Arabische Papyri stellen eine der Hauptquellen für die frühen Jahrhunderte des Islam dar. Dennoch sind sie, gerade im Vergleich zu ihren antiken Gegenstücken, selten herangezogen worden. Wo dies geschah, widerlegten oder korrigierten sie oft genug das Bild, das sich aus den überlieferten literarischen Texten ergeben hat. In den letzten Jahren hat sich die arabische Papyrologie stärker vernetzt, was mit zu einer höheren Zahl von Publikationen in diesem Bereich beigetragen hat. Darunter sind auch Auswertungen juristischer und kaufmännischer Dokumente, die mit ihren Informationen die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte fortschreiben.
Zu diesen zählt auch Werner Diems "Arabischer Terminkauf", in dem 83 Papyri aus dem Ägypten des 8.-14. Jahrhunderts und vier Papyri aus dem christlichen Toledo des 13. Jahrhunderts in al-Andalus behandelt werden. Drei der ägyptischen Papyri werden im vorliegenden Buch erstmalig ediert. Doch möchte Diem nicht etwa die literarischen Quellen durch Papyri ersetzen, sondern die oft getrennt laufenden Bemühungen der Papyrologie und der Islamwissenschaft und Arabistik stärker verbinden. So vergleicht er die Dokumente mit fünf Formularbüchern ägyptischer und syrischer Juristen, beziehungsweise mit drei Formularbüchern aus al-Andalus. Laut Einleitung interessiert vor allem die Diskrepanz zwischen juristischer Theorie und Praxis, die aus der Betrachtung der Dokumente entwickelten einzelnen Fragestellungen gehen aber über diesen Schwerpunkt hinaus.
Diem baut seine Untersuchung gewohnt strukturiert auf und bewegt sich vom Allgemeinen zum Speziellen. Zunächst nimmt er im Kapitel "Rechtsform" eine Einordnung der Dokumente vor. Er erläutert die Vertragstypen, mit denen Terminkäufe realisiert werden konnten (ḏikr ḥaqq und iqrār) und diskutiert Varianten der Übersetzung (Anrechtsschein und Anerkenntnis). Durch beide Vertragstypen konnten vielfältige rechtliche Vorgänge vollzogen werden, sodass es in diesem Kapitel noch nicht ausschließlich um Terminkauf geht. In den 43 Dokumenten, die die Grundlage für diesen Teil der Untersuchung bilden, werden auch Brautgelder und Darlehen in Geld berücksichtigt. Aus der chronologischen Betrachtung der Dokumente schließt Diem eine Ablösung des spezielleren Anrechtsscheins durch die allgemeinere Anerkenntnis im 10. Jahrhundert.
Das zweite Kapitel "Terminkauf in Ägypten in Theorie und Praxis" stellt den inhaltlichen Schwerpunkt der Untersuchung dar. Diem schließt mit einer Vorstellung der Formularbücher an das vorherige Kapitel an und vergleicht die in ihnen für den Terminkauf vorgesehenen Vertragstypen mit den vorliegenden Dokumenten. Dann erweitert er den Vergleich schrittweise um die inhaltlichen Elemente des Terminkaufs, wie sie die Formularbücher der Juristen vorsehen: Gegenstand des Handels, Kaufpreis, Menge und genauere Beschreibung des Geschuldeten, Orte der Beurkundung und Vertragserfüllung, Zahlung und Termin. Hierbei werden einige Übereinstimmungen und viele Diskrepanzen zwischen juristischer Theorie und der in den Dokumenten bekundeten Praxis deutlich. In den Formularbüchern werden überwiegend Vertragstypen angeführt, die, mit Ausnahme des Anerkenntnisses, in den Dokumenten keine Rolle spielten. Ebenfalls losgelöst von der Praxis erscheinen die Beispiele der Juristen für die in Terminkauf gehandelten Produkte; lediglich die für Ägypten zentrale Rolle des Weizens spiegelt sich auch bei ihnen wieder. Bei den inhaltlichen Elementen ist das Bild gemischt, es herrscht aber eine deutliche Tendenz zur Vereinfachung gegenüber der juristischen Theorie. Interessant sind die Rückschlüsse für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte: Der Terminkauf war demnach ein habitualisierter Vorgang auf Vertrauensbasis, der auf juristisch absichernde Elemente wie die Nennung des Kaufpreises oder erschöpfende Spezifizierungen des Produkts verzichten konnte.
