Als Francis Haskell in seinem Werk "Patrons and Painters" (1963) das Venedig des 18. Jahrhunderts mit seinem internationalen Kunstmarkt zur Kontrastfolie der römischen Patronage des 17. Jahrhunderts wählte, begründete er dies damit, dass sich die Kunstförderung in Rom erst im späten 18. Jahrhundert änderte, dann allerdings radikal und mit "kosmopolitischen" Folgen. Gemeint waren der napoleonische Kunstraub und seine Konsequenzen. So gravierend dieses Ereignis war, da Rom im gleichen Moment seine politische und künstlerische Zentralität verlor, war es die logische Konsequenz einer Tendenz, welche seit langem die künstlerische und ökonomische Realität Roms prägte und die vermutlich mehr Menschen ernährt hat als die hochrangige Patronage. Trotz der wiederholten Versuche zur staatlichen Regulierung florierte hier der freie Verkauf von Kunstwerken, die am etablierten Bildungskanon partizipierten. Seit dem Beginn der Grand Tour - als Fixpunkt für den Erfolg der italienischen Malerei hat Haskell die Einkäufe (1680-1699) des 5. Lord Exeter definiert - wuchs das Interesse an italienischer Malerei kontinuierlich an. Die "Italianisierung Europas", wie Haskell die Veränderung des Kunstgeschmacks durch die Grand Tour bezeichnet, belebte den römischen Kunstmarkt. Malerei und Druckgrafik profitierten davon ebenso wie der Handel mit den Antiken und ihren Derivaten. In der Malerei konzentrierte sich die Nachfrage neben den Veduten und den Landschaften auf die Renaissance und die Maler des "Ideale classico". Bei den Antiken sorgten private Grabungen und phantasievolle Restauratoren für neues "Material".
Dank des steigenden Bedarfs entstanden in Rom Netzwerke, in denen Agenten, Bankiers, Vermieter, Hoteliers, Ciceroni (Touristenbegleiter), Künstler, Restauratoren, Buchhändler, Verleger und Experten zusammenwirkten, um die künstlerischen und sonstigen Wünsche ihrer Kundschaft so zu steuern, dass alle ihren wirtschaftlichen Vorteil davon hatten. Unter ihnen waren auch Ausländer, insbesondere Briten, die als Agenten und Begleiter ihrer betuchten Landsleute sehr erfolgreich waren. Ihr Erfolg beruhte auf einer profunden Kenntnis der römischen Gesellschaft, ihrem diplomatischen Geschick und auf exzellenten Kontakten. Die spektakulären Einzelfälle der ausländischen Agenten, an denen sich die Verflechtung der wirtschaftlichen Interessen mit künstlerischem Engagement und wissenschaftlichem Ehrgeiz ablesen ließ, und die schon seit längerem im Fokus der Forschung stehen, sind jedoch nur ein kleines Segment innerhalb der sehr viel komplexeren Realität des römischen Kunstmarkts, der sich die Monografie von Paolo Coen widmet, die auf einer Dissertation basiert (Università Roma Tre, 2002).
Den Auftakt zu Coens Untersuchung bildet ein Überblick zur Geschichte des Kunsthandels seit dem Mittelalter, der auch auf die italienische Situation eingeht. Allgemein üblich war die Versteigerung (vendità all'incanto), und die Lotterie, bei der sich die Lose auf Kunstwerke bezogen. In Rom waren es vor allem die Versteigerungen des Monte di Pietà, aus denen die Sammler ihre Trouvaillen und der Kunsthandel seine Ware bezog. Die römische Lukasakademie erstellte regelmäßig Listen mit den Namen der steuerpflichtigen "rivenditori di quadri". Eine italienische Eigenart war das befristete Vermieten (noleggio) von Kunstwerken für bestimmte Gelegenheiten, wie der Fall des Principe Lorenzo Onofrio Colonna belegt, der von einem Händler ein Gemälde von Francesco Albani entlieh. Auch die Kunstausstellungen, ein Thema, für das die (nicht zitierte) Monografie von Georg Friedrich Koch (1967) grundlegend ist, waren eine der Quellen des Kunsthandels, der sich neben dem Auftragswesen schon im 17. Jahrhundert als "zweiter" Markt etabliert hatte, wie die 1877 durch Antonino Bertolotti veröffentlichten Exportgenehmigungen des Kirchenstaates belegen.
