Ein Schiffswrack steht am Anfang dieses Buches: die Bom Jesus, gesunken 1533 vor der Küste des heutigen Namibia. Geladen hatte sie unter anderem Metallwaren aus Mitteleuropa, geprägt mit der Handelsmarke der Fugger. Mark Häberlein nimmt diesen Wrackfund zum Ausgangspunkt für eine pointierte Geschichtsdarstellung, in deren Zentrum die Frage nach der Rolle der oberdeutschen Handelshäuser in der frühen Globalisierung des 16. Jahrhunderts steht. Der Autor ist zweifellos in besonderem Maße geeignet, eine Antwort zu formulieren. Er ist ausgewiesener Spezialist für die Geschichte der Fugger und Welser und hat eine Vielzahl einschlägiger Publikationen verfasst. Besonders hervorgehoben sei hier die kritische Edition von Rechnungsfragmenten der Augsburger Welsergesellschaft, die er zusammen mit Peter Geffcken herausgegeben hat. [1]
Dieses breite Spektrum wirtschafts- und kulturhistorischer Arbeiten bildet sich auch im vorliegenden Band ab. Die Kapitel des Buches stellen jeweils einen bestimmten Bereich des frühneuzeitlichen Fernhandels ins Zentrum. Das erste Kapitel widmet sich dem "Barchentboom" des späten Mittelalters und dem Aufstieg des Augsburger Textilgewerbes. Weitere Kapitel behandeln das Engagement der Welser und Fugger im europäischen Kupfer- und Silberhandel, ihre Bedeutung für den portugiesischen Gewürzhandel oder die Anfänge der atlantischen Zuckerökonomie und des atlantischen Sklavenhandels. Auch eine Neubewertung der Hintergründe des bekannten Venezuelaabenteuers der Welser erfolgt. Ausführlich dargestellt wird die intensive Involvierung der Fugger in den amerikanischen Silberbergbau als Kreditgeber der spanischen Krone und als Lieferanten von Quecksilber.
Beleuchtet wird auch die Rolle der Handelshäuser als Lieferanten wertvoller und exotischer Objekte, die Eingang in die Repräsentationskultur der Renaissance fanden. Von diesen Objekten ist es ein kleiner Schritt zu den Medien- und Kommunikationswelten des Fernhandels und den im 16. Jahrhundert entstehenden avvisi oder "Neuen Zeitungen". Aufgrund ihrer Integration in globale Handelsnetze, ihr geschäftsbedingtes Bedürfnis nach Informationen und ihre Verbindung zu Fürstenhöfen und Gelehrten erscheinen die Handelshäuser gleichzeitig als Rezipienten, Verteiler und Produzenten von gelehrtem, politischem und merkantilem Wissen. Das letzte Kapitel widmet sich schließlich in kurzen biografischen Abrissen einigen "globalen Akteuren", die als Organisatoren, Agenten oder Geschäftspartner der Fugger und Welser in Europa, Amerika und Indien tätig waren.
Es stellt sich die Frage, welchen Mehrwert der globalhistorische Ansatz für das heutige Verständnis der Geschichte der oberdeutschen Handelshäuser hat. Bedeutet dieser enge Fokus nicht, dass von vornherein eine eurozentrische Perspektive eingenommen wird, der in Folge auch kaum zu entkommen ist? Mark Häberlein schlägt hier einen pragmatischen Weg ein und legt einen klar begrenzten Globalisierungsbegriff an. Ohne schon zuvor bestehende großräumige Handelsverbindungen zu negieren, sieht er das 16. Jahrhundert als Periode des Übergangs hin zu einer "expansiven Globalisierung" [2] (19). Diese ist charakterisiert durch große geografische Erstreckung und große Wirkung innerhalb der betroffenen Gesellschaften, bei gleichzeitig geringer Intensität und Geschwindigkeit des Austausches. Der Autor macht das an sechs Punkten fest: die iberische Expansion; die Verknüpfung des portugiesischen Asien- mit dem spanischem Amerikahandel; Innovationen im Verkehrs- und Kommunikationsbereich; die Existenz von Handelszentren wie Antwerpen; die Ausbildung eines globalen Bewusstseins in Europa; und süddeutsche und norditalienische Handelsgesellschaften als "wichtige Träger der kommerziellen Expansion". Der Autor versäumt aber auch nicht, auf außereuropäische Faktoren, wie etwa den gewaltigen Silberbedarf der chinesischen Volkswirtschaft, hinzuweisen (151).
Was nun die Bewertung der Positionen der Fugger und Welser in dieser "expansiven Globalisierung" betrifft, so ist die Darstellung ausgesprochen differenziert und gleitet nie ins Hagiografische ab. Die globalen Dimensionen ihrer Aktivitäten werden deutlich, die Bedeutung der Handelshäuser für die frühe Globalisierung wird dabei aber nicht überschätzt. Diese resultierte vor allem "aus ihrer zentralen Stellung im Handel mit Gütern, die für das Anknüpfen und die Verstetigung interkontinentaler Wirtschaftsbeziehungen essentiell waren." (13) Beispielsweise waren die Fugger als Pächter der Minen von Almadén in der Lage, dem Silberbergbau in den Amerikas das dringend notwendige Quecksilber zur Verfügung zu stellen. Damit boten sie ein Gut an, "ohne das diese globalen Warenströme gar nicht in Gang gekommen wären." (151) Eine so dominierende Stellung war aber keinesfalls immer und überall gegeben. So weist der Autor im Zusammenhang mit den Anfängen der atlantischen Zuckerökonomie darauf hin, dass der Anteil "genuesischer, florentinischer und flämischer Handelshäuser am Handel mit Zucker" deutlich höher war als jener der oberdeutschen Handelshäuser (115).
Das vorliegende Buch ist eine zeitgemäße und profunde Vorstellung der globalen Handlungsräume, der Strategien und Krisen oberdeutscher Handelshäuser des 16. Jahrhunderts. Eine bemerkenswerte Syntheseleistung, die wohl außerdem zeigt, dass globalhistorische Perspektiven auch in der Frühneuzeitforschung eine gewisse Selbstverständlichkeit erlangt haben. Die ansprechende Gestaltung, der eminent lesbare Text und der vernünftige Preis machen das Buch zu einem wissenschaftlichen Werk, das für einen großen Leserkreis zugänglich ist.
Anmerkungen:
[1] Peter Geffcken / Mark Häberlein (Hgg.): Rechnungsfragmente der Augsburger Welser-Gesellschaft (1496-1551). Oberdeutscher Fernhandel am Beginn der neuzeitlichen Weltwirtschaft (= Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit; Bd. XXII), Stuttgart 2014.
[2] Häberlein stützt sich hier auf das analytische Schema von David Held et al.: Global Transformations. Politics, Economics and Culture, Cambridge 1999.
Mark Häberlein: Aufbruch ins globale Zeitalter. Die Handelswelt der Fugger und Welser, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2016, 256 S., 23 s/w-Abb., ISBN 978-3-8062-3342-1, EUR 24,95
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