sehepunkte 25 (2025), Nr. 1

Rosemarie Burgstaller: Inszenierung des Hasses

Die Wahrnehmung der nationalsozialistischen Propaganda wird bis heute stark von der engen Symbiose geprägt, die sie mit den Massenmedien ihrer Zeit einging. Joseph Goebbels' Stimme aus dem Radio, Leni Riefenstahls Filme der Parteitagschoreografien sowie unzählige Hitlerfotos in Illustrierten dürften die häufigsten Assoziationen mit dem Thema sein. Dass damit die mediale Bandbreite der Propaganda mitnichten abgedeckt ist, legt nun Rosemarie Burgstaller in ihrer Studie über die "Inszenierungen des Hasses" dar. Ihre als Dissertation an der Universität Wien entstandene Arbeit untersucht erstmals systematisch die Feindbildausstellungen des NS-Regimes und beleuchtet somit ein bisher wenig beachtetes Massenmedium der nationalsozialistischen Diktatur.

Dass es sich bei den Feindbildausstellungen um ein Massenmedium im wörtlichen Sinn handelt, macht Burgstaller gleich zu Beginn der Arbeit deutlich. Sie hat rund 2600 Ausstellungen erhoben, die während des Dritten Reichs von einem Millionenpublikum gesehen wurden. Der Begriff der Feindbildausstellung - und die Auswahl - folgt dabei keinem zeitgenössischen Konzept, sondern dient ihr als übergreifende Analysekategorie: Als Feindbildausstellungen definiert Burgstaller die Schauen, die sich inhaltlich ganz oder in einzelnen Abschnitten gegen einen konkreten Gegner richteten. Die in den Ausstellungen markierten Gegner konnten dabei Ideologien, Staaten oder einzelne Personengruppen sein - Ziel war immer deren Stigmatisierung und die Beweisführung, dass diese bekämpft und vernichtet werden mussten. Daraus ergibt sich das breite Sample an Veranstaltungen, deren gemeinsamer Nenner der darin kommunizierte rassistische und antisemitische Hass war.

Die Studie gliedert sich in drei Teile, die grob an einer weiteren analytischen Ausdifferenzierung der Ausstellungen angelehnt sind: Das erste Kapitel umfasst, gewissermaßen als Vorstufe, antisemitische Propaganda durch Wirtschafts- und Leistungsschauen. Das zweite behandelt Feindbildausstellungen im engeren Sinn, also konkret zu einem Feindbild ausgerichtete Veranstaltungen wie etwa "Antisowjetschauen". (200) Das dritte Kapitel schließt chronologisch daran an, hier wird es die Ausstellungstätigkeit im Krieg nachgezeichnet. Diese eher fließenden, nicht immer trennscharfen Übergänge machen jedenfalls deutlich, wie schnell sich das breite Feld der Feindbildausstellungen entwickelte und wie rasch sich deren Inhalte radikalisierten.

Der erste Abschnitt zu Antisemitismus in Wirtschafts- und Leistungsschauen thematisiert gleich zu Beginn zwei zentrale Institutionen für die Durchführung der Ausstellungen, den Werberat der deutschen Wirtschaft und das Institut für Deutsche Kultur- und Wirtschaftspropaganda. Dabei zeigt die Autorin nicht nur die frühen und umfassenden Bemühungen des Propagandaministeriums auf, mittels solcher Institutionen die Kontrolle über den Ausstellungsbereich zu erhalten. Sie belegt auch die Kompetenzstreitigkeiten und Misswirtschaft, unter denen deren Tätigkeit die meiste Zeit über litt. Die Studie beinhaltet somit zugleich eine Institutionsgeschichte der mit den Ausstellungen betrauten Einrichtungen. Allerdings wirken diese über das gesamte Buch verteilten Einschübe und gelegentlichen Unterkapitel manchmal wie Exkurse, die der Stringenz der Erzählung nicht immer zugutekommen. Erkenntnisreich ist die Analyse der Ausstellungen im ersten Kapitel: An Beispielen wie den "Braunen Messen" oder den "Ostmarkschauen" legt Burgstaller schlüssig dar, wie das NS-Regime vermeintlich besonders deutsche oder nationalsozialistische Leistungen mit antisemitischen Negativfolien kontrastierte, um erstere umso deutlicher erstrahlen zu lassen. "Deutsches Handwerk" etwa wurde "jüdischem Ramsch" gegenübergestellt, um so selbst die einfachsten Erzeugnisse mit NS-Ideologie aufzuladen. Die im Band akribisch dokumentierte, massenhafte regionale Verbreitung solcher Schauen zeigt, dass deren Botschaften ein Millionenpublikum erreichte.

