Die Verfasserin setzt sich in ihrer Dissertation das Ziel, die Entwicklung von Kaderpolitik, Kaderstrukturen und Karrieremustern im Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) zwischen 1947 und 1989/90 zu untersuchen. Die Monographie reiht sich damit in die in den letzten Jahren betriebenen Forschungen zur Geschichte der Parteien und Massenorganisationen der DDR ein. Die Basis der Untersuchung liefern auf zentraler Ebene hauptsächlich archivalische Quellen aus dem Apparat des ZK der SED und dem Bundesvorstand des DFD. Für die mittlere Ebene beschränkt sich die Verfasserin auf SED- und DFD-Akten der Landesleitungen Sachsen und Mecklenburg bzw. der Bezirksleitungen Dresden und Neubrandenburg. Warum keine Gespräche mit Zeitzeugen geführt und ausgewertet wurden, ist nicht zu erfahren.
Die Gründung des Frauenbundes wird nur sehr oberflächlich und knapp abgehandelt, die Gründungskonferenz im März 1947 überhaupt nicht erwähnt. Ausführlicher sind dagegen die Passagen über die Aufgaben des DFD und den bestimmenden Einfluss der SED auf dessen Kaderpolitik ausgefallen. Konflikte mit der SED und mit DFD-Mitgliedern bzw. -Funktionärinnen bürgerlicher Herkunft, die es vor allem in den ersten Jahren gegeben hat, werden gleichfalls erwähnt. Allerdings sind diese Ausführungen sehr allgemein gehalten und enthalten nur wenige konkrete Beispiele.
Kapitel III widmet sich den Problemen der Kaderarbeit des DFD, wie Personalmangel und Qualifizierungsdefiziten, und bereitet so den Hauptteil der Arbeit vor. Die Verfasserin behandelt verschiedene Kaderprogramme, deren Inhalt sie referiert. Es ist bedauerlich, dass aus diesen Dokumenten nicht wenigstens auszugsweise zitiert wird. Die getroffenen Aussagen werden auch kaum durch konkrete Beispiele illustriert, was den Text anschaulicher und lebendiger gemacht hätte.
Im Hauptteil der Arbeit geht es um die Kaderstrukturen im DFD. Nacheinander werden diejenigen des Apparates des Bundesvorstandes und der Landes- bzw. Bezirks- und der Kreisebene untersucht. Der Verfasserin geht es um das beruflich-fachliche und das politisch-ideologische Qualifikationsprofil, die soziale Herkunft und die Karriere der DFD-Funktionärinnen. Häufig müssen quantitative Aussagen auf empirisch sehr schwacher Basis getroffen werden, da regelmäßig 50 bis 90 Prozent der einschlägigen Daten fehlen. Die Verfasserin ist sich der hiermit verbundenen Problematik bewusst; dennoch zieht sie weit reichende Schlussfolgerungen. Aus der Tatsache, dass in einem Fall 75 Prozent der Angaben fehlen, zu schließen, dass "eine vergleichsweise homogene Struktur zwangsläufig gegeben" (177) war, ist gewagt. Völlig falsch ist die Behauptung einer "Passivität gegenüber der fachlichen Befähigung politischer Funktionäre [...] für den gesamten politischen Apparat in der DDR" (189). Bereits Ludz hat auf die zunehmende fachliche Qualifikation der SED-Kader in den 1960er Jahren hingewiesen. [1] Der sich anschließende Vergleich des DFD mit anderen Massenorganisationen erfolgt auf einer zu schmalen Grundlage. Da etwa auf das Handbuch von Herbst u. a. [2] verzichtet wird, ist der "exemplarische[ ] Charakter" des DFD (390) mehr eine begründete Mutmaßung als eine empirisch abgesicherte Tatsache.
Die Arbeit schließt mit einem Fazit und einem Literaturverzeichnis, das den Autor Jörg Roesler falsch mit "Roeseler" (432) wiedergibt. Die vielen Tabellen als Quintessenz der quantitativ angelegten Analysen werden im Anhang auf einer CD-ROM der Arbeit beigegeben. Das ist einerseits zweckmäßig, um bei deren Vielzahl den Text nicht zu überfrachten, andererseits erschwert ihr Fehlen im Text dessen Lesbarkeit und Verständnis.