Im 18. Jahrhundert ist, wie Coen betont, eine Konzentration und Beschleunigung des Handels mit der Kunst zu beobachten. Der Fokus der Forschung richtete sich bisher vor allem auf Paris und auf London, wo die Salons bzw. das periodische Auktionswesen die öffentliche Wahrnehmung von Kunstwerken begünstigten. In Italien wird meistens Venedig in den Blick genommen, das für die nordeuropäischen Höfe, etwa für Dresden, das "strategische und logistische Drehkreuz aller italienischen Kunstankäufe" war. [1] Obwohl Roms Rolle als wichtigster Herkunftsort und Handelsplatz für Kunstverkäufe in Italien nie in Frage stand, beschränkte sich die Literatur bisher auf Einzelfälle, blieb aber eine Analyse der Strukturen und Mechanismen dieses Kunstbetriebs schuldig. Coens Untersuchung, die das gesamte Jahrhundert in den Blick nimmt, ist die erste Gesamtdarstellung des komplexen Themas. Gestützt auf eine leider unkommentierte Quellen- und Materialsammlung im zweiten Band, gliedert der Verfasser den Stoff in zwei Teile: 1. Personen und Akteure, und 2. Geschäft und Ware. Der narrative Duktus und die Komplexität der Sachlage verwischen allerdings die Grenzen zwischen den beiden Teilen. Eine konsequent chronologisch verfahrende Erzählung hätte dieses Problem gelöst. Wie komplex und unübersichtlich der römische Kunsthandel war, lässt sich an der Fülle der Berufe ablesen, die sich darin tummelten. Neben den quadrari, regattieri, ambulanti, pittori bottegai und coronari fiel auch für Maurermeister, Ladenbesitzer und Gastwirte etwas davon ab. Gegen Barkredit überließen ihnen die Künstler Werke, die dann auf Ausstellungen - etwa im Hof der Kirche S. Salvatore in Lauro - verkauft wurden. Unter den Malern, die im Nebenberuf auch Händler waren, ragt Carlo Maratti heraus. Zusammen mit seiner Geliebten betrieb er jahrzehntelang einen florierenden Handel mit Werken der bolognesischen und römischen Schule und deren Kopien (Dok. 4). Viele Händler waren künstlerisch kompetent und konnten sich daher als offizielle Gutachter etablieren (Dok. 12-19). Dies gilt etwa für Giovanni Barbarossa († 1764), der es 1749 zum päpstlichen Kommissar für Altertümer brachte, einem Amt, in dem Winckelmann sein Nachfolger wurde (Dok. 7). Einer der erfolgreichsten Händler war Belisario Amidei († 1770), der den britischen Reisenden hochpreisige Antiken lieferte und dabei auf Vermittler, Ciceroni und Restauratoren zurückgreifen konnte. Seine exklusiven Showräume befanden sich in bester Lage auf der Piazza Navona (Dok. 25). Der anfänglich als Verleger tätige Ludovico Mirri, dem sich u.a. die luxuriös kolorierte Publikation der "Terme di Tito" (1776 ff.) verdankt, wartete dagegen in seinem Laden in der Nähe der Piazza di Spagna mit erstrangigen Gemälden auf. Die Beschreibungen seiner Bestände, von denen er ab 1779 Listen drucken ließ (Dok. 27), unterscheiden zwischen Kopie und Original und machen Angaben über den Erhaltungszustand (Dok. 29). Bankiers, Finanziers und Transportunternehmer waren ebenfalls wichtige Akteure im Kunstgeschäft, wobei sie von ihrer Expertise im Zollgeschäft und im Umgang mit ausländischen Währungen profitierten.
