Der Kalte Krieg, wie er sich im deutschen Film und Fernsehen darstellte, ist das Thema der Publikation. Zurückgehend auf ein Kolloquium im Oktober 2012 in Metz, haben die Herausgeber Ulrich Pfeil und Christin Niemeyer ein vielfältiges Panorama überwiegend deutsch-französischer Perspektiven versammelt. Die Spanne des behandelten Zeitraums wird als die Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Zerfall der Sowjetunion definiert. Dennoch liegt ein klarer Schwerpunkt auf den 1950er und 1960er Jahren. In der Einführung von Ulrich Pfeil werden europäische und internationale Dimensionen der deutsch-deutschen Abgrenzungs- und Konkurrenzgeschichte herausgearbeitet. Es wird aber auch an Peter Benders Befund erinnert, dass beide Staaten daneben "ihren eigenen Kampf miteinander ausfochten" (25).
Die Ergebnisse des Sammelbandes sind Pfeil zufolge, dass erstens Kultur im Kalten Krieg eine nach innen stabilisierende und über die Blockgrenzen hinweg subversiv wirkende Funktion zu erfüllen hatte. Zweitens bildeten sich die "Konjunkturen" des Kalten Krieges im Film ab, wobei eine Entwicklung stattfand vom starren Antagonismus der 1950er Jahre über die vorsichtige Annäherung während der 1960er und 1970er Jahre bis hin zur neuen "cineastischen Mobilisierung" (23) der 1980er Jahre. Am interessantesten scheint das dritte von Pfeil benannte Ergebnis zu sein, wonach der Film zu den Eskalationen des Kalten Krieges beitrug, indem er wechselseitige "Fehlperzeptionen" der Blöcke nicht nur befestigte, sondern auch eigene Dynamiken der Feindbildproduktion entwickelte (23).
In den drei Teilen, in die sich der Sammelband gliedert, werden diese Ergebnisse besonders in Beiträgen aus dem zweiten Abschnitt "Teilung und Mauer im Film: ein deutsches Spezifikum im Kalten Krieg" sichtbar. Matthias Steinle und Christoph Classen stellen hier westdeutsche Filmproduktionen der 1950er und 1960er Jahre dar. Classen verknüpft die "inhaltlichen und normativen Charakteristika" (168) der von ihm untersuchten Filme mit einer Geschichte der Emotionen, insbesondere einer Geschichte der Angst und des latenten Bedrohungsgefühls. Die Folge war eine ausgeprägte Genrefilmproduktion, die in den 1950er Jahren auf "Angst" mit Strategien der Vermeidung reagierte. In den 1960er Jahren wurde das Bedrohungsgefühl dagegen im Actionkino in den Sujets Mauer, Grenze und Flucht - besonders in den beim Publikum überaus erfolgreichen Spionagefilmen - verarbeitet.
Auch Matthias Steinles Beitrag zu "medialen Vorbildern und ästhetischen Potentialen" des Films im Kalten Krieg ist einer Geschichte der Emotionen zuzurechnen. Gut kann hier nachvollzogen werden, wie reziproke Fehlwahrnehmungen in den Strukturen der medialen Kommunikation bereits angelegt waren. Ulrich Pfeil hatte in seiner Einführung die Frage der visual history aufgegriffen, ob Bilder eher als Instrumente oder als Akteure des Kalten Krieges zu sehen seien (40). Dies wird von Steinle für seinen Untersuchungsbereich zugunsten der kreativen Kräfte von Bildern beantwortet. Die hohe, "quasi selbstevidente" Symbolkraft der Mauer (186) habe dem Film inhärente Dynamiken der Feindbildproduktion bekräftigt: An Inszenierungen des Filmraumes und an spezifischen Operationen der Kamera wird gezeigt, dass die Konfrontationssituation der Grenze dualistischen Darstellungs- und Erzählkonventionen des Films entsprach - für die westliche Seite ein "filmischer Glücksfall" (185), wie Steinle feststellt.