Die Hauptergebnisse reihen sich gut in die bisher von der DDR-Forschung erzielten Erkenntnisse ein und lassen sich so zusammenfassen: Die Kaderentwicklung im DFD führte zu einer Marginalisierung parteiloser und blockparteilich gebundener Funktionärinnen; der weit überwiegende Anteil des Funktionärskorps bestand aus SED-Mitgliedern. Die Bedeutung der sozialen Herkunft schwand. Die politisch-ideologische Qualifikation war wichtiger als die beruflich-fachliche Ausbildung. In beiden Fällen stieg das Niveau im Laufe der Zeit an. Die politisch-ideologische Qualifikation wurde vor allem auf SED-Schulen erworben, der Anteil von DFD- und anderen Schulungen ging dagegen zurück. Die beruflich-fachliche Ausbildung verbesserte sich ebenfalls, blieb dabei aber breit gefächert. Seit den 1960er Jahren konsolidierten sich die Apparate; Karrieren über die jeweilige Ebene hinaus wurden seltener. Die 1980er Jahre waren dann durch eine weitgehende Kaderstagnation geprägt, nur auf der Kreisebene gab es einen größeren Zuwachs an jüngeren Funktionärinnen. Die Kernziele der Kaderpolitik hatten SED und DFD erreicht: Ende der 1980er Jahre stand ein politisch homogenes und ideologisch hoch qualifiziertes Funktionärskorps zur Verfügung. Die politischen Ziele konnten hingegen nicht erreicht werden; der Niedergang von DDR und DFD ließ sich nicht aufhalten.
Ein grundsätzliches Problem besteht darin, dass die Verfasserin quantitative Daten auswertet und diese zu qualitativen Aussagen benutzt, ohne über hinreichende Belege zu verfügen. So ist immer wieder von der Isolation und Abschottung der DFD-Funktionärinnen, die "einen anderen Alltag erlebten als die durchschnittlichen Bürger" (215), und von der "mangelnden Präsenz des DFD in der Öffentlichkeit" (216) die Rede. Das negative Bild des DFD und seine Wirkungslosigkeit werden ebenso mehr behauptet als belegt. Die politische Loyalität der DFD-Funktionärinnen wird als unreflektiert, deren Leistungsbereitschaft als "weitgehend erschöpft" (293) abqualifiziert. Sie hätten der SED nicht nahe gestanden und auf der Bezirksebene eine "bestenfalls rudimentäre Verbundenheit zum sozialistischen Milieu" (411) gezeigt. Das alles lässt sich jedoch anhand quantitativer Auszählungen schwerlich ermitteln, den Kaderstatistiken ist das nicht zu entnehmen. Es hätten hier die konkrete Arbeit des DFD untersucht und Gespräche mit Zeitzeugen geführt werden müssen.
Differenzierte Beurteilungen sind nicht die Stärke der Verfasserin. Sie argumentiert oft pauschal und überspitzt. Opportunismus als Grund für den Eintritt in die SED und eine politische Laufbahn im DFD zu nennen, die Motivation für eine Mitarbeit im DFD nur auf "Verführung und Vorteil" zu reduzieren (371) und zu behaupten, es seien "viele Funktionärinnen in erster Linie an den Privilegien interessiert" gewesen (355), greift zu kurz. Eine subjektiv ehrliche Überzeugung von der Politik der SED und der DDR ist für die Verfasserin offenbar nicht vorstellbar. Mit der vom Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen unreflektiert übernommenen Bezeichnung "fanatische Jungstalinisten" (176, 309) für Bundesfunktionärinnen des DFD verwendet die Verfasserin das Vokabular des Kalten Krieges und begibt sich in außerwissenschaftliches Fahrwasser.
Letztlich überzeugt die Arbeit trotz allen Fleißes der Verfasserin wegen der vielen fehlenden Daten nur bedingt und in ihren qualitativen Aussagen nicht. Die konkrete Tätigkeit des DFD und sein Einfluss auf das gesellschaftliche Leben in der DDR sind weiter zu erforschen.
Anmerkungen:
[1] Peter Christian Ludz: Parteielite im Wandel. Funktionsaufbau, Sozialstruktur und Ideologie der SED-Führung, Köln 1970.
[2] Andreas Herbst / Christine Krauss / Daniel Küchenmeister / Detlef Nakath / Gerd-Rüdiger Stephan (Hgg.): Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, Berlin 2002.
Petra Scheidt: Karriere im Stillstand? Der Demokratische Frauenbund Deutschlands im Spiegel seiner Kaderarbeit und der Kaderstrukturen seines Hauptamtlichen Funktionärskorps (= Historische Forschungen; Bd. 28), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2011, 435 S., CD-Rom mit statistischem Anhang, ISBN 978-3-515-10083-0, EUR 58,00
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