sehepunkte 22 (2022), Nr. 9

Martina Backes / Balázs J. Nemes (Hgg.): buochmeisterinne

... so sich die zahl der bucher meren ...[1]

Leben und Wirken reformierter Freiburger Klosterfrauen im Spiegel ihrer Bücherschätze

Unter dem Titel buochmeisterinne. Handschriften und Frühdrucke aus dem Dominikanerinnenkloster Adelhausen eröffnete am 13. März 2021 im Stadtgeschichtlichen Museum Freiburg eine Ausstellung mit Objekten aus den Beständen der ehemaligen Bibliothek des Dominikanerinnenklosters Adelhausen sowie weiterer reformierter Frauenklöster in Freiburg. Grundlage für Ausstellung und Publikation bildeten die Ergebnisse verschiedener studentischer Projekte, die über mehrere Semester hinweg im Rahmen einer Reihe von Lehrveranstaltungen des Deutschen Seminars der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg stattfanden. Dem "Konzept des forschenden Lernens" folgend konnten die Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen verschiedener Disziplinen dabei erste Erfahrungen im Umgang mit Handschriften, Frühdrucken und archivalischen Quellen erwerben und fachspezifische Inhalte "zum Wissensraum Frauenkloster" erarbeiten (11).

Kloster Adelhausen

Der ehemalige Dominikanerinnenkonvent Adelhausen geht auf das Monasterium sancte Marie de Adelhusen - eine im Jahre 1234 gegründete Beginengemeinschaft [2] - zurück. Bereits im Jahre 1245 wurde diese in den 1215/1217 gegründeten Dominikanerorden inkorporiert und stand fortan unter der Observanz der Freiburger Predigermönche. Reiche Schenkungen und Mitgiften der eintretenden Novizinnen, die aus der bürgerlichen Oberschicht Freiburgs und der Breisgauer Kleinstädte sowie dem Adel der Umgebung stammten, bescherten dem Konvent beachtlichen Wohlstand (19f., 169).

Nachdem die weiteren Freiburger Dominikanerinnenklöster St. Agnes (1297), St. Maria Magdalena (1273), St. Katharina in der Wiehre (1297) und St. Katharina auf dem Graben (1419) sukzessiv in das Adelhauser Frauenkloster aufgegangen sind, erfolgte im Jahre 1694 die Gründung des Adelhauser Neuklosters. Dieses wurde im Jahre 1867 aufgehoben (11f.). [3]

Aus der altklösterlichen Büchersammlung des Adelhauser Konvents sind kaum noch Handschriften erhalten, denn ein Klosterbrand im Jahre 1410 führte zu erheblichen Verlusten. Dank eines umfangreichen Netzwerkes von Klosterbeziehungen und durch Stiftungen gelang es den Adelhauser Klosterfrauen, ihren Bücherbestand wieder zu vermehren (21f.) - nicht zuletzt dank einer Welle geistlicher und volkssprachiger Texte, welche die dominikanische Ordensreform des 15. Jahrhunderts hervorbrachte.

Zu den bedeutendsten Autoren der Ordensreform zählte der Dominikaner Johannes Meyer, der die Adelhauser Klosterfrauen ab 1482 als Beichtvater betreute (269). Kaum ein Aufsatz der hier vorgestellten Publikation kommt ohne die Erwähnung des Ordensreformers und seiner Regelwerke aus. Die in seinem Buch der Ämter genannten Klosterämter Priorin, Sängerin, Novizenmeisterin, Buchmeisterin und Tischleserin sowie das Amt des Beichtvaters regten das Konzept der Ausstellung an und bilden auch die Struktur des begleitenden Katalogs.

Die Essays verfassten die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie Doktorandinnen und Doktoranden, ergänzt von Beiträgen einiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Insgesamt 26 Beiträge beleuchten nahezu alle Facetten der Schriftlichkeit im frauenklösterlichen Kontext. Besonders wertvoll ist: Alle im Katalog behandelten Objekte können in den digitalen Sammlungen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg aufgerufen werden - dies ermöglicht dem Leser die eigenständige Überprüfung der hier vermittelten Informationen und Argumentationen.

Priorin

An der Spitze der klösterlichen Institution stand die Priorin, die nicht nur die geistliche Leiterin des Klosters war, sondern auch für eine gut strukturierte Verwaltung Sorge zu tragen hatte. In seinem Aufsatz Das Amt der Priorin und das Irdische des Klosters (29-38) beschreibt Jörg Voigt anhand verschiedener überlieferter Quellentypen die verschiedenen Aufgabenbereiche der Klostervorsteherin. Diese umfassten die Leitung der Gemeinschaft (potestas gubernativa), die Autorität zur Bestrafung (potestas coactiva) und die Verwaltung der geistlichen Institution und deren Besitz (potestas administrativa). [4] Die Priorin war bevollmächtigt, Benefizien zu übertragen und Kleriker in der Klostergemeinschaft einzusetzen oder Amtsinhaber zu suspendieren - nicht jedoch zu bestrafen (30).

Aussagekräftige Dokumente der klösterlichen Verwaltung stellen Urkunden, Urbare sowie Jahrzeit- und Zinsbücher dar. Die Urkunden des Dominikanerinnenklosters Adelhausen wurden als wichtige Besitznachweise für Nachfolge-Institutionen selbst nach Auflösung eines Klosters aufbewahrt und weisen häufig noch das Siegel des Konvents Adelhausen bzw. das Amtssiegel der jeweiligen Priorin auf. Sie befinden sich heute im Stadtarchiv Freiburgs (31f.). [5]

Die von Jörg Voigt vorgestellten Adelhauser Urbare aus dem Freiburger Stadtarchiv - das 1327 von der Priorin Anna von Munzingen (1316/17, 1319-1327) angelegte Urbar B 4 Nr. 16 und das von Anna Lermundlin sowie ihrer Güterverwalterin Agnes Pfettisheim und ihrem Güterverwalter Otman Schöttler im Jahre 1423 begonnene Urbar B Nr. 17 - bezeugen die prosperierende Entwicklung des Klosters (32-34).

