Es gibt wohl kein Mittelmeerland, in dem die archäologische Erforschung der Antike mit vergleichbarem Aufwand und Erfolg vorangetrieben wird, wie in Israel. Wissenschaftlich Interessierte sind dankbar, wenn von Zeit zu Zeit Synthesen erscheinen, die die neuesten Entdeckungen der Ausgrabungen und Surveys für einzelne Perioden vorstellen und in die historischen und archäologischen Kontexte einordnen. In diesem Sinne vermittelt das vorliegende Buch einen hochwillkommenen Überblick über die Zeit der "mittleren Makkabäer", worunter die Herausgeber das gute halbe Jahrhundert vom Tod des Judas Makkabäus ca. 160 v.Chr. bis zum Tod seines Neffen Johannes Hyrkanos 104 v.Chr. verstehen wollen. [1] Der Sammelband enthält 22 Beiträge, die in drei ungleichen Teilen gruppiert sind. Der erste, mit Abstand umfangreichste Teil behandelt in zwölf Aufsätzen die materielle Evidenz, nach Regionen und Fundobjekten geordnet, während im zweiten und dritten Teil historische und literarische Kontexte erörtert werden. [2] Die Bibliographie und drei nutzerfreundliche Indices (Quellen, Personen, Orte) beschließen den Band.
Die archäologischen Beiträge des ersten Teils vermitteln zahlreiche neue historische Erkenntnisse. In Jerusalem sind bei den sogenannten "Giv'ati Parking Lot Excavations" auf dem Hügel am Westrand der Davidstadt, wie Ayala Zilberstein ausführt, die Überreste der Akra ans Licht gekommen - jener Festung, die der Seleukidenkönig Antiochos IV. 168 errichten ließ und die den "Hellenisten" in Jerusalem als letztes Bollwerk diente. Sowohl der Autor des 1. Makkabäerbuches als auch Flavius Josephus berichten von der Eroberung der Akra durch den Hasmonäer Simon, doch stellen sie die Folgen gegensätzlich dar. Während Josephus (AJ 13,215-217; vgl. BJ 5,139) von der Zerstörung und Einebnung des Platzes durch Simon berichtet, erzählt das 1. Makkabäerbuch (13,49-52; 14,36-37), wie Simon die Festung reinigen, besetzen und verstärken ließ. Die archäologischen Untersuchungen bestätigen nun, so Zilberstein, den Bericht des 1. Makkabäerbuches; gleichwohl habe auch Josephus nicht ganz unrecht, denn die Akra sei tatsächlich zerstört worden - allerdings erst viele Jahre nach Simon in den Tagen der späteren Hasmonäer.
Dass die historische Deutung der Befunde in Judäa, Samaria, Galiläa, Idumäa und in der Küstenebene durch die absolut eigenartige und stets klar unterscheidbare materielle Kultur der Judäer sehr gefördert wird, verdeutlichen alle archäologischen Beiträge, besonders aber diejenigen von Andrea M. Berlin und Dvir Raviv. Ess- und Trinkgeschirr, importierte Weinamphoren (bzw. ihr Aufhören oder Fehlen) und Bronzemünzen zeigen die Präsenz von Judäern an einem Ort unfehlbar an und zeugen von der Ausdehnung des judäischen Siedlungsgebietes in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts v.Chr. Die sehr einfache und undekorierte Keramik, die sich ursprünglich nur in Judäa, dem Bethel-Hochland und im südlichen Samaria fand, wurde seit den 130er-Jahren zum typischen Kennzeichen für die im Laufe der hasmonäischen Expansion gegründeten judäischen Siedlungen. An solchen Orten sind die Objekte, die nicht gefunden wurden, vielleicht noch auffälliger als die Fundstücke. So gibt es keine hellenistische Gebrauchs- und Luxuskeramik, keine importierten, durch Stempel identifizier- und datierbaren Weinamphoren im judäischen Fundmaterial, und im Gegensatz zu den vorjudäischen Siedlungen fehlen diese später in den Orten, die im Laufe des hasmonäischen Expansion wiederbesiedelt wurden. Ebenso ersetzten die kleinen hasmonäischen Münzen, die in der Mitte der 20er-Jahre des 2. Jahrhunderts in Jerusalem mit althebräischer Beschriftung geprägt wurden, an zahlreichen Orten in Galiläa und sogar auf den Golan-Höhen die zeitgenössischen leicht erhältlichen seleukidischen Bronzeprägungen und bezeugen so die Besiedlung Galiläas und des Golan durch Judäer bereits unter Johannes Hyrkanos. Während Danny Syon Hyrkanos' Bronzemünzen als weitere materielle Begleiterscheinung der hasmonäischen Expansion betrachtet, analysiert Donald T. Ariel ihren jüdischen Charakter und ihre Semantik. [3]
Der Ansiedlung der Judäer muss die Destruktion gentiler Siedlungen und die Flucht oder Vertreibung ihrer Bewohner vorausgegangen sein. Tatsächlich zeichnet sich, wie die Beiträge von Uzi 'Ad, Yehiel Zelinger, Uri Leibner, Andrea Berlin und Gerald Finkielsztejn zeigen, für die Mitte der 40er-Jahre des 2. Jahrhunderts ein einheitlicher Zerstörungshorizont im archäologischen Befund ab: eine ganze Reihe von nahezu gleichzeitig zerstörten bzw. verlassenen Orten in einem relativ großen Gebiet, vor allem in Ober- und Unter-Galiläa, im nördlichen Jordantal und in der dicht besiedelten Küstenebene zwischen Akko und Ashkelon. Dabei handelte es sich offenbar um die katastrophalen Begleiterscheinungen des 7. Syrischen Krieges und der gleichzeitigen seleukidischen Thronstreitigkeiten; auch die Hasmonäer Jonathan und Simon, die ihre Feldzüge sowohl im Auftrag verschiedener seleukidischer Prätendenten als auch auf eigene Rechnung unternahmen, dürften einen Anteil an der Zerstörungswelle gehabt haben (siehe besonders die Beiträge von Yehiel Zelinger und Uri Leibner). Mit Simon begann jedenfalls die archäologisch und numismatisch sichtbare Expansion in "a land ready to be taken over and remade" (401), wie es die Herausgeber in ihrer Zusammenfassung formulieren. Der Prozeß intensivierte sich unter Johannes Hyrkanos, nachdem der Hasmonäerstaat nach dem Tod von Seleukos VII. Sidetes 129 endgültig seine Unabhängigkeit gewonnen hatte. Die Orte der Eroberungen, Zerstörungen und Eingliederungen hat Josephus zutreffend überliefert, aber seine Chronologie ist durch die archäologischen Forschungen der letzten Jahrzehnte revidiert worden: Nach dem derzeitigen Forschungsstand hat Johannes Hyrkanos das idumäische Marescha 112, die Tempelstadt auf dem Berg Garizim 110 sowie Samaria und Skythopolis 108 eingenommen (vgl. Finkielstzeijn 203).