Im zweiten Kapitel des Hauptteils rücken die Feindbildausstellungen im engeren Sinne in den Fokus, darunter mehrere "Antibolschewistische Schauen" (178) sowie die wohl bekannteste Hass-Ausstellung, "Der ewige Jude". Hier leistet die Studie eine eindrucksvolle Rekonstruktion und Analyse insbesondere der Ausstellungen, die bisher noch kaum erforscht waren. Neben den Unterlagen der beteiligten Institutionen sind es vor allem Bildquellen, zeitgenössische Presseberichte und unveröffentlichte, teils auch kritische Aufzeichnungen einzelner Besuchender, die einen nuancierten Einblick in den Aufbau und die Intention der einzelnen Schauen bieten. Burgstaller setzt sich zudem kritisch mit den Besucherzahlen auseinander, die meist nur durch die NS-Presse überliefert sind und teils deutlich überhöht sein dürften. Leer waren die Ausstellungen jedoch keineswegs: Organisierte Besuche von Soldaten, Parteigruppierungen und Schulklassen sorgten in einigen Fällen für das gewünschte Publikum. Zudem sprachen die aufwändig und effektvoll gestalteten Ausstellungen nicht zuletzt den Voyeurismus der Besuchenden an.

Der letzte Teil der Arbeit zu den Feindbildausstellungen während des Kriegs schließt fast nahtlos an das vorhergehende Kapitel an, betont aber die besondere Dynamik, die nach 1939 einsetzte. Nun wurde der Hass in Ausstellungsform in großem Umfang in die besetzten Länder exportiert, vereinzelt sogar als eigens konzipierte Großausstellungen wie 1941 in Paris. An der Ostfront wiederum nutzte man mobile Freiluft- oder Schaufensterausstellungen, die, teils in hundertfacher Ausführung, Städte und Dörfer gleichermaßen erreichten. Gemeinsam war allen Bemühungen das Ziel, die deutsche Kriegführung zu legitimieren, für Kollaboration zu werben und die antisemitische Vernichtungspolitik zu rechtfertigen. Gerade der letzte Punkt war, wie die Autorin überzeugend darlegt, eine maßgebliche Triebfeder der propagandistischen Anstrengungen und korrespondierte mit der Entwicklung der Vernichtungspolitik.

Rosemarie Burgstaller hat mit "Inszenierungen des Hasses" eine detaillierte und erkenntnisreiche Darstellung über Feindbildausstellungen im Nationalsozialismus vorgelegt. Die intensiv aus den Quellen gearbeitete Studie macht deutlich, in welchem Ausmaß und mit welcher Zielsetzung dieses Massenmedium genutzt wurde, und welche Akteure daran beteiligt waren. Auch wenn die Ausführungen zur Institutionengeschichte stellenweise etwas langatmig geraten sein mögen, liefert die Arbeit insgesamt einen wichtigen Forschungsbeitrag - sowohl für die Intention und Wirkung der hier akribisch untersuchten Ausstellungen als auch für das weitere Feld der NS-Propaganda.

Rezension über:

Rosemarie Burgstaller: Inszenierung des Hasses. Feindbildausstellungen im Nationalsozialismus, Frankfurt/M.: Campus 2022, 498 S., 79 s/w-Abb., ISBN 978-3-593-50189-5, EUR 54,00

Rezension von:
Sebastian Peters
Institut für Zeitgeschichte München - Berlin
Empfohlene Zitierweise:
Sebastian Peters: Rezension von: Rosemarie Burgstaller: Inszenierung des Hasses. Feindbildausstellungen im Nationalsozialismus, Frankfurt/M.: Campus 2022, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 1 [15.01.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/01/37763.html


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