Während im vorangegangenen Kapitel die Elemente des Terminkaufs noch nach ihrer formalen Kategorie betrachtet wurden, wendet sich das dritte Kapitel dem materiellen Aspekt der Verträge, also den Vertragsinhalten zu. Der Fokus wird auf Terminkäufe von Agrarprodukten beschränkt, die durch 40 Dokumente belegt sind. Hier tritt das Interesse am Verhältnis von Theorie und Praxis zugunsten von Fragestellungen und Beobachtungen zurück, die sich direkt aus der Arbeit an den Dokumenten ergeben. So diskutiert Diem zum einen Probleme mit dem Verhältnis von Hiǧrajahr und Steuerjahr in insgesamt 10 Dokumenten und listet alle verfügbaren Informationen zu den gebrauchten Maßeinheiten auf. Außerdem befasst er sich mit dem Verhältnis der Termine zu in literarischen Quellen angegebenen Erntezeiten - die konsistent sind - und kontrastiert die Spezifizierung des Geschuldeten in den Dokumenten mit der in dieser Hinsicht weniger komplexen Theorie. In allen Fällen kann der Autor durch Neuemendationen von edierten Quellen zur Klärung der Sachlage beitragen.
Zum Anderen zeichnet Diem im dritten Kapitel durch die Untersuchung von Terminen, Fristen, Mengen und Vertragspartner ein genaueres Bild der Praxis des Terminkaufs im sozialen und wirtschaftlichen Kontext. Demnach betrugen die Fristen durchweg weniger als ein Jahr, zwischen Ernte und Termin lag ein gewisser zeitlicher Abstand zur Verarbeitung. Terminkäufe bezogen sich also stets auf die nächste Ernte und die niedrigen und nicht glatten Mengen, die vorwiegend gehandelt wurden, legen glatte Geldbeträge als Ausgangspunkt und somit, aus der Sicht des Schuldners, die Funktion des Terminkaufs als Darlehen nahe. Dass die Fristen mit der Zeit länger werden, im 11. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichen und dann wieder kürzer werden, spricht möglicherweise für eine Verschlechterung der Umstände der Schuldner in diesem Zeitraum. Gehandelt wurden mehrheitlich kleine Mengen. Für einige Abnehmer dienten sie wohl der Sicherung des Eigenbedarfs, Händler mussten oft kleinere Mengen von mehreren Anbietern beziehen. Schuldner lebten zumeist auf Dörfern, die Gläubiger vorwiegend in den städtischen Zentren. Im Vergleich der Provinzen al-Fayyūm und al-Ušmūnayn fällt der deutlich höhere Anteil koptischer Namen in al-Fayyūm auf, wo der Prozess der Islamisierung anscheinend langsamer ablief.
Das vierte Kapitel zum Terminkauf in al-Andalus folgt im Groben, wenn auch deutlich verkürzt, dem Aufbau der vorherigen Kapitel und offenbart regionale Unterschiede beim Terminkauf in Theorie und Praxis. Das Buch schließt mit der Dokumentation der hier erstmalig edierten Papyri.
Alles in allem ist Werner Diems "Terminkauf" ein detaillierter Forschungsbericht, der durch Genauigkeit und Systematik beeindruckt. Die starke Ausrichtung an den Quellen und die strikte Gliederung nach strukturellen und inhaltlichen Elementen macht die Arbeit äußerst transparent. Befunde, Diskussionen und Schlussfolgerungen stehen in explizitem Zusammenhang mit Fundstellen, sodass zusätzliche Quellen oder Neubewertungen nur einzelne Ergebnisse, nicht aber die Arbeit insgesamt infrage stellen können. Ein echtes Manko hingegen ist das Fehlen eines Schlusskapitels, das die vielfältigen Ergebnisse zusammenfasst.
Werner Diem: Arabischer Terminkauf. Ein Beitrag zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte Ägyptens im 8. bis 14. Jhdt., Wiesbaden: Harrassowitz 2006, 187 S., ISBN 978-3-447-05482-9, EUR 68,00
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