Sängerin

Den Gebrauch von Musikhandschriften ergründete Stefan Häussler in seinem Aufsatz Verbreitete und seltene Gesänge. Überlegungen zu notierten Melodieverläufen in Adelhauser Musikhandschriften (43-47). Er untersuchte u.a. die Notierungen zweier Gesänge von unterschiedlichem melodischem Charakter. Anhand verschiedener Versionen des verbreiteten Gesangs Libera me in Antiphonarien der Freiburger Adelhausenstiftung (A 1205/(11723); A 1206/(11724)) [6] beobachtete Häussler, wie flexibel die Nonnen Geschwindigkeit, Rhythmus und Tonhöhe der Melodie gestaltet haben. [7] Die auftretenden Unterschiede in der Gruppierung und Gliederung von Melismen bei gleichen Tonhöhen könnten auf abweichende Lösungen beim Vortrag beruhen, wie Stefan Häussler vermutet (44f.).

Anders bei dem seltener überlieferten, archaisch anmutenden Gesang Quasi stella, der in einer Handschrift aus dem Freiburger Predigerkloster notiert ist (Freiburg, UB, Hs. 1132). Quasi stella wurde zum Fest der Überführung des hl. Thomas von Aquin vorgetragen, "wenn dieses in die Fastenzeit fällt" - so steht es in einem Exemplar des deutschsprachigen Liber Ordinarius aus dem Freiburger Stadtarchiv (B 3, Nr. 25, fol. 68, 80). Die Melodie der Handschrift aus dem Predigerkloster weist einen auffallend engen melodischen Rahmen und eine formelhaft gleichbleibende Melodie der folgenden Verse auf, welche "die Vorgaben gleichsam übererfüllt" - im Gegensatz zu älteren Tractusgesängen, die eine größere melodische Vielfalt aufweisen, (45f.). [8]

Von den komplexen und anspruchsvollen Aufgaben der Sängerin bzw. Obersängerin eines Klosters zeugt ein Liber Ordinarius mit umfangreichen Einträgen rund um die Gottesdienstgestaltung aus dem Freiburger Stadtarchiv (B 3 Nr. 25). [9] Mit dieser, wie ein Notizbuch anmutenden Handschrift befasste sich Claire Taylor Jones in ihrem Essay Ein Handbuch für die Sängerin (49-64). Angelegt wurde das Buch im elsässischen Dominikanerinnenkloster Schönensteinbach und gelangte im Zuge der 1465 durchgeführten Reform in das Freiburger Reuerinnenkloster. Mehrere Generationen von Obersängerinnen aus beiden Klöstern benutzten es zur Vorbereitung des Gottesdienstes.

Die früheste Beschreibung des Amtes des Cantors bzw. der Cantrix befindet sich im Liber de Officiis, einem hochgeachteten Regelwerk, das vom fünften Generalmeister des Ordens, Humbertus de Romanis (gestorben 1277) verfasst wurde. Dessen Inhalte waren den Freiburger Dominikanerinnen durch Johannes Meyers deutsche Überarbeitung dieses Werkes Buch der Ämter (Freiburg, StadtA, B 1 Nr. 108 und N4. 147) zugänglich.

Die Aufgaben einer Cantrix waren vielfältig und komplex, wie Claire Taylor Jones darlegt. Für die Vorbereitung eines Stundengebetes, musste sie verschiedene Bände zur Hand nehmen, um Gesten, Rituale und Prozessionen nachzuschlagen und die zu lesenden Texte und Gesänge zu ermitteln. [10] Wie Meyers Buch der Ämter beschreibt, musste die Sängerin u.a. die Festtage unter Beachtung des Kalenders ordnungsgemäß festlegen, den Ablauf des Gottesdienstes organisieren, Melodien für die Kirchengesänge der Messe und des Stundengebets auswählen, die Schwestern auf den Gottesdienst vorbereiten und im Singen ausbilden, im Chor mitsingen und Sologesänge übernehmen, die Gesangsbücher pflegen und sich um die Kommemorationen für verstorbene Mitschwestern oder Stifter kümmern (50-53). Aufgabe der Sängerin war es auch, die klösterliche Liturgie entsprechend der Erlasse der Ordensoberen zu redigieren und lokale Ergänzungen zu vermerken - davon zeugen die zahlreichen Einträge in der Freiburger Handschrift B 3 Nr. 25, die Claire Taylor Jones als Ergänzungsband zu den offiziellen Liturgiebüchern des Dominikanerordens bewertet (50-61).

Der von Johanna Felden in ihrem Beitrag Singen im Wechsel - Visuelle Strategien der Ordnung in einer Musikhandschrift (65-72) vorgestellte Codex A 1205/(11723) aus der Freiburger Adelhausenstiftung [11] umfasst acht unterschiedliche liturgische Handschriften aus drei Jahrhunderten. Die Hauptschrift bildet der Sommerteil eines Antiphonars aus dem 14. Jahrhundert (1r-258 v). Er enthält die von Vorsängerin und Chor im Wechsel gesungenen Antiphonen und Responsorien entsprechend des Verlaufs des Kirchenjahres. Verschiedene Nachträge aus dem 15. Jahrhundert sowie ein loses Blatt aus dem 17. Jahrhundert belegen, dass die Handschrift mehrere Jahrhunderte im Gebrauch war (65).

Die Autorin erläutert das Prinzip der visuellen Gliederung der Notation mittels eines hierarchischen Systems, das Pracht-Initialen, farbig alternierende Lombarden mit ornamentaler Federzeichnung, Cadellen sowie schlichte Initialen umfasst (66-69). Leider ist das gewählte Beispiel der zahlreichen aufwendig verzierten Pracht-Initialen zu Beginn hoher kirchlicher Feste nur sehr klein abgebildet, so dass das detailreiche Fleuronnée kaum zu erkennen ist (70, Abb. 9). Besser wäre es gewesen, auf die Abbildungen 10 und 11 zu verzichten und Abbildung 9 stattdessen größer darzustellen.

Mit figürlichem Schmuck ausgestattet ist das 1461 entstandene Adelhauser Antiphonar A 1206(11724) der Freiburger Adelhausenstiftung [12], das im Essay Für Augen und Ohren - Ein Chorbuch für die Gemeinschaft (73-80) von Carolin Glochowski im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Auch dieses Chorbuch war lange Zeit im Gebrauch, wie ein Nachtrag aus dem 17. Jahrhundert bestätigt. Die Autorin lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers zunächst auf die Materialität des Codex. Sie beschreibt die Beschaffenheit des Schreibmaterials Pergament und weist auf die in Vorder- und Hinterdeckelspiegel eingeklebte Makulatur (73-76).