Die Ausländer, die in Rom als Fremdenführer, Experten und Agenten zu zentralen Protagonisten des europäischen Kunsttransfers wurden - an erster Stelle sind hier der brillante Brite Thomas Jenkins und der schottische Maler Gavin Hamilton zu nennen, wie auch der umtriebige Johann Friedrich Reiffenstein, einer der wichtigsten Vermittlerfiguren für Deutschland und Russland - waren von der Komplexität und Hochrangigkeit ihrer Kontakte begünstigt. Mit James Byres und Colin Morison nimmt Coen zwei weniger bekannte Figuren aus diesem Kreis ins Visier. Byres, der den Verkauf von Poussins erster Serie der "Sieben Sakramente" an den Duke of Rutland arrangierte, wusste sehr wohl, dass der Kirchenstaat diese Ausfuhr nicht gestattet hätte, konnte aber diese Hürde umgehen. Morison, der nach Winckelmanns Zeugnis Homer in der Originalsprache las und fließend in Latein konversierte, hatte sich eine Sammlung von Gemälden aus der Zeit vor Raphael zugelegt, die er dem College von Aberdeen vermachte. Sie wurde jedoch 1809 von der napoleonischen Verwaltung konfisziert und nach Paris gebracht, wo sie zum Erfolg der ersten Ausstellung der "primitifs" beitrug, mit der in Paris 1814 die Wiederentdeckung der frühen italienischen Malerei einsetzte (Dok. 44-46). Die letzten beiden Kapitel gelten den Käufern und den Orten, an denen die Verkäufe abgewickelt wurden. Am Beispiel des Marchese Alessandro Capponi, dem geistigen Vater und ersten Direktor des Museo Capitolino, zeichnet Coen die Verflechtungen zwischen Sammeln und Kunsthandel nach. Die auf eine effektvolle Präsentation setzende Darbietung der Verkaufsobjekte wird durch das Nachlassinventar des Kunsthändlers Antonio Borioni († 1756) demonstriert. Während er die Gemälde auf der Piazza di Spagna handelte, stellte er Statuen und "anticaglie" in seiner Vigna an der Via Salaria so zur Schau, als ob sie sich dort immer befunden hätten (Dok. 11).
Das reiche und hervorragend recherchierte Material macht Coens Untersuchung zu einer unerschöpflichen und vielfach nutzbaren Fundgrube. Die kompilatorische Struktur dieser Arbeit, die z.T. der Fülle der Quellen, aber auch dem diffusen Forschungsstand geschuldet ist, macht andererseits deutlich, dass es für eine Synthese noch zu früh ist. Das Desiderat einer in den europäischen Kontext gestellten Gesamtdarstellung des römischen Kunsthandels im 18. Jahrhundert bleibt bestehen. Wer auch immer sich in Zukunft dieser Aufgabe stellt, findet in Coens Buch eine solide Basis vor.
Anmerkung:
[1] Barbara Marx: Diplomaten, Agenten, Abenteurer im Dienst der Künste. Kunstbeziehungen zwischen Dresden und Venedig, in: Venedig-Dresden. Begegnung zweier Kulturstädte, hgg. von B. Marx / A. Henning, Leipzig 2010, 10-67, hier 46.
Paolo Coen: Il mercato dei quadri a Roma nel diciottesimo secolo. La domanda, l'offerta e la circolazione delle opere in un grande centro artistico europeo (= Biblioteca dell' "Archivum Romanicum". Serie I; Bd. 359), Florenz: Leo S. Olschki 2010, 2 Bde., 816 S., ISBN 978-88-222-5895-3, EUR 80,00
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