sehepunkte 12 (2012), Nr. 2

Constantina Katsari: The Roman Monetary System

Das belesene und flüssig geschriebene Buch von Constantina Katsari irritiert durch eine bemerkenswerte Parallelstruktur von Untersuchungsgegenstand und angeführten Ergebnissen. Bereits Haupttitel und Untertitel des Buches, die kaum eine logische Verbindung miteinander eingehen, setzen ein entsprechendes Signal. Während das Erkenntnisinteresse der Verfasserin fraglos aufs Ganze zielt, ist ihr Gegenstand der Geldumlauf in einigen östlichen Provinzen von Traian bis zum Ende der Herrschaft des Gallienus - mit einem Schwerpunkt auf das 3. Jh. n. Chr. Weitgehend dürfte die vorgelegte Studie der Dissertation der Verfasserin "The Monetary Economy of the Eastern Mediterranean: From Trajan to Gallienus" entsprechen, die im Jahr 2001 an der Universität London eingereicht worden war. Nach 2000 erschienene Literatur wurde teils noch in den Anmerkungen ergänzt, doch in der Regel nicht mehr argumentativ in den Text eingearbeitet. Dennoch zählt gerade die Zusammenführung der sich im Grenzbereich zwischen Numismatik, Fundnumismatik und Archäologie sowie Geld- und Wirtschaftsgeschichte bewegenden Forschungsdiskussionen zu den Verdiensten der Studie.

Auf dem Weg "to explain the nature of money in the Roman world" (4) setzt Katsari die Existenz von "bimetallic laws that defined the Roman system" voraus, ein System, das einerseits durch den Markt, andererseits aber auch durch Eingriffe des römischen Staats reguliert und gesteuert worden sei. Damit bewegt sich Katsari in der Nähe der Studie von Sture Bolin (State and Currency in the Roman Empire to 300 A.D., Uppsala 1958), auf den sie kurz verweist. Doch überraschenderweise nutzt sie die Anregungen, welche die von Bolins Buch ausgelöste Kontroverse erbracht hat, nicht zur Präzisierung ihrer theoretischen Vorgabe.

Sieben Kapitel holen weit aus und Katsari steuert im Prinzip auf alle großen Diskussionen innerhalb der Numismatik und Geldgeschichte frontal zu - nachdem sie in der Einleitung schon kurz den Streit zwischen "Modernisten" und "Primitivisten" sowie die Diskussion zur "Krise des 3. Jahrhunderts" angerissen hat: Im Kapitel 1 "Statistics and numismatics" gibt sie einen Überblick zur Kategorisierung von Fundmünzen sowie den je spezifischen Möglichkeiten und Gefahren der Auswertung, eine Einführung, die auch Außenstehende mit diesen Problemen vertraut machen kann. Zugleich stellt K. ihr Material vor: Fundmünzen der genannten östlichen Provinzen primär aus städtischen Kontexten und Horten, ergänzt um Sammlungsbestände kleinerer griechischer und türkischer Museen. Letztere werden als Niederschlag lokal Münzumlaufs gewertet und gemeinsam mit den Grabungsmünzen ausgewertet. Für den Leser allerdings bleibt diese - ohnehin problematische - Gruppe unüberprüfbar: Die Museen haben Katsari keine Veröffentlichungsrechte eingeräumt, und so kann sie diese Münzen nur summarisch einbeziehen. Für Details verweist Katsari an einigen Stellen auf Diagramme in der diesbezüglich offensichtlich abweichenden Fassung ihrer Londoner "thesis" (32f.; vgl. etwa 145).

Kapitel 2 "Planning the financial policy of the Roman state" bietet einen breiten Überblick zu den staatlichen Einnahmen und Ausgaben Roms, geht - in oft sehr eigenständiger Art und Weise - auf Münzstätten, Bergwerke, Prägerhythmen sowie Möglichkeiten der Quantifizierungen ein und wendet sich schließlich der klassischen Frage zu, ob der Staat seine Münzen allein zur Ermöglichung von Staatszahlungen herstellte oder zur Versorgung der Wirtschaft mit Umlaufgeld.

Kapitel 3 "Trimetallism and bimetallic laws" geht davon aus, dass aufgrund des Systems fester Wechselkurse im 3. Jh. die Goldmünzen den Wert der sich kontinuierlich verschlechternden Silbermünzen noch für längere Zeit absicherten. Nicht aufgelöst bzw. ausdifferenziert wird der Widerspruch aus verschiedenen theoretischen Erwägungen, wonach es einerseits dem Staat gelungen sein soll, gutes Gold durch Tausch gegen schlechtes Silber für sich zu gewinnen, anderseits die festen Wechselkurse vielleicht auch offiziell aufgegeben worden seien, schließlich der Staat nur noch in Ausnahmefällen Goldmünzen geprägt hätte.

