Der Literaturwissenschaftler und Experte für britische Autoren des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (D.H. Lawrence, T.S. Eliot, Percy Bysshe Shelley u.a.) John Worthen widmet sich mit seinem Band zu Henry Marten, einem der sogenannten Königsmörder, zum ersten Mal dem 17. Jahrhundert und dem Kontext der britischen Bürgerkriege.
Sein Fokus liegt insbesondere auf den Jahren 1660-1662, als Marten nach der Restauration der Monarchie im Frühjahr 1660 im Tower gefangen gehalten und ihm wegen seiner Beteiligung an der Ermordung Karls I. der Prozess gemacht wurde. Der Hauptteil des Buches (Kap. 2-8) gibt eine anschauliche Beschreibung der Ereignisse in London (und England) direkt nach der Restauration auf Basis der subjektiven Erfahrungen eines Protagonisten, nämlich Henry Martens. Worthen stellt vor allem die Beziehung zwischen Marten, der von seiner Ehefrau getrennt lebte, und seiner damaligen Lebenspartnerin Mary Ward, in den Mittelpunkt, auf der Basis einer Briefedition von 1662, die von einem Gegner Martens herausgegeben wurde. Dieser problematische Hintergrund der Briefe, die wohl im Zuge des Prozesses und der Verurteilung konfisziert wurden, wird zwar erwähnt, aber nicht ausreichend untersucht. So bleibt unklar, ob die Originale noch vorhanden sind, ob es zu Änderungen, Ergänzungen und Streichungen am Text kam und welche Rolle der Herausgeber generell spielte.
Derartige Erläuterungen würde man von einer geschichtswissenschaftlichen Untersuchung erwarten. Allerdings ist unklar, ob das Werk sich als eine solche Studie verstanden wissen will, und wie überhaupt das gesamte Buch einzuordnen ist. Denn es ist keine Biographie, keine kritische Studie des Umgangs mit dem Regizid an Karl I., aber auch keine narrative Nacherzählung der Ereignisse. Es gibt auch nur einen sehr kurzen wissenschaftlichen Handapparat (Index und Endnoten, keine Bibliographie).
Das Buch bringt, auf der positiven Seite, die Erfahrungen der Gefangenschaft im Tower (Kap. 2 und 3), des öffentlichen Prozesses in Old Bailey (Kap. 4 und 5), der Folgen der Verurteilung (Kap. 6) sowie der Parlamentsdiskussionen im House of Commons und im House of Lords (Kap. 7 und 8) anschaulich dem Leser nahe. Worthen nutzt zahlreiche direkte Quellenzitate (aus bekannten Druckeditionen), sowie immer wieder die Erfahrungen von Marten als Gentleman sowie Member of Parliament in den 1640er und 1650er Jahren und seine Beziehung zu Ward, basierend auf den genannten Briefen, um einen subjektiven Eindruck der Zeit zu vermitteln. Wie fast schon typisch für angelsächsische Literatur zum frühneuzeitlichen Großbritannien, muss der Leser jedoch mit den prinzipiellen Abläufen und Namen vertraut sein. Erklärungen, sei es, wer George Monck war (General unter Cromwell, der maßgeblich an der Restauration der Stuart-Dynastie 1660 beteiligt war), oder was das Old Bailey ist (Strafgericht in London), werden nicht abgegeben. Gravierender ist jedoch, dass auch Erklärungen und Analysen fehlen, warum einige der des Königsmords Angeklagten im Oktober 1660 direkt hingerichtet werden, während andere, wie auch Henry Marten, erst noch die parlamentarische Entscheidung nach der Gerichtsverurteilung abwarten mussten. Um es vorwegzunehmen, Marten wurde trotz seiner Verurteilung nicht hingerichtet, sondern letztendlich nach Wales ins Exil und Gefangenschaft geschickt, wo er 1680, im Alter von 78 Jahren, starb.
John Worthen: Regicide. The Trials of Henry Marten, London: Haus Publishing 2022, XXIX + 214 S., 20 s/w-Abb., ISBN 978-1-913368-35-7, GBP 20,00
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