Almut Bues / Igor Kakolewski (Hgg.): Die Testamente Herzog Albrechts von Preußen aus den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts (= Deutsches Historisches Institut Warschau. Quellen und Studien; Bd. 9), Wiesbaden: Harrassowitz 1999, 215 S., ISBN 978-3-447-04127-0, EUR 45,00
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Herzog Albrecht, der erste weltliche Regent in Preußen, verfasste in den 1560er-Jahren in Zusammenarbeit mit seinen Beratern Regierungsgrundsätze und Erziehungsrichtlinien für seinen einzigen Sohn, den 1553 geborenen Albrecht Friedrich, und regelte testamentarisch seine Nachfolge im Herzogtum. Die Schriften entstanden in einer Zeit religiös-politischer Unruhen: theologische Auseinandersetzungen um die Rechtfertigungslehre des von Albrecht massiv geförderten Reformators Andreas Osiander, Kämpfe zwischen dem Herzog und den Ständen, Aufstieg und Sturz einer Gruppe so genannter neuer Räte, die Albrechts Schwiegersohn, Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg, zur Vormundschaft über den minderjährigen Erben verhelfen und die mecklenburgische Erbfolge im Herzogtum beim Aussterben der preußischen Zollern etablieren wollte. Die politischen Probleme wurden verschärft durch Krankheit und Schwäche des über 70-jährigen Herzogs nach einem Schlaganfall. Hinzu kam große Sorge um die Entwicklung des Erben, die trotz sorgfältiger Erziehung und Unterweisung nur mühselig Fortschritte machte. Etwa um 1565 machten sich bei dem Jungen Anzeichen psychischer Krankheit und geistiger Verwirrung bemerkbar. Er sollte sich bald nach seinem Herrschaftsantritt (1569) als regierungsunfähig erweisen.
Diese Komplikationen und Wirren werfen ein besonderes Licht auf die in dieser Edition versammelten Dokumente mit Vermächtnis- und Ordnungscharakter. Der Herzog und die Prinzenerzieher sahen in besonderem Maße die Notwendigkeit, den künftigen Regenten auf seine Aufgaben vorzubereiten und die Verhältnisse am Hof, in der Beamtenschaft, in Wirtschaft und Verwaltung vorausblickend zu regeln.
Ausgehend von diesen Intentionen klassifizieren die Herausgeber die vier edierten Schriften als Testamente beziehungsweise als politische Testamente, auch wenn sie aus quellentypologischer Sicht sehr unterschiedlich daherkommen. Der erste Text, die 1561 auf Initiative von Albrecht Friedrichs Hof- und Zuchtmeister verfasste "Unterweisung und Lehre", will den Erben für seine Regierungs- und Lebensführung theologisch-religiös unterrichten. Er besteht aus einer von Herzog Albrecht eigenhändig geschriebenen Einleitung, gefolgt von neunzehn Kapiteln zur christlichen Moral und zu theologischen Kernstücken (Glaubensbekenntnis, Gottesverständnis, Trinitätslehre). Die Schrift bricht unvermittelt ab - für Walther Hubatsch, Albrechts Biografen, ein Hinweis, dass der Herzog angesichts der geistigen Verfassung seines Sohns den Plan einer anspruchsvollen theologischen Instruktion resigniert aufgab.[1]
1565 entschloss sich Albrecht nichtsdestotrotz, erneut von den Erziehern um eine Regierungslehre gebeten, seinem Sohn "eine christliche unterrichtung furzuschreiben". Dieses hier erstmals gedruckte politische Testament sui generis bietet zunächst in vier Kapiteln alles, "was ein christlicher furst als ein christ wissen soll" über Ursprung und Wesen der Obrigkeit, eine Wohlfahrt garantierende Amtsausübung des Fürsten, die Vereinbarkeit von Christentum und weltlicher Regentschaft sowie die Verwaltung des Fürstenamts. An diese "christliche Unterrichtung" schließt sich ein "Register" mit 24 Kapiteln, die zum Teil ausgeführt sind, zum Teil nur Überschriften und Stichpunkte, wohl zur späteren Ausarbeitung, enthalten, an. Sie behandeln, nach einer Zusammenfassung der vorangehenden Kapitel, konkrete Belange der Haushaltung und Regierung, der Auswahl und des Umgangs mit der Dienerschaft, der Kanzleitätigkeit, der Wirtschaftsführung und Vorratshaltung, der Gebäudeinstandhaltung und so weiter, bis hin zu Empfehlungen für eine Landes- und eine Hofgerichtsordnung. Das Kriegswesen wird mit dem Hinweis auf einschlägige Literatur übergangen. Gegen Ende wird deutlich, dass das "Register" nicht unmittelbar für Albrechts Sohn bestimmt war. Albrecht erhält nämlich den Rat, er solle, "ehe denn daß alles also ins werck gestellet werden mag", die Quintessenz der besten Fürstenspiegel zusammenstellen und seinem Sohn "als sonderliche sentenz anstadt des lateins" zum Auswendiglernen vorlesen lassen, "durch welche seine furstliche gnaden quasi ludendo lerneten, das zu furstlicher zucht und tugend dienete." Über eine generell sinnvolle didaktische Anregung hinaus könnte man hier einen weiteren Hinweis entdecken, dass die Auffassungsgabe des Nachfolgers nicht sehr hoch eingeschätzt wurde.
