Standen in der Frühen Neuzeit Venus und Mars für die Unvereinbarkeit der Geschlechter, so galt das (Ehe)Paar Venus und Vulcanus als Sinnbild für "Szenen einer Ehe" (9). Das macht das antike Götterpaar zu einem sinnreichen Bezugsfeld für eine Untersuchung, die "die hohe Dynamik und Krisenanfälligkeit frühneuzeitlicher Ehen sichtbar" machen will (15). Konflikthafte Ehebeziehungen, so die Ausgangsthese, waren in der Frühen Neuzeit zwangsläufig: Nicht nur galt die Ehe als zentrale Institution im gemeinsam zu bewältigenden "Kampf um knappe Ressourcen" (22). Darüber hinaus ließen eng gesteckte ökonomische wie sittliche und emotionale Erwartungen wenig Spielraum für großzügige Lösungen. Die vor allem in den reich überlieferten Gerichtsakten fassbare "bewusste Inszenierung bestimmter Konfliktlagen" (22) bietet sich daher, so die Autorinnen, für eine fruchtbare Darstellung ehelicher Beziehungen der Frühen Neuzeit an. Betrachtet werden frühneuzeitliche Ehen vorwiegend christlich-konfessioneller Provenienz, ergänzt durch Skizzen zu jüdischen Eheverhältnissen.
Anette Baumann, Inken Schmidt-Voges und Siegrid Westphal, ausgewiesene Frühneuzeithistorikerinnen mit je eigenen Forschungen zum Geschlechterverhältnis, verstehen ihr Werk als Überblicksdarstellung. Seit den 1990er Jahren entstanden - inspiriert durch das wegweisende "Ehepaar als Arbeitspaar" von Heide Wunder - eine Vielzahl an Einzelstudien zum frühneuzeitlichen Geschlechterverhältnis. Die Ehe als zentraler, für Männer wie Frauen gleichermaßen stark wirkmächtiger Fixpunkt, wurde darin in all ihren Phasen prominent in die Forschungen einbezogen. Jedoch, so die Autorinnen, wurde Ehe bislang nicht in der Perspektive ihres Verlaufs zusammengefasst. Eheanbahnung, Ehealltag und Auflösung durch Tod oder Scheidung im Beziehungsverlauf machten jedoch Zusammenhänge deutlich, die das Bild der frühneuzeitlichen Ehe neu akzentuierten. Insbesondere erlaube es diese Perspektive, ihrer gesellschaftlich unbestritten stabilisierenden Funktion die "potentielle Krisenanfälligkeit von Ehen" an die Seite zu stellen. Denn dies, so ein Fazit des Buches, lässt sich wie der stabilisierende Faktor als ein "beinahe" strukturelles Merkmal frühneuzeitlicher Ehen einordnen (237).
Zugrunde liegt diesen Überlegungen ein Verlaufskonzept aus der Soziologie der Zweierbeziehung (Karl Lenz 2006 / 2009), an dessen Parametern "Aufbau-, Bestands-, Krisen- und Auflösungsphase" sich die Darstellung orientiert (14). Das Material besteht aus den zahlreich erschienenen Einzelstudien zum Thema, die ergänzt werden durch eigene Forschungen zu Ehekonflikten vor Reichshofrat und Reichskammergericht sowie der Niedergerichtsbarkeit aus Osnabrück. Gegliedert in die drei Großkapitel Eheanbahnung, Ehealltag und Eheauflösung wird das reichhaltige Material strukturiert über Unterpunkte zur theoretischen Rahmung im Verlaufskonzept, zum Forschungstand und zu den normativen Grundlagen. Eingestreute Einzelbeispiele aus der sozialen Praxis sollen "die verlaufsspezifischen Konflikte einer ehelichen Beziehung anschaulich [...] beschreiben" (22).