In der Einführung wird gefragt, ob die Tatsache, dass der Antagonismus der Blockkonfrontation vom Medium Film eher bestätigt als differenziert wurde, nicht auch unsere heutige Wahrnehmung der "interaktiven blockübergreifenden Momente" verstelle (24). Mit Blick auf den Beitrag zum österreichischen Nachkriegsfilm von Maria Fritsche möchte man dieser Vermutung fast zustimmen. Aufgenommen in den dritten Abschnitt "Filmbeziehungen über den Eisernen Vorhang hinweg", scheint der Text mit seiner eigenen dualistischen Konzeption nicht recht dorthin zu passen: Indem Fritsche zwischen "revolutionärem" und "reaktionärem" Kino unterscheidet (303), zwischen Kino als "hegemonialem Instrument" (302) und "Sprachrohr der Eliten" (307) einerseits und Kino als "subversiv" agierender Kraft (307) mit dem Auftrag, die herrschende Ordnung zu unterminieren, andererseits (302), fällt dieser Beitrag durch ein stark wertendes, selbst von Antagonismen geprägtes Denken und Sprechen auf.
Eine Stärke des Bandes ist sein Interesse für Distribution und Rezeption von Filmen. Es werden internationale Festivals untersucht - etwa in Andreas Kötzings Beitrag zur Teilnahme der DDR an den Westdeutschen Kurzfilmtagen. Zudem wird deutlich, dass auf internationalen Festivals auch die starre Blockkonfrontation aufgebrochen werden konnte - so in Caroline Moines Beitrag zur Rolle von Filmen aus Ländern der "südlichen Hemisphäre". Ein verlässlicher Verkaufsschlager des DDR-Films sind bis heute die Märchenfilme aus der Produktion der ehemaligen DEFA-Studios geblieben. Christin Niemeyer fragt nach den Gründen dieses anhaltenden Verkaufserfolgs, obwohl diese ein "Produkt des Kalten Krieges" seien (156). Ihre am Film "Dornröschen" (1971) entwickelte Antwort zeigt, dass bekannten und beliebten Märchenstoffen durch nur leichte Verschiebungen ideologische Aussagen untergeschoben wurden, die teils nur schwer erkennbar sind. Diese "Subtilität" (162), zusammen mit der hohen Qualität der Produktionen, führe in der Rezeption der DEFA-Märchenfilme zur Ausblendung der "ideologischen Intentionen" (157).
Im Abschnitt "Zwischen Propaganda, Ideologieproduktion und politischer Ästhetik" verdeutlichen zwei lesenswerte und informative Beiträge, dass die Autoren ihre Gegenstände zwar kritisch sehen, aber auch als wertvolle Dokumente ihrer Zeit. In Henrike Zentgrafs Darstellung zur Nachgeschichte von Aufnahmen, die für und während der Nürnberger Prozesse gedreht wurden, ist Film von vornherein als spätere Quelle und potentielle Archivalie im Blick. In Václav Šmidrkals grundlegendem Beitrag zur Geschichte des 1960 gegründeten Filmstudios der Nationalen Volksarmee der DDR werden die Filme in den osteuropäischen Vergleichshorizont gestellt. Befragt auf ihren heutigen Wert, schätzt Šmidrkal sie als "ästhetisch weniger reizend und inhaltlich nicht überraschend" ein, aber als wichtiges "Anschauungsbeispiel" zum militärischen Gebrauchsfilm (142). Das von ihm klar strukturierte und präzise aufbereitete Material bietet jedoch eine Fülle von Anknüpfungsmöglichkeiten - und dies weit über den bislang kaum bekannten DDR-Militärfilm hinaus.
Sind mit dem Ende des Kalten Krieges die mit ihm verbundenen Filmproduktionen obsolet geworden? Die hier vorliegende Vielfalt der Untersuchungsgegenstände und Herangehensweisen allein sprechen schon gegen die Annahme, der Film des Kalten Krieges sei ein anachronistisches Relikt. Zu zeigen, dass hier große Gebiete der Kultur- und Filmgeschichte ihrer weiteren Erforschung und Aktualisierung harren, ist der große Vorzug des Sammelbandes. Der methodische Zugriff und die Analyseschärfe der Beiträge fallen dabei unterschiedlich aus. Insgesamt ist ein Buch entstanden, das dem Charakter eines Tagungsbandes entspricht, aber dank einer umfassenden und anregenden Einführung und mehrerer kenntnisreicher Beiträge mit Gewinn zu lesen ist.
Christin Niemeyer / Ulrich Pfeil (Hgg.): Der deutsche Film im Kalten Krieg. Mit einem Vorwort von Hans Helmut Prinzler (= Deutschland in internationalen Beziehungen; Bd. 5), Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2014, 339 S., ISBN 978-2-87574-180-6, EUR 58,00
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