Mario Sorgalla beabsichtigt in seinem Werk Afghanistan - Neue Wege aus der Krise, neue Optionen zur Lösung des Afghanistankonfliktes aus der Perspektive von Peacebuilding und Regionalkonfliktforschung vorzustellen. Er geht dabei von der Annahme aus, dass die internationale Staatengemeinschaft bisher den Afghanistankonflikt ausschließlich als ein internes Problem gesehen hat, ohne transnationalen Aspekten genügend zu berücksichtigen.
Die Studie von Sorgalla greift vorwiegend auf Publikationen einzelner Institutionen der Vereinten Nationen zurück, welche sich zum Beispiel der weltweiten Drogen- und Verbrechensbekämpfung widmen. Des Weiteren berücksichtigt der Autor Aufsätze und think tanks zur Analyse einzelner transnationaler Risiken und ihrer Auswirkungen auf Konfliktregionen. Zudem hat Sorgalla Experten in Afghanistan sowie seinen Nachbarländern mittels eines englischen Fragebogens um Stellungnahme hinsichtlich transnationaler Lösungsideen gebeten. Die Studie kann als erster Versuch angesehen werden, die Forschung zur regionalen Konfliktregelung auf Afghanistan zu beziehen.
Im Zentrum des Werkes stehen zwei Hypothesen. Zum einen geht Sorgalla davon aus, dass der afghanische Wiederaufbau größere Fortschritte gemacht hätte, wenn er auf regionaler Ebene bekämpft worden wäre, zum anderen sieht der Autor verschiedene Kooperationen im regionalen Kontext als erfolgsversprechender an als einen unilateralen Lösungsansatz zu allen Problemen.
Zur Untersuchung seiner Hypothesen hat der Autor seine Studie neben Einleitung und Schluss in fünf Kapitel unterteilt. Kapitel zwei bildet den Hintergrund zur ersten Hypothese und stellt Ursachen für das Entstehen regionaler Konflikte vor. Im anschließenden dritten Kapitel präsentiert Sorgalla -ausschließlich aufbauend auf Sekundärliteratur - sechs transnationale Risiken vor, welche typisch für post-conflict states sind. Transnational organisierte Kriminalität, islamischer Terrorismus, Ressourcenmangel, Flüchtlinge, Parallelwirtschaft und fragile Staatlichkeit werden zunächst begriffliche definiert und dann anhand von Beispielen, so etwa Sierra Leone und Liberia, veranschaulicht.
Mit dem vierten Kapitel folgt der Wechsel zum Kernthema der Studie, dem Peacebuilding in Afghanistan. Im ersten Unterabschnitt fasst Sorgalla den historischen Kontext der afghanischen Staatswerdung zusammen, das zweite Unterkapitel liefert einen Überblick über bisherige Peacebuilding- Maßnahmen (Stand 2010). Hierauf aufbauend präsentiert der Autor, wie sich die zuvor vorgestellten transnationalen Risiken in Afghanistan äußern. Dabei erfolgt jeweils zunächst die Darstellung des Problems anhand von UN-Materialien, dann die Verortung im innerafghanischen Kontext und schließlich im transnationalen Rahmen. Sorgalla beabsichtigt dabei jeweils aufzuzeigen, dass der Fokus z.B. zur Bekämpfung von Drogenanbau und Verbreitung auf der Gesamtregion liegen sollte. Seiner Ansicht nach könnten transnationale Maßnahmen eine notwendige Ergänzung zu lokalen Programmen darstellen, sodass ein höheres Maß an Effizienz bei der Befriedung der Region erzielt werden kann.
Basierend auf den bisher erarbeiteten Ergebnissen kommt Sorgalla in Kapitel sechs zu seiner zweiten Hypothese. Der erste Unterabschnitt definiert zunächst das im Folgenden zugrunde gelegte Verständnis von Risikopolitik, anschließend folgen Zusammenfassungen zu Strategien und Akteuren der regionalen Konfliktregelung. Im zweiten Unterkapitel erfolgt der Bezug auf Afghanistan. Der Autor weist darauf hin, dass dabei zum einen die Konstellation der betroffenen Staaten bei einzelnen Konfliktfeldern eine Rolle für mögliche Kooperationen spielt, zum anderen die Lage des Landes in einem geopolitischen Spannungsfeld. Letzteres wird in Abschnitt 6.2.1 (107-113) durch Zusammenfassungen des Pakistan-Indien sowie des Iran-USA Konfliktes und des New Great Games näher ausgeführt. Unter 6.2.2 (113-119) befasst sich Sorgalla mit dem organisatorischen Rahmen zur regionalen Konfliktregelung rund um Afghanistan. Dabei stellt er drei Optionen vor: Ad-hoc-Koalitionen, Regionalorganisationen sowie die Vereinten Nationen. Der Autor präsentiert dabei vier verschiedene Regionalorganisationen, muss jedoch eingestehen, dass diese bisher kaum zur Konfliktlösung beigetragen haben und ihr Erfolg fraglich ist.
Dennoch kommt Sorgalla in seiner Schlussbetrachtung dazu, seine beiden Eingangshypothesen als bestätigt anzusehen. Darüber hinaus zieht der Autor die Schlussfolgerung, dass der Abbau geopolitischer Spannungen im afghanischen Umland dringend erforderlich ist, um den Wiederaufbau von Afghanistan sicherzustellen, und zusätzlich der Westen weniger Druck im Hinblick auf die Demokratisierung der zentralasiatischen Staatenwelt ausüben sollte.
Die Studie liest sich flüssig und bietet für den Laien eine gute Zusammenstellung zum Thema transnationale Risiken und Konfliktmanagement. Afghanistan wird als geeignetes Beispiel genutzt, um das Interesse zu stärken, die Erwartungen des Lesers hinsichtlich konkreter Lösungsvorschläge oder klarer Strategien werden jedoch enttäuscht. Sorgalla analysiert nur die bereits vorliegende Forschung und zeigt Projektoptionen auf, er liefert aber keine Ideallösung.
Mario Sorgalla: Afghanistan. Neue Wege aus der Krise, Marburg: Tectum 2010, 166 S., ISBN 978-3-8288-2475-1, EUR 24,90
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