Janet Burton (University of Wales) und Julie Kerr (University of St. Andrews) haben das vorliegende Werk gemeinsam verfasst, wobei erstere für die "Introduction" und die beiden ersten Kapitel verantwortlich zeichnet, letztere für die Kapitel drei bis acht. In der "Introduction" geht die Verfasserin kurz auf die Reformzeit vor 1098 ein als notwendige Information für eine Diskussion über die Erneuerung und die Entstehung des Cistercienserordens. Sie erwähnt dabei die Benediktinerregel, die Reformen Benedikts von Aniane und Cluny und streift auch die für die Entstehung von Cîteaux wichtige Eremitenbewegung in der Zeit kurz vor 1100. Sie betont als Ergebnis, dass die Cistercienser unter den zahlreichen Neugründungen von Orden im 12. Jahrhundert die herausragendste Rolle gespielt haben.
Im ersten Kapitel stehen die Geschehnisse im Mittelpunkt, die zur Gründung des Novum Monasterium 1098 führten. Unverständlich bleibt hier die Beschreibung der geographischen Lage von Cîteaux "in the heart of the fragmented Middle Kingdom, or Lotharingia", während eine umfassendere Betrachtung der Herzogsfamilie von Burgund und ihrer frühen Verbindungen zu den Cisterciensern unterbleibt. Eine wie auch immer geartete Verbindung oder Beziehung der frühen Cistercienser zu diesem bereits im 9. Jahrhundert aufgeteilten karolingischen Teilreich, zur lothringischen Klosterreform oder zum Herzogtum Lothringen ist der Forschung bisher verborgen geblieben. Die Verfasserin geht weiterhin auf die von der Forschung vielfach untersuchten Berichte des Exordium Parvum und des kürzeren Exordium Cistercii über die Gründung und Entwicklung von Cîteaux ein, wobei sie die wissenschaftliche Diskussion über die Entstehung der beiden Quellen in aller Kürze zusammenfasst und auch die Überlieferung von William of Malmesbury und Orderic Vitalis über die frühen Cistercienser miteinbezieht. Die Verfasserin gelangt am Ende ihrer Ausführungen zu dem Ergebnis, dass Stephan Hardings Abbatiat "a seminal point in the beginnings of the creation of a Cistercian identity" war, wobei die Stellung des Abtes Alberich als Vorgänger von Stephan Harding für die Entwicklung dieser "identity" unterschätzt und deren Herausbildung viel zu spät angesetzt wird.
Das zweite Kapitel widmet sich der Ausbreitung des neuen Ordens. Es schildert die Gründung der ersten Tochterklöster der Primarabteien in den Jahren 1113-1121. Die Carta Caritatis wird hier als Grundlage für Anfang und Ausbreitung des neuen Ordens gesehen. Die Verfasserin sieht das Wachsen der "Cistercian identity" als einen sich langsam vollziehenden Prozess, wobei dem Generalkapitel die Rolle als Gesetzgeber zukam. Leider bleibt hier die für das Mittelalter symbolische und damit grundlegende Handlung des Habitwechsels unter Abt Alberich und damit vor dem Abbatiat Stephan Hardings unerwähnt. Dieser Vorgang ist die erste Kundgebung der von der Verfasserin herausgearbeiteten "Cistercian identity" und nicht erst die von ihr eingehender behandelten Werke, die natürlich dazugehören, aber eben nicht allein den Anfang der Ordensidentität darstellen. Das weitere Kapitel beschreibt die Entwicklung der Tochterklöster unter Stephan Harding und weiter bis zum Tode Bernhards von Clairvaux 1153. Daran schließt sich die Ausbreitung der Cistercienser vor allem auch in Wales und Irland und die Entwicklung des weiblichen Ordenszweiges an. Weshalb der Eintritt Bernhards von Clairvaux mit seinen 30 Gefolgsleuten, der das erste Kennzeichen für den Beginn des raschen Wachstums des Ordens war, in diesem Kapitel nur am Rande erwähnt wird, ist wenig verständlich.
Das dritte Kapitel widmet sich der Lage der Cistercienserklöster und ihren Bauten. Dabei werden auch die Ausstattungen der Gebäude angesprochen. Zahlreiche Einzelheiten werden aufgeführt, aber nur von außen her auf die Tätigkeit der Klöster bezogen, nicht aber nach Ordnungsschemata für die Klosterbauten vom Orden her gesucht. Die Bedeutung Bernhards von Clairvaux für diese kunsthistorische Entwicklung, die in der Forschung immer wieder angesprochen wurde und wird, wird nur am Rande erwähnt und nicht unter einem angelsächsischen und damit Stephan Harding nahe stehenden Blickwinkel betrachtet.
Das vierte Kapitel behandelt die Verwaltung des Ordens mit dem Generalkapitel und den Visitationen der Klöster. Ähnlich wie im vorangehenden Kapitel werden wieder zahlreiche Einzelheiten aufgelistet, aber das klar erkennbare Ordnungssystem des Ordens, was insbesondere für dessen Wachstum bedeutsam war, wird dabei viel zu undeutlich herausgearbeitet.
Das fünfte Kapitel widmet sich dem täglichen Leben im Kloster, der täglichen Liturgie, der Lectio divina und dem Tod im Kloster. Das sechste Kapitel befasst sich unter der Überschrift "Angels of God" mit der cisterciensischen Spiritualität. Es geht auf die Marien- und Heiligenverehrung, den Kult in den Klöstern und die Ordensmystik ein. Das folgende siebte Kapitel behandelt die wirtschaftliche Entwicklung des Ordens mit Handel und quasi industriellen Fertigungen. Dabei werden auch die Grangien und die Laienbrüder behandelt. Unter der Überschrift "Laterns shining in a dark place" wird die Caritas der Cistercienser untersucht und die Stellung des Ordens zu den Kreuzzügen näher betrachtet. Es folgt zuletzt noch die Behandlung der Gebetsverpflichtungen des Mönches und seine Verbindungen zur Welt außerhalb des Klosters.
Der neue Band will das Bild des Cistercienserordens und seiner Entwicklung auf allen Gebieten zeichnen, beachtet aber die bisherige Forschung nicht im dazu erforderlichen Umfang. Wenn auf Beispiele außerhalb des angelsächsischen Sprachraumes zurückgegriffen wird, kann man auch erwarten, dass die dortige Forschung in vollem Umfang in die Darstellung mit einbezogen wird. Die Stellung des heiligen Bernhards, sein Verhältnis zu Stephan Harding und seinen Mitäbten, die unterschiedlichen Entwicklungen der Filiation von Clairvaux gegenüber den Filiationen der anderen Primarabteien im Orden und seine Stellung in der kunsthistorischen Darstellung der Ordensbauten sowie der Kirchen- und Handschriftenausstattung wird zu wenig berücksichtigt. Diesen Nachteil der Untersuchung können die blumigen Überschriften einzelner Kapitel und Unterkapitel nicht ersetzen. Obwohl der Band zahlreiche Beispiele aus der Entwicklung der englischen Cistercienser bringt, ist das Ergebnis im Hinblick auf den mit dem Gesamttitel und dem Klappentext erhobenen Anspruch nicht sehr umfangreich, zumal die Ordensgeschichte nach der Gründungsphase nur noch in sehr geringem Maße Beachtung findet. Daher stellt man den Band nach der Lektüre mit einer gewissen Enttäuschung auf das Bücherregal.
Janet Burton / Julie Kerr: The Cistercians in the Middle Ages (= Monastic Orders), Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2011, VIII + 244 S., ISBN 978-1-8438-3667-4, GBP 25,00
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse an.