sehepunkte 25 (2025), Nr. 4

Adrian Kammerer: Der dominikanische Drittorden

Adrian Kammerers Monographie bietet eine fundierte und detaillierte Untersuchung der Rolle des Drittordens der Dominikaner im deutschsprachigen Raum des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Die Arbeit ist die erste umfassende Studie zu diesem Thema und schließt eine bedeutende Forschungslücke in der Ordens- und Frömmigkeitsgeschichte des Spätmittelalters. Kammerers analytischer Ansatz kombiniert eine detaillierte Quellenanalyse mit einem umfassenden historischen und sozialen Kontext, wodurch ein differenziertes Bild der Drittordensbewegung entsteht.

Das Werk gliedert sich in mehrere thematische Abschnitte. Nach einer ausführlichen Einleitung, die die Zielsetzung, den methodischen Ansatz und den Forschungsstand darlegt, folgt eine detaillierte Analyse der institutionellen Struktur des Drittordens. Kammerer untersucht dabei nicht nur die rechtlichen und spirituellen Grundlagen, sondern auch die hierarchische Organisation innerhalb des Ordens. Besondere Aufmerksamkeit widmet er der Rolle von Frauen im Drittorden und deren Einfluss auf religiöse und soziale Reformbewegungen.

Ein zentraler Teil der Studie befasst sich mit den lokalen Gemeinschaften und ihrer Einbindung in die dominikanische Ordensstruktur. Anhand umfangreicher archivalischer Quellen, insbesondere aus Klosterarchiven, stellt Kammerer dar, wie der Drittorden in die gesellschaftlichen und religiösen Netzwerke der jeweiligen Zeit integriert war. Dabei geht er detailliert auf individuelle Biografien ein und zeigt, wie einzelne Mitglieder des Drittordens zur religiösen Entwicklung ihrer Regionen beitrugen. Die Wechselwirkungen zwischen Laienfrömmigkeit und klösterlicher Disziplin werden differenziert beleuchtet, wobei Kammerer insbesondere die Spannungen und Konflikte herausarbeitet, die sich aus diesen Interaktionen ergaben.

Ein weiteres Kapitel behandelt die Verbreitung und Bedeutung des Drittordens im deutschsprachigen Raum. Hier bindet Kammerer quantitative und qualitative Analysen aneinander, um aufzuzeigen, welche Regionen besonders stark von dieser Bewegung geprägt wurden und welche Faktoren zur unterschiedlichen regionalen Entwicklung beitrugen. Neben der institutionellen Verankerung des Drittordens analysiert er die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die das Wachstum und den Einfluss der Bewegung begünstigten oder hemmten.

Besondere Beachtung findet in der Studie die Reformationszeit und deren Auswirkungen auf den Drittorden. Kammerer zeigt auf, wie sich die Umbrüche der frühen Neuzeit auf die Mitgliederstruktur, die Ordensregelungen und die allgemeine Wahrnehmung des Drittordens auswirkten. Die Untersuchung bietet hier neue Erkenntnisse darüber, inwiefern der Drittorden als Vermittler zwischen katholischen und reformatorischen Strömungen fungierte.

Besonders hervorzuheben ist Kammerers quellenkritischer Ansatz. Er stützt sich auf eine breite Basis an Primärquellen, von denen mehrere noch unveröffentlicht sind, darunter Klosterchroniken, Regelwerke, Predigten, Korrespondenzen und Ratsprotokolle. Die methodische Verknüpfung historischer, theologiegeschichtlicher und sozialwissenschaftlicher Perspektiven ermöglicht eine differenzierte Analyse der komplexen Wechselwirkungen zwischen institutionellen und individuellen Frömmigkeitspraktiken. Insgesamt zeichnet sich die Studie durch eine akribische Quellenarbeit aus.

Ein großer Vorzug des Werkes ist seine umfassende und detaillierte Darstellung des Drittordens, die nicht nur die institutionelle, sondern auch die individuelle Frömmigkeitsperspektive berücksichtigt. Die strukturierte Argumentation und die klare Sprache machen es auch für Leser zugänglich, die nicht mit der Materie vertraut sind. Kammerers methodische Vielschichtigkeit und sein interdisziplinärer Zugang tragen dazu bei, ein nuanciertes Bild des Drittordens zu zeichnen.

Jedoch weist die Studie auch einige Schwächen auf. Bedauerlich ist der starke (zugegebenermaßen im Titel angekündigte) Fokus auf dem deutschsprachigen Raum. Vergleichsbeispiele aus anderen europäischen Regionen wurden nur am Rande mitbehandelt. Eine breitere Perspektive hätte die Bedeutung der Drittordensbewegung im gesamteuropäischen Rahmen noch deutlicher konturiert. Auch wenn Kammerer einige übergreifende Entwicklungen skizziert, bleibt der Schwerpunkt auf den deutschsprachigen Ländern.

Zudem sind einige Passagen der Arbeit recht technisch und detailreich, was das Verständnis für Leser erschweren kann, die nicht tief in der Thematik verankert sind. Besonders die umfangreiche Quellenanalyse könnte für Nicht-Spezialisten eine Herausforderung darstellen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die relative Vernachlässigung der wirtschaftlichen Dimension des Drittordens. Während Kammerer die sozialen und institutionellen Aspekte intensiv untersucht, bleiben die finanzielle Struktur und die wirtschaftlichen Grundlagen der Gemeinschaften unterbeleuchtet. Dies wäre besonders relevant gewesen, um die Nachhaltigkeit und den langfristigen Einfluss des Drittordens besser zu verstehen.

Adrian Kammerers Monographie ist eine herausragende Untersuchung zur religiösen Geschichte des Spätmittelalters. Die detaillierte Analyse, die umfassende Quellenbasis und die differenzierte Methodik machen das Werk zu einer wertvollen Ressource für Historiker, Theologen und Sozialwissenschaftler gleichermaßen. Die Studie füllt eine bedeutende Forschungslücke und bietet neue Erkenntnisse zur religiösen Praxis und Organisation des Drittordens. Trotz kleinerer Kritikpunkte stellt die Monographie eine wesentliche Bereicherung für die Forschung dar und wird sicherlich als Standardwerk zur Geschichte des Drittordens im deutschsprachigen Raum etabliert werden.

Rezension über:

Adrian Kammerer: Der dominikanische Drittorden. Studien zum deutschsprachigen Raum im 15. und frühen 16. Jahrhundert (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens. Neue Folge; Bd. 28), Berlin: De Gruyter 2024, X + 219 S., ISBN 978-3-11-132354-1, EUR 99,95

Rezension von:
Spyridon P. Panagopoulos
Patras
Empfohlene Zitierweise:
Spyridon P. Panagopoulos: Rezension von: Adrian Kammerer: Der dominikanische Drittorden. Studien zum deutschsprachigen Raum im 15. und frühen 16. Jahrhundert, Berlin: De Gruyter 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 4 [15.04.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/04/39555.html


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