De facto zielte das "Register" auf Reformen am Hof und in der Kanzlei, die ständische Rechte beschneiden sollten (vergleiche die Einleitung, 23f.). Sein Verfasser war der Hofprediger Johannes Funck aus der Gruppe der "neuen Räte". Er wurde 1566 mit anderen Beamten im Zuge einer ständischen Revolution gegen den Willen des Herzogs angeklagt und hingerichtet. Die eingeleiteten Reformen wurden aufgehoben und die unter dem Einfluss der neuen Räte entstandenen Erziehungsrichtlinien unter Verschluss genommen (Einleitung, 9). Es handelt sich hier also um ein aus zeitgenössischer Perspektive höchst brisantes Dokument.
Der dritte hier edierte Text, eine Ordnung zur Erziehung des Nachfolgers von 1565, wird von den Herausgebern als eine praktische Ergänzung zu dem vorangehenden politischen Testament angesehen (Einleitung, 27). Sie regelt die Dienstpflichten des Personals, das Albrecht Friedrich zur Erziehung, Unterrichtung, Pflege, Aufwartung und Geselligkeit zugeordnet wurde - Hofmeister, Präzeptor, Substitut, Kämmerer, Knaben -, sowie den alltäglichen Tagesablauf. Um ein Testament handelt es sich nicht, auch wenn die Anweisungen letztlich auf die Zurichtung und Vorbereitung des künftigen Regenten zielen.
Das vierte und letzte Dokument aus dem Jahr 1567 schließlich, von den Herausgebern als Albrechts persönliches beziehungsweise privat-politisches Testament eingestuft (34), ist trotz persönlicher Bestimmungen über das Begräbnis sowie zu Stiftungen und Legaten in nuce ein politisches Testament, da es die Nachfolge im Herzogtum Preußen regelt, ferner die Ausstattung der Töchter, die Vormundschaft über den Nachfolger, die Landessicherheit, ständische Rechte und so weiter. Der Text entspricht wortwörtlich Albrechts Testament von 1555, das er nach der Geburt seines Erben aufgesetzt hatte. Dieses war 1566 auf Betreiben der Fraktion um Albrechts Schwiegersohn durch ein neues Testament zu Gunsten der mecklenburgischen Linie ersetzt worden. Mit dem Rückgriff auf das Testament von 1555 wurde die Erbfolge der Zollern beim Aussterben der preußischen Linie im Mannesstamm wiederhergestellt. Der Erbfall trat schon wenige Jahre später ein: Beim Tod Albrecht Friedrichs 1618, nach langen Jahren unter Vormundschaft, fiel Preußen an die brandenburgische Linie des Hauses Zollern.
Die Edition der vier zuvor teils ungedruckten, teils unvollständig oder unzulänglich gedruckten Quellen mit der instruktiven Einleitung in deutscher und polnischer Sprache bereichert, über den preußischen Rahmen hinaus, die Forschungen zur fürstlichen Politik, zum Amtsverständnis lutherischer Landesherren, zur Fürstenerziehung und zur Hoforganisation. Abschließend nur zwei Kritikpunkte: Nicht ganz geglückt erscheinen die Versuche der quellentypologischen Einordnung, die mit diffusen Kategorien ("monarchisch-didaktische Literaturgattung", "didaktisch-politisches Testament", "privat-politisches Testament" et cetera) operieren. Im Anhang hätte man sich neben der Auflistung von Albrechts Testamenten, dem Nachweis der zitierten Bibelstellen und dem Personen- und Sachregister ein Verzeichnis der in den Fußnoten zitierten Literatur gewünscht sowie eine vollständigere Stammtafel, auf der von Albrechts Geschwistern nicht nur die Brüder, die die Kindheit überlebten, mit einem Teil ihrer Nachkommen verzeichnet wären.
Anmerkung:
[1] Walther Hubatsch: Albrecht von Brandenburg-Ansbach. Deutschordens-Hochmeister u. Herzog in Preußen 1490-1568, Heidelberg 1960, 279.
Cordula Nolte