritten. Die Herausgeber entscheiden sich für die Zeit von der Machtübernahme des Maximinus Thrax 235 bis zu der Diokletians 284 n. Chr., da die Verschärfung der außenpolitischen Probleme, die Häufung der Usurpationen und die in der römischen Geschichte singuläre Erscheinung der Sonderreiche diese fünfzig Jahre charakterisierten (8f.).
In einer lexikalischen Übersicht über sämtliche literarischen Quellen (19-123) finden auch die nicht erhaltenen, indirekt erschlossenen Werke wie die Enmannsche Kaisergeschichte angemessene Berücksichtigung. Ausgesprochen verdienstvoll sind die umfangreichen Überblicke über die Überlieferung in syrischer, persischer, arabischer, armenischer und georgischer Sprache (A. Luther, E. Kettenhofen) sowie über die sāsānidischen Inschriften und Felsreliefs (P. Huyse).
Mehrere Aufsätze sind der Ereignisgeschichte gewidmet (161-423). Die zeitliche Einteilung in Phasen wird bedauerlicherweise erst im Schlussbeitrag von Klaus-Peter Johne und Udo Hartmann begründet (1027f.). Für Valerian deckt der Beitrag von Andreas Goltz und Udo Hartmann ein Desiderat ab, fehlt doch nach wie vor eine umfassende moderne Darstellung der Herrschaft dieses Kaisers. Die gezogene Bilanz fällt durchaus positiv aus: Valerian habe am Beginn seiner Regierungszeit die allgemeine Lage im Reich zu stabilisieren vermocht. Die Aufteilung in einen westlichen und einen östlichen Verwaltungsbereich wird als Vorläufer tetrarchischer Maßnahmen angesehen; damit "reagierte Valerian in kluger und die Lage richtig einschätzender Weise auf die bedrohliche Situation im Reich" (231). Die Christenverfolgung des Kaisers erklären Goltz und Hartmann mit der Rückbesinnung auf traditionelle römische Kulte als Garanten der Stabilität des Reichs. Die Aufhebung der Gesetze durch Gallienus ist nicht als "Toleranzedikt" zu verstehen, die christliche Religion wurde nicht zur religio licita; vielmehr dürfte Gallienus zur Praxis Trajans zurückgekehrt sein.
Gallienus' Regierung wurde bereits in der Antike kontrovers beurteilt: Negatives Gegenbild zu Claudius II. Gothicus, dem fiktiven Stammvater der constantinischen Dynastie, in der lateinischen Geschichtsschreibung, Philhellene bei den griechischen Historikern. Das Urteil von Goltz und Hartmann fällt ausgesprochen positiv aus: Nach dem Höhepunkt der Reichskrise in den Jahren 259 bis 261 sei es Gallienus gelungen, eine Stabilisierung der Lage zu erreichen. Militärische Erfolge habe er durchaus vorzuweisen, seine Reformen in Verwaltung und Heer seien "erste Antworten auf die strukturellen Probleme des Reiches" (295) gewesen.
Andreas Luther sieht im gallischen Sonderreich (325-341) einen Vorläufer der Dezentralisierung der Reichsverwaltung in der Tetrarchie, auch wenn das Verhältnis von Sonderreich zu Zentrale anders geartet war als die Organisation Diokletians. Udo Hartmann (343-378) empfiehlt für die palmyrenische Herrschaftsbildung unter Odaenathus den Begriff "Teilreich", da dieser seinen Machtbereich nie aus dem Gesamtreich ausgegliedert, sondern im Namen des Kaisers regiert habe. Es handle sich somit nicht um "syrischen Separatismus", sondern um eine Antwort auf das strukturelle Problem der gleichzeitigen Bedrohung verschiedener Reichsgrenzen.
Eine Leistung des Werks liegt darin, dass es auch die außerrömischen Kulturen ins Blickfeld rückt (427-580). Andreas Goltz' Überblick über die Völker an den Grenzen von Rhein und oberer Donau zeichnet sich durch eine profunde Analyse des Wandels der gesellschaftlichen Strukturen im barbaricum aus. Neben dem Sāsānidenreich (J. Wiesehöfer) wird auch auf weniger bekannte Regionen eingegangen wie die kaukasischen Reiche (E. Kettenhofen), die Charakene (M. Schuol) oder Meroe (A. Lohwasser).
Johne (583-632) zeigt in seiner strukturellen Analyse zum Wandel des Kaisertums im 3. Jahrhundert auf, dass sich mit den Illyrischen Kaisern ab 270 n. Chr. eine Abkehr von den traditionellen aristokratischen Werten feststellen lässt: Nicht nur verlor der Senat seine Bedeutung als Akklamationsgremium, auch die Stadt Rom spielte als Zentrum keine bedeutende Rolle mehr. Die soziale Herkunft der Kaiser wandelte sich, waren sie jetzt doch durchweg Aufsteiger aus dem Militär in den Ritterstand. Den Ehefrauen der Soldatenkaiser kam infolge der politischen Krise gesteigerte Bedeutung zu, da man sich von der Dynastienbildung eine Stabilisierung der Herrschaft versprach.
