sehepunkte 21 (2021), Nr. 10

Márta Font / Gábor Barabás: Coloman

Für die hier vorzustellende Biografie haben sich mit Márta Font, emeritierter Professorin an der Universität Pécs und Expertin in der Geschichte der mittelalterlichen Rus, und Gábor Barabás, außerordentlichem Professor an der Universität Pécs und Kenner der mittelalterlichen Beziehungen Ungarns zum Papsttum, zwei Koryphäen der ungarischen Geschichtsforschung zusammengetan, um das Leben und Wirken des ungarischen Prinzen Koloman, Sohn von König Andreas II., einem breiteren Publikum vorzustellen. Es ist dies die erste umfassende englischsprachige Darstellung der Person Kolomans, der aufgrund seiner Erhebung zum ersten König von Galizien und seiner späteren Ernennung zum Herzog von Slawonien zwar in großen Teilen Osteuropas und im Königreich Ungarn herrschte, gerade in der westlichen Forschung bislang aber eher ein Randdasein fristen musste. Das Werk basiert auf der ungarischen Monografie der beiden Verfasser, [1] wurde jedoch für die Übersetzung nochmals überarbeitet und erweitert.

Die Verfasser widmen sich Koloman entsprechend ihren Expertisen und den beiden großen Lebensphasen des Protagonisten in zwei Abschnitten. Im ersten Teil beschreibt Font das Interesse des ungarischen Königs Andreas II. am Fürstentum Galizien, die Auseinandersetzungen mit den Herrschern Kleinpolens und der Kiewer Rus rund um die Nachfolge von Roman Mstislavič als Fürst von Galizien-Wolhynien, das Zipser Abkommen ("Agreement of Scepus") sowie die Krönung des noch minderjährigen Koloman zum König von Galizien (1214/15). Auch die weiteren Schwierigkeiten und der letztliche Verlust des Thrones (1221/22) werden thematisiert. Font gelingt es zudem, einige wenige Mitglieder von Kolomans Hof und in Galizien involvierte ungarische Adelige zu identifizieren und besser fassbar zu machen. Deutlich betont sie Kolomans geringes Alter und seine Rolle als bloße Schachfigur in den Händen seines Vaters.

Im zweiten Teil fokussiert sich Barabás nach einer kurzen Vorstellung von Kolomans Aufenthalt und Wirken in der Zips auf dessen Herrschaft in Slawonien, Kroatien und Dalmatien, wohin er 1226 von Andreas II. an Stelle des älteren, nach Siebenbürgen versetzten Bruders Béla beordert wurde, während der jüngere Bruder Andreas nun Ansprüche auf die Herrschaft in Galizien stellte. Thematisiert werden auch die durch die königlichen Personalrochaden bedingten innerfamiliären Beziehungen und Konflikte, wobei Kolomans dennoch vorhandene Akzeptanz der väterlichen Entscheidung betont wird. Barabás gibt in der Folge einen guten Einblick in die einzelnen Aspekte von Kolomans Herrschaft in Slawonien und arbeitet nicht nur die innere Verwaltung des Herzogtums heraus, sondern auch das innen- und außenpolitische Agieren des Arpaden. Im Fokus stehen dabei vor allem die Beziehungen zu kirchlichen Institutionen und Würdenträgern wie Bischof Stephan von Zagreb und den Päpsten, wobei der geografische Schwerpunkt von Kolomans Wirken nun auf dem Balkan liegt. Zuletzt beleuchtet der Verfasser Kolomans Rolle im Kampf der Ungarn gegen die einfallenden Mongolen sowie dessen Ableben. Abschließend wird in der Zusammenfassung kurz die aktuelle Forschungslage und das Nachwirken des Arpaden in der Geschichtsforschung analysiert.

Ergänzt wird die Monografie durch Tabellen mit den verschiedenen Varianten der Toponyme und Anthroponyme in der Forschung und den Quellen, eine Zeitleiste der wichtigsten Ereignisse in Kolomans Leben sowie durch zahlreiche Abbildungen und - teilweise etwas zu klein geratene und dadurch nur schwer lesbare - Karten. Eine Bibliografie und ein leider unvollständiger Index (so fehlen diverse Orte und Akteure) runden das Werk ab. Größter Kritikpunkt ist jedoch das mangelhafte Lektorat, wodurch das Lesevergnügen aufgrund von immer wieder vorkommenden orthografischen Fehlern, Wortauslassungen oder -verdoppelungen zu einem gewissen Grad beeinträchtigt wird (zum Beispiel Seiten 35, 55, 59, 66, 81, 83).

Insgesamt bieten die beiden Verfasser mit ihrer Biografie einen gelungenen und umfassenden Überblick über das Leben Kolomans. Das besondere Verdienst liegt dabei nicht nur in der von ihnen intendierten Steigerung des Bekanntheitsgrades der Person Kolomans außerhalb Ungarns und der Vorstellung der aktuellen ungarischen Forschungslage (IX), sondern in der Synthese des bislang nur in Einzelaspekten behandelten Wirkens des Arpaden unter Heranziehung aller vorhandenen Quellen (narrativer Quellen ebenso wie Urkunden und baugeschichtlicher Erkenntnisse) sowie von polnischen, ukrainischen, slowakischen, kroatischen und bosnischen Forschungsergebnissen, die aufgrund von Sprachbarrieren einem westlichen Publikum bisher verschlossen waren. Die Verfasser stellen dabei besonders kontrovers diskutierte Themengebiete explizit in eigenen Abschnitten dar, wägen die verschiedenen, oftmals durch nationale Interessen und eingeschränktes Verständnis für die Gegebenheiten im ungarischen Königreich beeinflussten Thesen (129) gegeneinander ab und beziehen dankenswerterweise auch selbst Position (so zum Beispiel im Fall von Kolomans Krönungsdatum und Titulatur, der Identifizierung bestimmter Personen oder der Schwierigkeiten rund um den Begriff "Slawonien"). Font und Barabás gelingt dadurch eine wertvolle Ergänzung zu den bereits vorhandenen Publikationen über diverse Mitglieder der ungarischen Herrscherfamilie und das ungarische Mittelalter, wobei sie Koloman gekonnt in die zeitgenössischen Ereignisse im Königreich Ungarn und in Europa einbetten und ihn einerseits als Spielball der väterlichen Politik, andererseits als eigenständigen Akteur und Politiker identifizieren.


Anmerkung:

[1] Márta Font / Gábor Barabás: Kálmán (1208-1241). Halics királya - Szlavónia hercege [Koloman (1208-1241). König von Galizien - Herzog von Slawonien], Budapest / Pécs 2017, mit englischsprachiger Zusammenfassung.

Rezension über:

Márta Font / Gábor Barabás: Coloman. King of Galicia and Duke of Slavonia (1208-1241). Medieval Central Europe and Hungarian Power (= Beyond Medieval Europe), Leeds: Arc Humanities Press 2019, XVI + 143 S., e-book, ISBN 978-1-64189-025-0, EUR 98,99

Rezension von:
Sonja Lessacher
Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
Empfohlene Zitierweise:
Sonja Lessacher: Rezension von: Márta Font / Gábor Barabás: Coloman. King of Galicia and Duke of Slavonia (1208-1241). Medieval Central Europe and Hungarian Power, Leeds: Arc Humanities Press 2019, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 10 [15.10.2021], URL: https://www.sehepunkte.de/2021/10/36289.html


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