Als eine der ersten Vertreterinnen und Vertreter deutschsprachiger Geschichtsdidaktik bringen sich Astrid Schwabe und Uwe Danker seit schon zehn Jahren aktiv in die Diskussion um historisches Lernen im Kontext der Digitalisierung ein. [1] Der zu besprechende Band fasst bisherige Überlegungen zusammen und macht sie für die Pragmatik des Geschichtsunterrichts unmittelbar anschlussfähig. Als Zielgruppe der Publikation werden aktuelle und zukünftige Lehrkräfte aber auch Schülerinnen und Schüler benannt, die befähigt werden sollen, historische Internetangebote reflektiert zu bewerten beziehungsweise diese in den Geschichtsunterricht zu integrieren.
In der Einleitung unterstreichen Schwabe und Danker ihre Haltung: "Historische Angebote des Internets gehören in einen reflektierten Geschichtsunterricht!" (8) Als Argumente führen sie neben der Lebensweltrelevanz für Schülerinnen und Schüler sowie der geschichtskulturellen Bedeutung des Internets besonders nachdrücklich das spezifische Potential des Schulfaches Geschichte zur Förderung allgemeiner Medienkompetenz an. Mit der Annahme einer strukturellen beziehungsweise prozeduralen Gleichheit von historisch-kritischer Methode und allgemeiner Medienkompetenz, hier vor allem reflektierter Medienkritik, gehören Schwabe und Danker zu den Personen in der Disziplin, die das Fach Geschichte ausdrücklich als Kernfach der Vermittlung einer allgemeinen 'information literacy' begreifen.
Insbesondere in den letzten fünf Jahren haben Publikationen zu Digitalisierung und historischem Lernen im Bereich der Theorie aber auch Praxisanregungen für medienorientierten Geschichtsunterricht zugenommen. [2] Die vorliegende Veröffentlichung versteht sich als Kombination aus beidem. Auf 150 Seiten spannt sie einen Bogen von der Charakterisierung des geschichtskulturellen Phänomens Internet (Teil I) über Anforderungen und Merkmale eines entsprechend kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts (Teil II) bis hin zu einem Praxisteil mit konkreten Unterrichtsvorschlägen (Teil III).
Im Theorieabschnitt liefern die Autorin und der Autor eine äußerst kompakte Einführung zur Geschichte des Internets, dessen inhaltlichen und funktionalen Strukturmerkmalen, zu spezifischen Rezeptionsmechanismen sowie Lernpotentialen für einen zeitgemäßen Geschichtsunterricht. Die Ausführungen stellen eine an aktuelle geschichtsdidaktische Diskussionen zu Geschichtskultur und Kompetenzmodellen angelehnte Orientierung dar. Der Schreibstil macht den Text anschaulich, gleichzeitig ist die enorme Expertise der beiden wissenschaftlichen Kollegen zu greifen, ohne allzu auswüchsiger theoretischer Ausführungen zu bedürfen. Gerade die anvisierte Zielgruppe von Schulpraktikerinnen und -praktikern erhält eine Einführung auf der Höhe der Zeit und dürfte insbesondere die zusammenfassenden Abbildungen zu Typen historischer Angebote im Internet, oder zu geschichtsdidaktischen Gütekriterien der Bewertung von Webangeboten dankbar aufnehmen. Zur Vertiefung dieser Einführung steht eine umfangreiche Literaturauswahl als Anhang zur Verfügung.
Insgesamt unterstreichen Schwabe und Danker eindrücklich, wie und worin sie den Beitrag des Unterrichtsfaches Geschichte in Zeiten digitaler Bildung sehen. "Von der historischen zur allgemeinen Medienkompetenz" (40) lautet beispielsweise ein Teilkapitel und macht somit das Grundverständnis der Autorin und des Autors klar: Nicht Geschichtsunterricht wird zum Erfüllungsgehilfen gesellschaftlicher Ansprüche der Medienkompetenzvermittlung, sondern ausgehend von originär historischen Methoden, Denk- und Arbeitsweisen kann Geschichtsunterricht von sich aus einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung allgemeiner Medienkompetenz leisten. Dies ist eine ebenso richtige wie wichtige Feststellung, gerade mit Blick auf Diskussionen über die gesellschaftliche Legitimation und zeitgemäße Gestaltung von Geschichtsunterricht.