Der Codex beginnt mit den Gesängen zum Dreifaltigkeitsfest am ersten Sonntag nach Pfingsten. [13] Große historisierte Initialen mit Figuren im Binnenfeld und reicher Fleuronnée-Verzierung sowie Schmuckrahmen mit Figurenmedaillons zu Beginn wichtiger Teile des Chorbuchs gliedern dessen Inhalt. Die prächtig verzierten Darstellungen der weiblichen Heiligen [14] Maria und Katharina von Alexandrien im Proprium de sanctis ermöglichen dem Nutzer nicht nur ein schnelles Auffinden der gesuchten Gesänge, sondern dienten den Nonnen auch als "visuelle Andachtsanleitungen", die in die Meditation und Kontemplation hineinführen sollten, wie Carolin Gluchowski erläutert (79f.).

Novizenmeisterin

Die Novizenmeisterin war verantwortlich für die geistliche Erziehung, die Vermittlung sprachlicher und liturgischer Kenntnisse sowie die Überwachung der Lebensführung der jungen Nonnen - so ist es in Johannes Meyers Buch der Ämter, das auch im Kloster St. Maria Magdalena als Exemplar vorhanden war (Freiburg, StadtA, B 1 Nr. 108), beschrieben.

Praktische Anweisungen für das klösterliche Leben sowie Grundregeln für die wöchentlich abzulegende Beichte enthält die von 1480 bis 1520 entstandene, mehrere Faszikel umfassende Textsammlung Hs. 219 aus der Freiburger Universitätsbibliothek. [15] Diese untersuchte Stephen Mossmann in seinem Aufsatz Wegweiser durch die Noviziatsjahre (85-90).

Hervorzuheben ist der zweite von Katharina Ederin aus St. Maria Magdalena im Jahre 1505 geschriebene Faszikel der Handschrift (21r). Dieser umfasst eine unikal überlieferte volkssprachige Bearbeitung des Formula novitiorum des Franziskaners David von Augsburg (gestorben 1272). Faszikel sechs enthält zwei Beichtspiegel (122r-136r). Die Nutzerspuren im zweiten Beichtspiegel geben einen interessanten Einblick in den praktischen Umgang der Klosterfrauen mit dieser Beichthilfe: Mit ihren gesetzten Kreuzchen vor einzelnen der gelisteten Sünden verriet eine Nonne, mit welchen Problemen sie als junge Novizin zu kämpfen hatte (88).

Einen Einblick in den Klosteralltag der Adelhauser Nonnen erlaubt die handliche Gebrauchshandschrift St. Peter pap. 43 aus der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Befasst hat sich mit ihr Henrike Lähnemann in ihrem Beitrag Anweisungen für das klösterliche Leben in Adelhausen (91-94). Dass der Codex in eben jenem Frauenkloster entstand -vermutlich von 1466 bis 1469, belegt ein Eintrag auf der letzten Seite. Dieser besagt, dass Salvo Cassetta von Palermo, Generalmeister des Predigerordens (gestorben 1483), uns hie in Adelhusen ij brieff mit gnad und frijheit geben / und bestett unser observantz und beslutz (91).

Die von unterschiedlichen Händen geschriebenen Texte enthalten die für Dominikanerinnen verbindliche Augustinerregel Hugos von St. Viktor sowie Auszüge aus Johannes Meyers Fortsetzung des Buchs der Ämter mit konkreten Anweisungen zum richtigen Klosterleben (91). Bemerkenswert findet Henrike Lähnemann die Ausführungen zur klösterlichen Klausur. Diese enthalten eine konkrete Beschreibung, wie die Sprechfenster (redvenster), Drehladen und Türen ausgeführt und gehandhabt werden sollen, um die beschließung der Schwester sicherzustellen. Anschaulich und passend wählte Lähnemann als Illustration eine Miniatur aus dem Ämterbuch der Leipziger Universitätsbibliothek Ms 1548, die ein solches Redefenster zeigt (43r) (93, Abb. 3).

In ihrem Beitrag mit dem Titel Die musikalische Vermittlung religiösen Wissens (95-101) befasste sich Carolin Gluchowski mit einem Sequentiar, dass sich laut Eintrag (2r) bereits im Spätmittelalter im Kloster Adelhausen befand. Anhand der kleinformatigen Papierhandschrift Hs. 8 aus dem Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg [16] demonstriert die Autorin das methodische Vorgehen bei der Datierung eines Objekts mithilfe von Wasserzeichen sowie der Auswertung der im Codex befindlichen Liste der Heiligenfeste (95f.).

Ausführlich erläutert Carolin Gluchowski die Gestalt und Funktion der Sequenzen, die als Reim- oder Strophensequenzen eigenständige Gesänge mit metrisch geordneten Strukturen darstellen und im Spätmittelalter an volkssprachige Kirchenlieder anknüpften (96f.). Wie andere liturgische Buchtypen auch, wurden die Sequenzen durch Texte und Gesänge erweitert, abgeändert und angepasst. Die Sequenzen der Adelhauser Handschrift zeugen u.a. von der Verehrung lokaler Heilige, wie z. B. den Heiligen Katharina von Alexandrien, Elisabeth, Nikolaus, Petrus und Paulus (100).

Buchmeisterin

In Natalie Bühlers Beitrag "gutte Lieb zu bucheren". Das Amt der Buchmeisterin bei Johannes Meyer (105-111) steht erneut dessen Buch der Ämter im Blickpunkt. Auf der Grundlage einer ursprünglich aus dem Freiburger Kloster St. Agnes stammenden Abschrift (Freiburg, StadtA, B, 1 Nr. 147) [17] widmet sich die Autorin dem im 14. Kapitel behandelten Amt der buochmeisterinne. Johannes Meyer beschreibt dort nicht nur das Tätigkeitsprofil einer Buchmeisterin, sondern gibt auch konkrete Anweisungen für die Einrichtung und den Aufbau einer klösterlichen Bibliothek (106-108).