In seinen Ausführungen zum Heer (673-690) - eine umfassende Darstellung für das 3. Jahrhundert fehlt nach wie vor - sieht Michael P. Speidel als wichtigste Reform die Einführung neuer Reiterverbände durch Gallienus. "Blickt man aufs Ganze, so lässt sich die berühmte Frage, ob Diocletian oder Constantin der Vater des spätrömischen Heeres war, mit Entschiedenheit beantworten: Es war Gallienus." (690)
Thomas Gerhardt hinterfragt in seinen Ausführungen über die Städte (691-712) Rostovtzeffs These vom Untergang der städtischen Selbstverwaltung im 3. Jahrhundert. Die nordafrikanischen Städte zeigen demgegenüber eine rege munizipale Tätigkeit. Zwar führten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu einem Rückgang der Bautätigkeit und zur Einstellung der städtischen Münzprägungen. Die munizipalen Eliten fanden neue Formen der Selbstdarstellung in der Ausrichtung von Agonen.
Aus den Beiträgen zur römischen Gesellschaft ragt Matthäus Heils Darstellung der Veränderungen im Ritterstand heraus (737-761): Sie zeigt auf, dass die equites nie ein Standesbewusstsein entwickelten. Ihr Aufstieg war somit nicht ein Aufstieg des gesamten Standes, sondern lediglich seiner Mitglieder, die aufgrund ihrer Loyalität, ihrer Fachkenntnisse in der Verwaltung oder ihrer militärischen Fähigkeiten von der kaiserlichen Regierung in der Krise immer stärker herangezogen wurden.
Kai Ruffing setzt sich mit der Frage der Wirtschaftskrise auseinander (817-841) und zeigt auf, dass sich eine Inflation vor dem Scheitern von Aurelians Münzreform nachweisen lässt. Er warnt vor dem Bild einer allgemeinen Wirtschaftskrise (manche Regionen prosperierten nach wie vor), räumt jedoch ein, dass der erhöhte Druck auf die Grenzen, die gesteigerten finanziellen Bedürfnisse der Regierung und der Versuch einer lückenloseren Besteuerung durchaus belastende Momente waren.
Weniger ergiebig ist der Überblick zu den paganen Religionen von Monika Schuol (927-935). Zwar werden die erhaltenen Zeugnisse zu einzelnen Kulten gründlich aufgezählt. Die These von der restitutio pietatis als "möglicher Ausweg aus der Krise" (935) wird allerdings nicht nach ihren Ursachen hinterfragt oder vertieft. Auch fehlt eine detaillierte Ausführung der These, die Mysterienkulte hätten sich als Folge einer zunehmenden Distanzierung von der Staatsreligion ausgebreitet.
Brillant in seiner Stringenz ist der Schlussbeitrag von Klaus-Peter Johne und Udo Hartmann zu "Krise und Transformation des Reiches im 3. Jahrhundert" (1025-1053). Als Hauptcharakteristika der Soldatenkaiserzeit sehen die Autoren die Gleichzeitigkeit der Bedrohungen von außen, die zahlreichen Usurpationen, die zu einer massiven Instabilität der Reichsleitung führten, und die Herausbildung von Sonderreichen. Ausführlich wird auf den Krisenbegriff eingegangen, dessen Anwendung auf das 3. Jahrhundert in den letzten Jahren einer grundlegenden Kritik unterzogen worden ist. Johne und Hartmann halten daran fest, dass von einer politisch-militärischen Krise im Sinne einer "Phase größerer Schwierigkeiten [...], die im Rahmen des bestehenden Systems nicht mehr oder nur unter großen Anstrengungen bewältigt werden konnten und die das Gesamtsystem sogar in Gefahr brachten," gesprochen werden kann (1033). Für diese Krise sprächen zum einen die Einfälle von außen, zum anderen die Usurpationen, die zu einer Legitimationskrise des Kaisertums geführt hätten. In der umstrittenen Frage nach einem Krisenbewusstsein zeigen Johne und Hartmann auf, dass sich ein solches durchaus in einzelnen zeitgenössischen Quellen feststellen lasse. Die von den Kaisern getroffenen Maßnahmen gegen die Krise, wie die Verteilung der Herrschaft auf Herrscherkollegien und die neue Legitimierung des Kaisertums, leiteten wichtige Transformationsprozesse ein. Auch wenn die Reformen des Gallienus im Bereich der Verwaltung und Heeresorganisation nicht als dauerhafte institutionelle Veränderungen geplant waren, bleibt der Aufstieg der Ritter doch einer der nachhaltigsten Prozesse des 3. Jahrhunderts. Die Bilanz der Soldatenkaiser fällt für die Autoren durchaus positiv aus: Es gelang den Illyrischen Kaisern, das Reich zu festigen, wenn auch zum hohen Preis der gestiegenen Staatskosten.
Mit einem lückenlosen Überblick über sämtliche verfügbaren Quellen und die Forschungsdiskussionen und seiner umfangreichen Prosopographie (1055-1198) wird das Handbuch auf lange Zeit hinaus das Standardwerk für künftige Forschungen zum 3. Jahrhundert bleiben, bietet es doch auch eine schlüssige Gesamtbeurteilung dieser Epoche, die die Mittelmeerwelt nachhaltig gewandelt hat.
Klaus-Peter Johne (Hg.): Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235-284), Berlin: Akademie Verlag 2008, 2 Bde., 1400 S., ISBN 978-3-05-004529-0, EUR 178,00
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