Schwabe und Danker konkretisieren ihre theoretischen Vorüberlegungen schließlich durch die Präsentation von zum einen Bewertungsbögen für historische Webangebote für die Sekundarstufe I und II zum anderen eines Surf-Checks zur Selbstreflexion von Schülerinnen und Schülern. Dies entspricht der ausgewogenen Gesamtstruktur des Bandes, die sowohl Angebots- als auch Rezeptionsperspektiven berücksichtigt. Gerade Lehrende aus der Schule finden im abschließenden Praxisteil eine reiche Fundgrube historischer Webangebote und deren reflektierte Bewertung. Die Idee, den theoretisch entwickelten Bewertungsbogen exemplarisch an einschlägigen Internetangeboten zu erproben, erweist sich als gewinnbringend. Dadurch beweisen die Autoren einerseits die Anschlussfähigkeit und Praxistauglichkeit ihrer Überlegungen, andererseits erhält die Leserschaft einen umfangreichen Einblick in aktuelle und relevante Internetangebote. Eine Linkliste, die die beiden Geschichtsdidaktiker ob mangelnder Aktualität verweigern, wird somit alternativ und nachhaltiger angeboten. Multiperspektivisch ergänzen sie auch die Vorstellung und Einschätzung fragwürdiger Seiten und steigern so sicher das Orientierungspotential durch ihre Veröffentlichung. Dabei mag die sehr schematisch anmutende Kategorisierung in "wichtige" beziehungsweise "gefährliche" Seiten der Struktur des Bandes dienen. Es ist unbedingt zu würdigen, dass sich Schwabe und Danker eben auch weniger vorbildlichen Seiten reflektiert annehmen und geschichtskultureller Realität somit konstruktiv begegnen. Die Bewertung der einzelnen Seiten ist schlüssig und nachvollziehbar. Einzig bei der Seite "www.mein-altaegypten.de" erschließt sich nicht, warum diese unter den "wichtigen" Seiten subsumiert ist, in der Seitenbewertung allerdings als "abwegig und kaum nutzbar" eingeschätzt wird. Hier stößt die Klassifizierung in "wichtig" und "gefährlich" womöglich doch an ihre Grenzen.
Die Auswahl der exemplarischen Webseiten deckt die im Theorieteil angebotene Typisierung historischer Angebote im Internet ab. Die überwiegende Mehrheit allerdings ist dem Typ "Darstellungen" zuzuordnen. Somit bleiben Schwabe und Danker ihrer Fokussierung auf den Bereich der Dekonstruktions- und Orientierungskompetenz respektive reflektierten Medienkritik im Geschichtsunterricht treu. Mit der Thematik vertraute Leserinnen und Leser jedoch werden stärker handlungs-, subjekt- und partizipationsorientierte Internetangebote vermissen und der Auswahl der Webseiten gegebenenfalls Unausgewogenheit attestieren. Das im Band kaum berücksichtigte Web 2.0 kann schließlich mit seinen Möglichkeiten der Partizipation und Mediengestaltung auch Zugänge zur Förderung von Narrationskompetenz oder neue Wege der methodischen Inszenierung historischen Erzählens bieten.
Dennoch ist dem Autorenduo in diesem Band, womöglich gerade aufgrund seiner Konzentration auf den Bereich reflexiver Mediennutzung, eine nachvollziehbare und stringente Konzeption gelungen. Lehramtsstudierenden und Lehrkräften sei die Publikation als Einstiegslektüre und Praxisanregung sehr empfohlen. Geschichtsunterricht kann die herausgearbeiteten Potentiale nur dann erfüllen, wenn Lehrerinnen und Lehrer selbst über Fähigkeiten reflektierter Mediennutzung und Medienkritik verfügen. Hierzu leistet der Band einen hervorragenden Beitrag.
Anmerkungen:
[1] Astrid Schwabe / Uwe Danker (Hgg.): Historisches Lernen im Internet. Geschichtsdidaktik und 'Neue Medien', Schwalbach / Ts. 2008; Astrid Schwabe: Historisches Lernen im World Wide Web. Suchen, flanieren oder forschen? Fachdidaktisch-mediale Konzeption, praktische Umsetzung und empirische Evaluation der regionalhistorischen Website Vimu.info, Göttingen 2012.
[2] Stellvertretend: Marko Demantowsky / Christoph Pallaske (Hgg.): Geschichte lernen im digitalen Wandel, München 2015; Stärker auf Unterrichtspragmatik zielen beispielsweise folgende Veröffentlichungen: Daniel Bernsen / Ulf Kerber (Hgg.): Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung, Opladen / Berlin / Toronto 2017; Daniel Bernsen: 33 Ideen Digitale Medien Geschichte, Augsburg 2017.
Uwe Danker / Astrid Schwabe (Hgg.): Geschichte im Internet, Stuttgart: W. Kohlhammer 2016, 150 S., 10 s/w-Abb., ISBN 978-3-17-022433-9, EUR 26,00
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