Damit man die ding, die man haben will, snelle finden sige rät Meyer, die Bücher systematisch nach Inhalten gruppiert aufzubewahren und dafür ausreichend viele armarien und pulpeten aus Holz vorzusehen. Ob die Freiburger Frauenklöster im 15. Jahrhundert ihren Bücherbestand in Bibliotheksregalen oder in kisten und in kasten verstauten, muss offenbleiben (106).

Die genannten Beispiele der Kategorien vermitteln einen Eindruck davon, welche Bücher eine reformierte Klosterbibliothek nach Meyers Vorstellung bereithalten sollte. [18] Um die Übersicht zu behalten, rät der Ordensreformer schließlich zur Anfertigung eines Katalogs, damit si wissend wie vil und was bucher si haben. Der Aufbau einer funktionierenden Bibliothek war zentraler Bestandteil des Reformprozesses und das Amt der buochmeisterinne daher von großer Bedeutung, wie Natalie Bühler bemerkt (107).

Den Buchtypus 'klösterliche Sammelhandschrift' stellt Christopher Martin in Predigt, Traktat, Klostersatire. Eine geistliche Sammelhandschrift (113-120) anhand des Codex Ms. C 76 aus der Zentralbibliothek Zürich vor. Sammelhandschriften spiegeln durch die üblicherweise nach bestimmten inhaltlichen Gesichtspunkten geordneten Texte häufig die Interessen des Nutzers bzw. Zusammenstellers wider. Bei zusammengesetzten Handschriften handelt es sich dagegen um recht willkürlich und unabhängig von ihren Inhalten zu einem Buchblock zusammengefügte Schriften, wie Martin erklärt (113).

Einen komplizierten Fall stellt die Züricher Handschrift Ms. C 76 dar. Ursprünglich eine Sammelhandschrift, erhielt diese durch das spätere Zubinden zweier weiterer Faszikel den Charakter einer zusammengesetzten Handschrift, deren Teile inhaltlich jedoch einander entsprechen. Der erste Teil enthält eine Sammlung der so genannten St. Georger Predigten - eine Sammlung vielseitiger Texte in Gestalt und Inhalt. Die Teile 2 und 3 setzen sich aus Traktaten und Gebeten zusammen (115). Von besonderem Interesse ist eine Vaterunser-Auslegung (172v). Dieser Text befindet sich auch in einer Handschrift aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (198 431), die Meister Eckhart (um 1260-1328) zugeschrieben wird. Tatsächlich befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Züricher Textes unter den Gebeten ein Lobgebet mit fünf Paternostern, welches den dominikanischen Theologen Meister Eckhart als Autor ausweist (116).

Auch die zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstandene Papierhandschrift B 1 Nr. 163 aus dem Freiburger Stadtarchiv [19] enthält unterschiedliche Schriften mit vil gutter lere (146r). Ein Besitzeintrag veranlasste Yao Lu, in ihrem Aufsatz Geteilte Erinnerung: Einblicke in die Textwerkstatt eines Schwesternbuchs (121-126) die Persönlichkeit des ursprünglichen Besitzers und Nutzers sowie seine Beziehung zum Inhalt des Bandes näher zu beleuchten.

Während der erste Teil Predigten, Briefe, Sprüche und Textauszüge aus dem Kontext geistlicher Gebrauchsliteratur reformierter dominikanischer Frauenkonvente umfasst (2r-109r), sind die Texte der Teile zwei und drei, wie z.B. das Sterbebüchlein Speculum artis bene moriendi (1506) oder die Auszüge aus einer Übersetzung der Vita fratris Aegidii (1518/1521), vorwiegend franziskanisch geprägt (121).

Zwei Besitzeinträge bezeugen, dass die Teile zwei und drei der Sammelhandschrift dem urkundlich bezeugten, aus einem oberrheinischen Adelsgeschlecht stammenden Junker Hans von Schönau gehörten (143r, 146r). [20] Dieser lebte seit 1503 als Pfründner zurückgezogen in einem Haus auf dem Grund des Freiburger Reuerinnenkloster St. Maria Magdalena - ohne jedoch seinen Kontakt mit einflussreichen Intellektuellen der Freiburger Universität sowie geistlichen Persönlichkeiten am Oberrhein aufzugeben (121-123). [21] Otto Herdings vermutet, dass Hans von Schönau selbst der Schreiber des dritten Teils der Handschrift gewesen sein könnte und die einzelnen Teile zu einem Codex zusammenbinden ließ. [22]

Zwei Handschriften mit Predigten von Johann Geiler von Kayersberg aus der Bibliothèque municipal Colmar (Ms. 403) und der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe (St. Peter pap. 46-47) stehen im Fokus des Aufsatzes Ein Predigtzyklus unterwegs (127-134) von Eyüp Ertan. Beide Abschriften entstanden für die reformierten Frauenkonvente in Straßburg, Freiburg und Colmar. [23] Der 1445 in Schaffhausen geborene bekannte Prediger vermittelte volksnah und lebendig neue Wege der Frömmigkeitspraxis und übte einen bedeutenden Einfluss auf das religiöse Leben nicht nur am Oberrhein aus (127). [24]

Nicht Geiler von Kayersberg schrieb die Predigten aus Colmar und Karlsruhe auf. Bei diesen Schriften handelt es sich vielmehr um individuelle Rezeptionen und Wiedergaben mündlich vorgetragener Predigten, wie Eyüp Ertan erläutert. Für die Veröffentlichung als so genannte Lesepredigten überarbeitete Geiler derartige Predigtaufzeichnungen, deren Texte in der Regel nach notieren Stichworten verfasst wurden, selbst (128f.).

Eine der bedeutendsten Predigtfolgen Geilers ist der Berg des Schauens - eine Umwandlung von Schriften des französischen Theologen und Kanzlers der Sorbonne Jean Gerson (1363-1429) in Predigten, die sich mit dem kontemplativen Leben des Laien auseinandersetzen. Den Abschluss der Colmarer Handschrift Ms. 403 bilden eine im Dezember 1497 vor den Straßburger Reuerinnen gehaltene Predigtserie über die drei Formen der Nächstenliebe und eine weitere Predigt mit Anweisungen zur Erlangung vollkommener Tugenden (130).