Dieses wird im Kapitel 4, "The application of the Quantity Theory of Money to third-century economics" - in dem Katsari nach dem bis zum letzten Drittel des 3. Jh.s ausgebliebenem Preisanstieg fragt, trotz der seit severischer Zeit ganz erheblich ausgeweiteten Prägemenge - zum Argument, dass die Geldmenge aufgrund des parallelen Verschwindens von Goldmünzen eben kaum gewachsen sei: Dies ist eine interessante Überlegung, doch auch Umlaufgeschwindigkeit und Demonetarisierung, Waren-, Buchgeld oder Kreditgeldschöpfung sind schwerlich zu bestimmen und setzen der Anwendung der Quantitätstheorie Grenzen. Der Anfang des 3. Jh.s wieder einsetzende Aufschwung städtischer Bronzeprägung ist für Katsari wirtschaftlich bedingt; die Ausprägung von Bronzen durch die Reichszentrale hingegen sei angesichts der Masse der Silberprägungen "impossible" gewesen (210). Dies unterschätzt sicherlich nicht nur die Leistungsfähigkeit der römischen Administration, sondern wird auch dem offenkundigen Prestigestreben der östlichen Städte nicht gerecht.

Im Kapitel 5 "Roman monetary integration" steuert Katsari auch auf diese Diskussion zu. Ihre Differenzierung zwischen einer numismatischen, monetären, finanziellen und wirtschaftlichen Integration ist durchaus hilfreich; eine numismatische Integration - genuiner Bereich einer Fundmünzenanalyse, die sich nur auf das gesamte Imperium beziehen kann - bestreitet sie, überwiegend wieder ausgehend von Modellbildungen anhand literarischer Quellen.

Das Kapitel 6 "Micro-Economics" widmet sich den Städteprägungen, ihrer Funktion, Wechselkuren, Prägerecht und Umlaufgebieten. An dieser Stelle macht sich noch einmal besonders schmerzhaft bemerkbar, dass Katsari in ihren Diagrammen, mit denen sie das Vorkommen einzelner Nominale an verschiedenen Orten miteinander vergleicht, alle Bronzen gleich behandelt und nicht den Anteil lokaler Bronzen als Erklärung für Abweichungen mitberücksichtigt. Im Kapitel 7 "Metallism vs. Chartalism" schlägt Katsari schließlich den Begriff "Fiscal Metallism" für das von ihr postulierte "Roman monetary system" vor: Ein "Metallismus" des Marktes, der lange Zeit auch durch die aktive Prägepolitik des Staates beachtet und gestützt worden sei. Doch ebenso hätte der Staat seine Wertgarantie zur Beeinflussung des Geldwertes eingesetzt - und auf diesem Weg im 3. Jh. seine Schulden monetarisiert.

Die in starkem Maße auf Modellbildung beruhenden Überlegungen, die programmatisch Verweise auf Phänomene in Mittelalter und Neuzeit einbeziehen, werden durch 43 Diagramme zum Münzumlauf in den östlichen Provinzen begleitet, von denen etliche doppelt und manche dreimal abgebildet sind. Auch dieses Material ist eine wertvolle Fundgrube, das den Wunsch nach einer dichteren, präziseren (Katsari trägt etwa eine Linie für Antoniniane ab Traian ein) und vor allem auch die verschiedenen Kontexte adäquat berücksichtigenden Auswertung dringlich werden lässt.

Nutzen sollte man Katsaris Buch als ein in wichtiges Material und wesentliche Forschungsdiskussionen einführendes Arbeitsinstrument - und in dem Wissen, dass Katsari auch dort keine Scheu vor Urteilen und der Entwicklung eigener Thesen hat, wo diese längst nicht mehr aus ihrer Materialanalyse oder anderen Quellen abgeleitet werden können: Ansonsten können Titel und äußere Solidität des im renommierten Verlag erschienenen Buchs ungeübte Leser täuschen.

Rezension über:

Constantina Katsari: The Roman Monetary System. The Eastern Provinces from the First to the Third Century AD, Cambridge: Cambridge University Press 2011, X + 304 S., ISBN 978-0-521-76946-4, GBP 60,00

Rezension von:
Reinhard Wolters
Institut für Numismatik und Geldgeschichte, Universität Wien
Empfohlene Zitierweise:
Reinhard Wolters: Rezension von: Constantina Katsari: The Roman Monetary System. The Eastern Provinces from the First to the Third Century AD, Cambridge: Cambridge University Press 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 2 [15.02.2012], URL: https://www.sehepunkte.de/2012/02/19592.html


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