Die historischen Essays des zweiten und dritten Teils sind ausnahmslos anregend und enthalten diskussionswürdige Thesen. Sie handeln von den strukturellen Gründen der politischen Instabilität im südlichen Syrien (Sylvie Honigman), seleukidischen Thronkriegen (Altay Çoskun), ptolemäischen Interventionen und Einflussnahmen in Judäa (Christelle Fischer-Bovet), Münzhorten und ihrer historischen Aussagekraft im phönizisch-südsyrischen Raum (Catharine Lorber), der hasmonäischen Affirmation der römischen Hegemonie (Duncan E. MacRae), dem 1. Makkabäerbuch als historischer Quelle für die Zeit Jonathans und Simons (Benedikt Eckhardt), der qumranischen Gemeinschaftsregel als Zeugnis einer judäischen Alternative zum hasmonäischen Militarismus (Jutta Jokiranta) sowie von der Abneigung, die Rom und dem römischen Imperialismus in jüdischen Texten der Zeit entgegengebracht wurden (Erich S. Gruen). Eingeleitet wird der zweite Teil mit einem brillianten Aufsatz von Paul Kosmin, der unter der Überschrift "The Middle Maccabees in Context" die ganz großen Linien auszieht (243-256).
Wer sich für den Aufstieg des Hasmonäerstaates und die judäische Expansion im südsyrischen Raum interessiert, für deren Bedingungen, Umstände und Verläufe, wird an den neuen Forschungsergebnissen und Interpretationen der vorliegenden Aufsatzsammlung nicht vorbeigehen können. Unterbelichtet bleibt in dem Band allerdings das hasmonäische Selbstverständnis, wie es etwa in den Taten der Protagonisten und in den Berichten des 1. Makkabäerbuches Ausdruck findet. [4] Insbesondere wäre ein Beitrag wünschenswert gewesen, der die biblische Rhetorik der zeitgenössischen Literatur vor dem Hintergrund der spezifischen, das Reinheitsgesetz spiegelnden materiellen Kultur der Judäer diskutiert hätte. Doch ist dies ein Versäumnis, das den Wert des vorliegenden Buches kaum schmälert.
Anmerkungen:
[1] Über die historische Sinnhaftigkeit dieser Periodisierung lässt sich natürlich streiten, denn die Söhne von Hyrkanos setzten dessen Eroberungspolitik nahtlos fort; erst mit dem Tod des Alexander Jannaios 76 v.Chr. - als das judäische Reich davidische und salomonische Ausmaße erreicht hatte - kam die hasmonäische Expansion zum Stillstand. Andererseits nahm Aristobul, Hyrkanos' Nachfolger, 104 das Diadem und den Königstitel an, doch lässt sich mit guten Gründen bezweifeln, dass dieser symbolische Akt als Zäsur in der Geschichte des Hasmonäerstaates betrachtet werden sollte: vgl. hier etwa Benedikt Eckhardt 360-362.
[2] Die Trennung in Teil 2 ("The Wider Stage: A Small State in a Great Power World") und Teil 3 ("Voices: Textual Responses to the Middle Maccabees") erscheint konzeptionell nachvollziehbar, wird aber inhaltlich nicht eingelöst: Die neun Beiträge (die Zusammenfassung der Herausgeber ausgenommen) beziehen sich auf das gleiche Quellencorpus und unterscheiden sich nicht in ihrer Methodik.
[3] Weitere Fundgattungen, die im Kontext der östlichen Mittelmeerwelt auf den besonderen Lebensstil der Judäer (und der Samaritaner) verweisen und als "ethnic marker" fungieren können, wie Ritualbäder, Steingefäße und Ossuarien, entwickelten sich erst im Laufe des 1. Jahrhunderts, zur Zeit der späten Hasmonäer und des Herodes, und zeigen die noch zunehmende Bedeutung des Reinheitsgesetzes für die politische Identität der Judäer an.
[4] Vgl. dazu die exzellenten Ausführungen von Paul Kosmin: Time and its Adversaries in the Seleucid Empire, Cambrigde / London 2018, 219-228.
Andrea M. Berlin / Paul J. Kosmin (eds.): The Middle Maccabees. Archaeology, History, and the Rise of the Hasmonean Kingdom (= Archaeology and Biblical Studies; Nr. 28), Atlanta, GA: Society of Biblical Literature 2021, XXII + 498 S., zahlr. Abb., ISBN 978-1-62837-305-9, USD 73,00
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