Ein gedrucktes Erbauungsbuch steht im Zentrum des Aufsatzes Gedruckt für Geistliche und Laien. Das Leben der Altväter (135-143) von Hendrik Frenger. Die in der Straßburger Werkstatt des anonymen Druckers des Entkrists vor 1482 entstandene Ausgabe der Leben der Altväter (GW M50904) folgte der 1475 erstmals gedruckten lateinischen Vitaspatrum. Der deutschsprachige Druck, der mit einem Exemplar aus dem Kloster Adelhausen (Freiburg, Stadtarchiv (RARA Ee 167,1) [25] vertreten ist, beruht inhaltlich auf eine einflussreiche, handgeschriebene alemannische Prosafassung aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts - ohne jedoch die Bezüge zur Institution Kloster zu übernehmen. Der mit 150 Holzschnitten ausgestattete Druck sollte sich nicht mehr ausschließlich an Leser und Leserinnen aus dem klösterlichen Kontext richten, sondern die Bedürfnisse von Laien berücksichtigen (136f.).

Tischleserin

Der in Straßburg geborene dominikanische Theologe und Mystiker Johannes Tauler (gestorben 1361) - neben Meister Eckhart und Heinrich Seuse einer der großen deutschen Mystiker des 14. Jahrhunderts - steht im Fokus des Beitrags Fromme Laien, Klosterfrauen und die Predigtsammlung eines Mystikers von Benjamin Torn (154). Tauler wirkte als Prediger in Straßburg, Basel und Köln. [26] Im Mittelpunkt seiner Lehre standen die innere Einkehr und Selbsterkenntnis sowie die Vereinigung der menschlichen Seele mit Gott in mystischer Einheit - Themen die auch in den Texten der in den 1360er Jahren entstandenen Adelhauser Predigtsammlung Hs. 41 [27] aus der Freiburger Universitätsbibliothek Niederschlag fanden.

Dieses Buch gehörte Katharina und Margaretha von Hall (144v), die sich allerdings nicht als Adelhauser Klosterfrauen nachweisen lassen. Eine swester Katherin von Halle wird dagegen in einem Weingeldbuch der Stadt Freiburg aus den Jahren 1390 und 1391 genannt. Benjamin Torn geht davon aus, dass die als swester bezeichnete Frau zur Gruppe der so genannten Beginen gehörte. Torns Spurensuche ergibt ein "dichtes Beziehungsgeflecht zwischen Vertretern der Familie von Hall, Dominikanern und Beginen", das sich über die Orte Basel, Freiburg und möglicherweise auch Straßburg erstreckte (152). Innerhalb dieses Beziehungsgeflechts vermutet Torn die Entstehung der Adelhauser Predigtsammlung, deren Texte in stiller Lektüre rezipiert und möglicherweise auch in klösterlicher Gemeinschaft zu Tisch vorgelesen wurden. (148-150).

Die anschließende Textprobe Johannes Tauler: Predigt über Mt 20,1-16 (=Vetter Predigt Nr. 7) (Auszüge) - eine normalisierte Transkription, die Abkürzungen zur besseren Lesbarkeit des Textes über die üblichen Abbreviaturen hinaus auflöst und Fehler des Schreibers korrigiert - erstellten Robin Hummel und Jan Šlegr (165-167).

Mit einer Abschrift des Schwesternbuchs der Anna von Munzingen befasste sich Zoë Schäuble in Autorin und /oder Abschreiberin? Das »buoch« der Anna von Munzingen (169-181). Den Codex B 1 Nr. 98 aus dem Freiburger Stadtarchiv [28] fertigte Johannes Hull aus Straßburg im Jahre 1433 an (86r). Zoë Schäuble vermutet, dass dem Schreiber eine deutsche Bearbeitung des wohl in lateinischer Sprache geschriebenen Originals vorlag, denn nur Hulls Abschrift bringt Anna Munzinger in einen Zusammenhang mit dem Text des Schwesternbuchs.

Ob Anna von Munzingen die in mystischer und legendarischer Form verfassten Viten Adelhauser Nonnen (1r-76r) ursprünglich selbst verfasst oder ebenfalls abgeschrieben hatte, ist nicht eindeutig geklärt. [29] Zwei sich an Schäubles Aufsatz anschließende Textproben (183-188) - die Vita der Adelheid von Breisach (2v-6r) und die Vita der Elisabeth von Neustadt (51r-63r) - vermitteln dem Leser einen Eindruck von der legendarischen Erzählweise des Schwesternbuchs. Transkribiert wurden die Texte von Liz Brassel, Loredana Duregger, Sophia Maria Schuler, Bettina Geier und Franziska Merz.

Ein frühes deutschsprachiges gedrucktes Gebetbuch ist Gegenstand der Betrachtung in Stefan Matters Beitrag Der Strassburger "Hortulus animae" von 1501. [30] Der lateinische Hortulus animae erschien erstmals am 13. März 1498 in Straßburg bei Wilhelm Schaffener aus Rappoltsweiler und stellte einen Einschnitt in der Gebetbuch-Literatur des Spätmittelalters dar. Die verschiedenen Ausgaben von 1498 bis 1503 unterschieden sich jedoch signifikant in der Zusammenstellung der Texte voneinander. [31]

Der früheste deutschsprachige Druck des Hortulus animae erschien 1501 in der Werkstatt des Straßburger Druckers Johann Grüninger mit dem Titel Wurtzgarten. Für diese Ausgabe wurde die Gesamtkonzeption des Hortulus animae beibehalten, die lateinischen Texte jedoch durch entsprechende deutschsprachige Texte ersetzt. Erst mit der von Johannes Währinger gedruckten Textausgabe Sebastian Brants (1501/1503) avancierte der deutschsprachige Hortulus "zum erfolgreichsten gedruckten Gebetbuch im deutschsprachigen Raum" (194f.). Alle Hortulus-Ausgaben wurden mit kleinformatigen Holzschnitten ausgestattet und waren damit auf die Bedürfnisse eines Laienpublikums ausgerichtet.

Ein Exemplar des Grüningerschen Wurtzgartens von 1501 hat sich in der Freiburger Adelhausenstiftung von 1501 (A 1229/(11474)) erhalten. [32] Gegenüber der lateinischen Hortulus-Version wurde diese deutschsprachige Ausgabe mit Marginalien (Bibelreferenzen und Formulierungsvarianten der übersetzten Texte) sowie einer Angabe der Incipits der lateinischen Vorlage zur Erleichterung der Anbindung des Lesers an die lateinische Texttradition ausgestattet. Ein derartiges Bemühen um ein angemessenes Textverständnis des Laien ist in der Grüninger Druckausgabe von 1501 einzigartig, wie Stefan Matters bemerkt (197).