Anette Baumann widmet sich im ersten Großkapitel der "Eheanbahnung und Partnerwahl". Eingangs werden spannende, wiewohl etwas vage Überlegungen darüber angestellt, wie die soziologischen Beobachtungen von "Erstbegegnung" (26) in der Frau-Mann-Interaktion für das frühneuzeitliche Kennenlernen fruchtbar gemacht werden können. Neben einer gezielteren Forschung zum zeitgenössisch dominierenden Verhältnis von Emotionen und materiellen Interessen böte die Fokussierung zudem Impulse für die historisch noch recht umstrittene Heuristik zu Emotionalität und Liebe in der Frühen Neuzeit. Im weiteren Verlauf werden diese Ansätze jedoch nicht weiterverfolgt. Stattdessen folgen nacheinander rechts- und sozialgeschichtlich orientierte Kapitel zu Eheanbahnung und Eheverträgen in den verschiedenen Ständen von Adel bis Bauern und Juden sowie zu den Ritualen und Symbolen der Trau- und Hochzeitsfeierlichkeiten. Die Einzelbeispiele, die die Regelungen "illustrieren" sollen (39), bleiben blass, da sie ohne die mikrohistorischen Verdichtungen und Interpretationen im je spezifischen Zeit- und (sozialem) Raumgefüge auskommen, über die erst ein historisches Verständnis der beschriebenen Verhaltensweisen möglich würde. Die in dieser Aufbauphase auftretenden Konflikte - gebrochene Eheversprechen, zu geringe ökonomische Basis oder eine unstandesgemäße Verbindung - wurden, so das Resumée, neutralisiert über eine Vielfalt von symbolisch kodierten Ritualen und Gesten zum Beziehungsaufbau und -erhalt (86).
Unter der Überschrift "Weil der Ehe-Stand ein ungestümes Meer ist..." folgt ein ebenso detailreiches wie erhellendes Kapitel von Inken Schmidt-Voges zu den "Bestands- und Krisenphasen in ehelichen Beziehungen in der Frühen Neuzeit". Ein konziser Forschungsüberblick und eine pointierte Interpretation der Forschungsergebnisse fassen ordnungspolitische wie lebensweltliche Dimensionen ehelicher Beziehungen zusammen. Diese hielten den frühneuzeitlichen Ehealltag in einem dynamischen Spannungsfeld zwischen normativer "Anteilnahme" von außen und emotionalem Ausgleich nach innen "im Umgang mit asymmetrischen Beziehungsaspekten" (96). Anregend ist hier nicht zuletzt eine Beobachtung zu Monogamie als Bestandteil kollektiver Identität. Die scharfen obrigkeitlichen Gesetze gegen eigenmächtig geschlossene oder aufgelöste Ehen werden in eins gesetzt mit Streitschriften gegen die Polygamie der Täufer und islamische polygame Ehe-Ideale. Dies verweist auf bislang wenig beachtete kulturhistorische Zusammenhänge zur monogamen Lebensweise als distinktivem abendländischem Ordnungsprinzip. Abschließend stellt die Autorin fest, dass frühneuzeitliche Ehe-Konflikte an dem Punkt spezifisch waren, an dem die Ambivalenzen aus Hierarchie und Symmetrie zwischen den Geschlechtern sowie die engen Regularien über eine "ordentlich christlich friedsame Ehe" (161) das eheliche Miteinander zu einer verschärften Herausforderung machten.
Im letzten Kapitel fasst Siegrid Westphal unter der Überschrift "die Auflösung ehelicher Beziehungen" Scheidung und Witwenschaft zusammen - vom zeitlichen Ablauf her sicherlich nachvollziehbar. Jedoch geht bei dem Versuch, einen konfliktbehafteten Prozess (die Scheidung) und einen durch Tod verursachten Zustand (die Witwenschaft) über die Kategorie "Auflösung einer Beziehung" zusammenzubinden, einiges an analytischer Klarheit verloren. Scheidungen lassen sich in Recht und sozialer Praxis eindeutig als eine, wenn auch seltene "Konfliktlösungsmöglichkeit" (173) ehelicher Beziehungen untersuchen. Die Auseinandersetzungen im Witwenstand begannen jedoch erst nach dem Ende der Paarbeziehung. Sie setzten Witwen als "potentielle Störfaktoren" (234) in eine konflikthafte Beziehung zur Gesellschaft. Die parallel dargestellten normativen und lebensweltlichen Dimensionen von Scheidung und Witwenschaft finden daher auch im Fazit nicht zusammen. Zu weiteren Untersuchungen regt hier unter anderem die Beobachtung an, dass sich zeitgenössisch die schuldlos Geschiedenen mit Verwitweten gleichzusetzen trachteten, "weil kein gesellschaftlicher Ort für geschiedene Personen vorgesehen war" (234).
Fazit: Eine sorgfältige Gesamtdarstellung der reichhaltigen Literatur zum (ehelichen) Geschlechterverhältnis der Frühen Neuzeit unter einer an manchen Stellen etwas holprig geführten Perspektive, deren Blickwinkel den Horizont weitet und zu weiterem Nachdenken und Forschen anregt.
Siegrid Westphal / Inken Schmidt-Voges / Anette Baumann (Hgg.): Venus und Vulcanus. Ehen und ihre Konflikte in der Frühen Neuzeit (= bibliothek altes Reich (baR); Bd. 6), München: Oldenbourg 2011, 273 S., ISBN 978-3-486-57912-3, EUR 49,80
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