Für die Erneuerung des geistlichen Lebens setzte sich auch der Theologe und Probst des regulierten Augustiner Chorherrenstifts St. Dorothea in Wien Stephan Landskron (gestorben 1477) ein (202). Mit seiner 1465 verfassten Schrift Die Himelstrass befasste sich Timothy Powell in seinem Beitrag Ein himmlischer Wegweiser Stephan von Landskron: "Die Himelstrass" (201-207). In schlichten und einfeltigen worten und auf anschauliche Art, sollte dieses Werk dem Laien als "katechetischer Wegweiser" religiöses Wissen aus verschiedenen Bereichen des christlichen Glaubens und des Alltagslebens vermitteln. Die Himelstrass verbreitete sich durch mehrfache Abschriften und erschien als Druck erstmals 1484 in der Augsburger Werkstatt des Anton Sorg (GW M43905), später 1501 bei Lucas Zeissenmairs (VD 16 S8920) und 1510 bei Johann Otmar (VD 16 S8921 (202f.). [33]

Stephan Landskrons Werk war nicht nur unter Laien, sondern auch in klösterlichen Kreisen Österreichs und Süddeutschlands beliebt, wie die breite Überlieferung der handgeschriebenen bzw. der gedruckten Himelstrass zeigt. Eine spätmittelalterliche Abschrift des Druckes befand sich spätestens im 17. Jahrhundert auch im Freiburger Predigerkloster (Freiburg, UB, Hs. 248). [34] Die von einer Baseler Schreiberin aus dem Klarissenkloster Gnadental zwischen 1498 und 1500 verfasste Schrift wurde auf Blatt 1r als Trost-Buch der Klosterfrauen betitelt (203f.).

Dem Phänomen einer Auratisierung einer Handschrift geht Gregor Biberacher nach (209-222). Dabei handelt es sich um eine für die Adelhauser Nonnen bedeutungsvolle Handschrift mit einer Sammlung von Heiligenlegenden, die sich heute im Freiburger Stadtarchiv befindet (B 1 Nr. 115). [35] Gregor Biberacher vermutet, dass die Zusammenstellung dieser Handschrift wohl auf das Vorlesen zu Tisch abgestimmt worden war (218).

Ursprünglich stammte das Legendar, das u.a. eine elsässische Übersetzung der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine (ca. 1229-1298) enthält, aus dem reformierten Kloster Liebenau nahe bei Worms. Dieses wurde im Jahre 1425 von Petrus von Gengenbach reformiert. Der erste Teil der Handschrift entstand im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhundert; weitere Lagen kamen um die Mitte des 16. Jahrhunderts dazu (215). Als das Kloster 1570 aufgelöst werden sollte, flüchteten die Nonnen bereits 1565 ins Kloster Mariä Verkündigung in Adelhausen bei Freiburg und nahmen wohl als einzige Handschrift das Legendar mit (222).

Beichtvater

Dem Adelhauser Beichtvater Johannes Meyer ist der letzte Abschnitt der Publikation gewidmet. Im Beitrag Literatur im Dienst der Reform - Autographe des Johannes Meyer beleuchtet Sabrina Marquardt die quellengeschichtlich bedeutende Sammelhandschrift B 1 Nr. 107 aus dem Freiburger Stadtarchiv. [36] Der zu Beginn des 16. Jahrhunderts gebundene Codex enthält verschiedene theologische Texte, darunter Autographe aus der Feder des Dominikaners und Reformers Johannes Meyer, die vermutlich für die Adelhauser Nonnen geschrieben wurden.

Gewinnbringend ist die vertiefte Auseinandersetzung mit den für die Freiburger Frauenklöster wichtigen Schriften Meyers, darunter das Buch der Ämter (1454) und das Buch der Ersetzung (1455), das exemplarische Lebens- und Frömmigkeitspraktiken im Sinne der Observanz vermittelt (228f.). Meyers Excerptum (1482) ist eine Überarbeitung des 1318 entstandenen Adelhauser Schwesternbuchs der Anna von Munzingen. Wie Sabrina Marquardt beobachtete, weist das von der Hand Meyers stammende Excerptum eine Vielzahl an redaktionellen Eingriffen in die Vorlage auf: Erzählungen über Schwestern aus der Folgezeit wurden hinzugefügt, Visionsberichte und Offenbarungen dagegen zurückhaltender als in der Vorlage behandelt (229).

Ebenfalls aus Meyers Feder stammt die Cronica der römischen künigen und keyseren so gewesen sint dsider anfang brediger ordens, die mit dem Tod des Bernhard von Clairvaux (1090-1153) beginnt. Erwähnung finden darin u.a. Visionärinnen des 12. Jahrhunderts, wie die Benediktinerinnen Hildegard von Bingen (1098-1179) und Elisabeth von Schönau (1129-1164) (230).

Obwohl die Reform des Freiburger Klosters St. Maria Magdalena anfänglich nicht ohne Probleme verlief, erwies sich diese insgesamt erfolgreicher als in anderen Freiburger Klöstern. Als "bleibendes Zeugnis der erfolgreichen Reformbemühungen" im Kloster St. Maria Magdalena bewertet Maximilian Krümpelmann die Sammelhandschrift B 1 Nr. 108 aus dem Freiburger Stadtarchiv [37] in seinem Beitrag Praktische Anleitung für ein observantes Klosterleben (241-252). Die von sechs unterschiedlichen Händen wohl im hauseigenen Skriptorium geschriebenen Faszikel, enthalten vier Schriften von Johannes Meyer: das Buch der Ämter, das Buch der Ersetzung, das Excerptum sowie ein Verzeichnis der Provinzialprioren. Die Anordnung der Texte der Sammelhandschrift wirkt auf den ersten Blick willkürlich, denn das Buch der Ersetzung wurde zergliedert eingebunden. Das Kapitel 5 wurde wohl bewusst an den Anfang gestellt, um dort den Selbstvermerk auf das Kloster St. Maria Magdalena (2r) unterzubringen. Eine Eintragung von der Hand Johannes Meyers am Schluss der Schrift (214v) deutet Krümpelmann als eine beabsichtigte Autorisierung der Abschrift.

Die Beziehung der Freiburger Sammelhandschrift B 1 Nr. 108 zu ihren Vorlagen deutet auf enge Verbindungen zwischen den drei observanten Freiburger Dominikanerinnenklöstern. Vergleiche zeigen, dass die Handschrift B 1 Nr. 108 eine direkte Abschrift von B 1 Nr. 147 [38] des Freiburger Nachbarkonvents St. Agnes ist. Als weitere Vorlage für die Sammelhandschrift B 1 Nr. 108, insbesondere für das darin enthaltene Excerptum, könnte möglicherweise B 1 Nr. 107 [39] gedient haben. Denn in B 1 Nr. 107 findet sich ein vollständiges Autograph, welches zwischen 1480 und 1485 entstanden ist und später in die Sammelhandschrift aufgenommen wurde. Wie Krümpelmann bemerkt, weist B 1 Nr. 108 denselben Grundtext wie B 1 Nr. 107 auf, ist allerdings bis auf den Schlusspassus nicht von Meyers Hand geschrieben.

Einer komplexen Provenienzproblematik nahmen sich Johanna Eckes und Lis Gleisen in Rätselhafte Überlieferungswege eines Doppelbandes mit Werken von Johannes Meyer an (253-263). Im Mittelpunkt ihrer genealogischen Spurensuche steht der Doppelband B 1 Nr. 202/203 aus dem Freiburger Stadtarchiv [40] und dessen Verknüpfungen mit Handschriften aus den ehemaligen Dominikanerinnenklöstern St. Nikolaus in Straßburg, Maria Himmelskron in Hochheim und Liebenau bei Worms sowie Adelhausen bei Freiburg.

Im Doppelband enthalten sind Meyers Leben der Brüder des Predigerordens (B 1 Nr. 202), die Papstchronik des Predigerordens (B 1 Nr. 203, 1r-71v) sowie die Epistel brieffe zuo den swestern prediger ordens (B 1 Nr. 203, 71v-74r). Bei der letzteren Schrift handelt es sich um eine Gebrauchsanweisung für den richtigen Umgang der Ordensschwestern mit den Texten in B 1 Nr. 202/203. Einen Auszug aus dieser Schrift bieten Silas Pfeiffer und Joy Sheik in Textprobe. Johannes Meyers "Epistel brieffe zu den swestern brediger ordens" (Auszüge) (255, 265-267).

Der letzte Beitrag Dominikanische Selbstvergewisserung und Anweisung für ein reformiertes Klosterleben. Eine Auswahledition aus Johannes Meyers "Buch der Ersetzung" von Björn Klaus Buschbeck, Annalena Dostalek, Mareike Elisa Reisch und Anna Velia Vogel wartet am Ende mit einer Besonderheit auf: Dem Leser liegt hier die erstmalige Edition eines von zwei Teilen des Buchs der Ersetzung von Johannes Meyer vor. [41] Während Meyers Buch der Ämter bereits in einer modernen Edition erschienen ist und dessen hagiographische Schriften in älteren Ausgaben und Drucken überliefert sind, blieb das Buch der Ersetzung bislang unediert. Mit der Teiledition leisteten die Bearbeiter dieser wichtigen Quelle einen wertvollen wissenschaftlichen Beitrag, denn das Buch der Ersetzung vermittelt aufschlussreiche Einblicke in die "Identitätskonstruktionen und geistliche Lebensansprüche spätmittelalterlicher Klosterschwestern und ihrer Seelsorger" (270).

Fazit

Die hohe Informationsdichte der Texte - die auch als Abschlusspublikation eines universitären Großprojekts fungiert - dürften den interessierten Ausstellungsbesucher gefordert haben. Die oft sehr detailliert diskutierten Probleme bezüglich Provenienz und Textgeschichte sind stellenweise nicht einfach zu folgen. Für diesen Lesertypus dürften jedoch die Informationen zu Einbänden, Pergamentherstellung, Schreiberhänden, Buchstabenmorphologie und gemaltem Buchschmuck sowie über das Leben im Kloster gewinnbringend sein. Dem fachwissenschaftlichen Leser fehlen dagegen Referenznummern von Datenbanken zu Einbänden (EBDB) und Wasserzeichen (WZIS) sowie des Gesamtverzeichnisses der Wiegendrucke (GW); diese sind jedoch den bibliographischen Informationen und wissenschaftlichen Beschreibungen der aufrufbaren Digitalisate schnell und unkompliziert zu entnehmen.

Zu bedauern ist es, dass es nicht gelungen ist, Sponsoren für eine materiell und bindungstechnisch hochwertigere Ausstattung des Bandes zu gewinnen. Die mit großem Engagement verfassten Essays, die auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse einschließlich einer erstmalig erschienenen Teiledition des Buchs der Ersetzung von Johannes Meyer vorlegen, hätten es verdient, in überdauernder und wertschätzender Gestalt ins Bücherregal gestellt zu werden. Das Exemplar der Verfasserin dieser Rezension hat die intensive Lektüre leider nicht unversehrt überstanden.


Anmerkungen:

[1] Johannes Meyer: Buch der Ämter, Kap. 14. Vgl. buochmeisterinne 2021, S. 106.

[2] Beginen waren Frauen, die allein oder in einer kleinen Gemeinschaft ein geistliches Leben führten, ohne ein klösterliches Gelübde abzulegen.

[3] Vgl. Sebastian Bock: Vom Nonnenkloster zur weltlichen Stiftung. Die Geschichte der Dominikanerinnen und der Adelhausenstiftung in Freiburg i. Br. Rostock 2016.

[4] Nicht jedoch die Exkommunikation, die Erteilung einer Absolution, die Abnahme der Beichte, die Aussprechung eines Interdikts und die Erteilung der Sakramente, die den höchsten kirchlichen Gewalten vorbehalten waren.

[5] Jörg Voigt befasste sich mit folgenden Urkunden: Freiburg, StadtA, A 1 XVI Aa; Freiburg, StadtA, A 1 XVI Aa; Karlsruhe, GLA, 21, Nr. 2558.

[6] Fehler! Linkreferenz ungültig.>; urn:nbn:de:bsz:25-digilib-182284

[7] Freiburg, Adelhausenstiftung, A 1205/(11723), A 1206/(11724); Badische Landesbibliothek Karlsruhe (Cod. Don. 424); Freiburg, Erzbischöfliches Archiv, Hs. 5).

[8] Vgl. Clytus Gottwald: Die Musikhandschriften der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung. Wiesbaden 1979.

[9] urn:nbn:de:bsz:25-digilib-182624.

[10] Ordinarium/Nottel, Lektionarium, Antiphonarium.

[11] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/adhs-11723/0001 (11.04.2022).

[12] urn:nbn:de:bsz:25-digilib-182284 (11.04.2022).

[13] Der zugehörige erste Teil befindet sich in der Handschrift Freiburg, Adelhausenstiftung A 1210/(11728).

[14] Geburt Mariens, fol. 163v; Krönung Mariens, fol. 137v; hl. Katharina von Alexandrien, fol. 244r.

[15] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hss219/0133 (11.04.2022).

[16] urn:nbn:de:bsz:25-digilib-184914 (11.04.2022).

[17] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sta-b1-147/0002 (11.04.2022).

[18] Meyer nennt folgende Kategorien: A: materien der bibel, B: Auslegungen und Kommentare, C: theologische Schriften der Kirchenlehrer, D: Schriften der Altväter und Märtyer, E: Geschichtsbücher und Chroniken. buochmeisterinne 2021, S. 107.

[19] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sta-b1-163/0086 (11.04.2022).

[20] Das Anniversar des Reuerinnenklosters (Freiburg, StadtA, B 1 Nr. 160, Bl. 67r) nennt einen edel und fest Junckherr hans von Schönöw der Jünger.

[21] Hans von Schönau pflegte Kontakte u.a. zu Geiler von Kaysersberg (1445-1510) und dem Priester und Humanist Jakob Wimpfeling (1450-1528). Die Kopie eines 1511 entstandenen Porträts von Hans von Schönau im Mönchsgewand bewahrt die Heiliggeistspitalstiftung (Inv. Nr. H 1010).

[22] Otto Herdings: Das Testament des Hans von Schönau (1480-1527), in: Freiburger Diözesan-Archiv 99 (1979), S. 95-171.

[23] Das predge buoch (11) (Ms. 403) entstand im Colmarer Dominikanerinnenkloster Unterlinden im Jahre 1504. Es enthält verschiedene Zyklen von Predigten, die u.a. für die Reuerinnen des Klosters St. Maria Magdalena in Straßburg und für die Adelhauser Nonnen gehalten wurden.

[24] Nach seinem Studium der Theologie in Freiburg und Basel und übernahm er 1478 das Amt eines Predigers an der St. Lorenz Kirche in Straßburg und wirkte von 1486 bis zu seinem Tode im Jahre 1510 am Straßburger Münster.

[25] urn:nbn:de:bsz:25-digilib-162021

urn:nbn:de:bsz:25-digilib-162021 (11.04.2022).

[26] Von Johannes Tauler sind 80 Predigten überliefert. Ein Zentrum der frühen Tauler-Rezeption entstand in Basel Mitte des 14. Jahrhunderts.

[27] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hs41/0290 (11.04.2022).

[28] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sta-b1-098/0001 (11.04.2022).

[29] Vgl. Martina Backes: Anna von Munzingen. Frauenmystik in Freiburg, in: Auf Jahr und Tag. Leben im mittelalterlichen Freiburg, hg. von Heinz Krieg u. a., Freiburg 2017, S. 51-67.

[30] Vgl. Stefan Matters demnächst erscheinenden Aufsatz: Der »Hortulus animae › - ein Archiv mittelalterlicher Gebetbuchliteratur. In: Homo orans. Das Gebet im Christentum und in anderen Religionen, hg. von Mariano Delgado und Volker Leppin, Stuttgart 2022 (Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte 30). Matter weist darauf hin, dass die verschiedenen Ausgaben im Hinblick ihrer Textzusammenstellung noch nicht eingehend untersucht worden ist (191).

[31] Matter weist darauf hin, dass die verschiedenen Ausgaben im Hinblick ihrer Textzusammenstellung noch nicht eingehend untersucht worden ist (191).

[32] urn:nbn:de:bsz:25-digilib-182297 (11.04.2022).

[33] Ein seltenes aus dem Dominikanerinnenkloster Adelhausen stammendes Exemplar des Augsburger Druckers Johann Otmar von 1510 ist im Freiburger Stadtarchiv aufbewahrt (RARA Eh 69,2).

[34] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hs248/0205 (11.04.2022).

[35] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sta-b1-115/0245 (11.04.2022).

[36] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sta-b1-107/0462 (11.04.2022).

[37] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sta-b1-108/0354 (11.04.2022).

[38] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sta-b1-147/0377 (11.04.2022).

[39] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sta-b1-107/0462 (11.04.2022).

[40] http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sta-b1-202/0313; urn:nbn:de:bsz:25-digilib-163833 (11.04.2022).

[41] Die Auswahledition folgt der nur drei Jahre nach Abfassung des Buchs der Ersetzung entstandenen Leithandschrift Bloomington (Indiana), Lilly Library, Ricketts Ms. 198 (135r-138r). Vgl. buochmeisterinne 2021, S. 171, 178.

Rezension über:

Martina Backes / Balázs J. Nemes (Hgg.): buochmeisterinne. Handschriften und Frühdrucke aus dem Dominikanerinnenkloster Adelhausen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 13. März bis 13. Juni 2021 im Stadtgeschichtlichen Museum Freiburg (= Stadt und Geschichte. Neue Reihe des Stadtarchivs Freiburg im Breisgau; 24), Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 2021, 296 S., farb. Abb., ISBN 978-3-923272-47-1, EUR 12,00

Rezension von:
Ulrike Carvajal
Staatsbibliothek Bamberg
Empfohlene Zitierweise:
Ulrike Carvajal: Rezension von: Martina Backes / Balázs J. Nemes (Hgg.): buochmeisterinne. Handschriften und Frühdrucke aus dem Dominikanerinnenkloster Adelhausen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 13. März bis 13. Juni 2021 im Stadtgeschichtlichen Museum Freiburg, Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 2021, in: sehepunkte 22 (2022), Nr. 9 [15.09.2022], URL: https://www.sehepunkte.de/2022/09/37282.html


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