Arturo Pacini: La Genova di Andrea Doria nell'Imero di Carlo V (= L'officina dello storico; 5), Florenz: Leo S. Olschki 1999, 694 S., ISBN 978-88-222-4785-8, EUR 67,14
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Das 16. Jahrhundert, genauer gesagt, die Jahrzehnte nach dem für die genuesische Geschichte zentralen Wendepunkt 1528, stellt, zumal unter ökonomischen Gesichtspunkten, eine der glänzendsten Phasen der Geschichte der ligurischen Metropole dar. Dieser Epoche, die von ihm als Zeitalter Andrea Dorias verstanden wird, widmet sich Arturo Pacini in seiner zweiten großen Monografie über die Geschichte der frühneuzeitlichen Republik. Hat er sich in seinem ersten Werk vor allem den innergenuesischen Voraussetzungen für die grundlegende Verfassungsrevision von 1528 gewidmet [1], behandelt er nunmehr die Folgen der grundlegenden Veränderungen dieses Epochenjahrs und legt dabei, ohne die inneren Entwicklungen zu vernachlässigen, den Akzent auf die Stellung Genuas im "Impero" Karls V., wobei "Impero" eindeutig das spanisch-habsburgische Reich und nicht etwa das Heilige Römische Reich meint, dessen Kaiser Karl ja immerhin auch war (allerdings wird auch das Verhältnis der Republik zum römisch-deutschen Reich im Verlauf der Darstellung ansatzweise beleuchtet).
Den vier in der Einleitung ausgeführten Fragen geht Pacini in sieben systematischen, in sich chronologisch aufgebauten Kapiteln nach. Das erste ("La nuova Repubblica nella fase cruciale delle guerre d'Italia") beschäftigt sich ausführlich mit den Jahren 1528 und 1529, in denen die Eingliederung Genuas in das System des Reichs Karls V. erfolgte, konkret vor allem mit der Rolle der Republik in dem spanisch-französischen Konflikt bis zum Frieden von Cambrai. Für die Stellung Genuas in dem spanisch-habsburgischen "Impero" hat Pacini die passende Formel "beschützte Freiheit" ("libertà protetta", 49) gewählt.
Ist das erste Kapitel den Außenbeziehungen Genuas gewidmet, wendet sich das zweite ("La rifondazione della repubblica") der neuen Verfassung von 1528 zu, einer streng oligarchischen Verfassung, die durch ein kompliziertes System von Checks and Balances das Ende der in der Vergangenheit so fatalen inneren Spaltung herbeizuführen suchte und das Gesicht der Republik nachhaltig veränderte. Pacini beschränkt sich nicht auf das Anführen von Verfassungsnormen, sondern schildert auch deren Umsetzung und Ausgestaltung, besonders eindringlich für den Fall der "Rota civile". Auch die Neuorganisation der kirchlichen Verhältnisse wird in diesem Kapitel knapp dargestellt.
Das dritte Kapitel ("Ruoli economici e gerarchie di potere") wendet sich einem in der genuesischen Geschichte der Frühen Neuzeit besonders spannenden Problem zu, das dementsprechend auch in der bisherigen Forschung schon große Aufmerksamkeit gefunden hat: dem Verhältnis von politischer und wirtschaftlicher Macht. Pacini behandelt dieses Thema unter anderem am Beispiel Andrea Doria, aber auch anderer wichtiger Persönlichkeiten, wie Sinibaldo Fieschi, immer vor dem Hintergrund der Stellung Genuas im Reich Karls V. Besonders ausführlich widmet er sich den "Origini dell' 'Impero de los genoveses' ". In diesem Teil kann er sich mehr als in anderen Partien des Buches auch auf die Forschungen anderer stützen, so auf die monumentale Studie von Carande [2], über den er aber zumindest in Teilen hinausgeht. Das Kapitel schließt mit Ausführungen über innere politische Spannungen in den ersten Jahren nach 1528.
Das vierte Kapitel ("La libertà genovese tra Francia e Impero") kehrt zum Thema der genuesischen Außenpolitik zurück und behandelt die Stellung der Republik in den weiteren habsburgisch-französischen Auseinandersetzungen bis in die Mitte der 1540er Jahre. Hier ist "Impero" einmal nicht ausschließlich spanisch-habsburgisch zu verstehen. Ging es doch bei der Verteidigung der genuesischen "libertà" auch um die umstrittene Stellung Genuas als einer "civitas imperialis" bzw. um die inhaltliche Füllung dieses Begriffs. Dass der Rezensent sich eine etwas ausführlichere Behandlung dieses Problems gewünscht hätte, mag an seinen eigenen Forschungsinteressen liegen ...
Mit dem fünften Kapitel (" 'Donde se da forma de aver dineros': Genova nella finanza dell'Impero di Carlo V") knüpft Pacini an Aspekte des dritten an. Im wesentlichen chronologisch wird hier der finanzielle Beitrag der Genuesen zu den verschiedenen großen politischen Projekten Karls V. - Abwehr der osmanischen Offensive in Ungarn, Tunis-Unternehmen, Invasion der Provence, Algier-Unternehmen, neuer Krieg mit Frankreich und Schmalkaldischer Krieg - seit den 1530er Jahren, aber auch in den Jahren relativer Ruhe evaluiert.
Die Kehrseite des Anschlusses an das Spanien KarlsV. war die Gegnerschaft Frankreichs. Diesem Problem geht Pacini im sechsten Kapitel (" 'L'abolition de la commerce génoise': un irraggiungibile miraggio del re di Francia") nach und vermag zu zeigen, dass Franz I. trotz aller Animositäten gegen die Republik eine konsequent antigenuesische Politik nicht dauerhaft ins Werk zu setzen vermochte.
Mit seinem siebten und letzten Kapitel ("Un sistema politico a più dimensioni: ceti e fazioni nella Genova di Andrea Doria") knüpft Pacini an das dritte an. Nach einer Analyse der Binnenstrukturen der genuesischen "nobiltà" in den 1530er und 1540er Jahren mündet das Kapitel - und damit das gesamte Buch - in die Darstellung der wohl bekanntesten Episode der genuesischen Geschichte des 16. Jahrhunderts, der Fieschi-Verschwörung von 1547, und der daraus resultierenden Folgen. Die Überwindung dieser inneren und äußeren Krise, im Zuge deren sich Andrea Doria einmal mehr besonders um seine Vaterstadt verdient machte, war die Voraussetzung dafür, dass Genua auch in der zweiten Jahrhunderthälfte eine bedeutende Rolle innerhalb der "orizzonti dell'impero ispano-asburgico" (671) zu spielen vermochte, so dass diese Jahrzehnte zum eigentlichen Höhepunkt des "secolo dei genovesi" wurden. Mit dieser Feststellung schließt nicht nur das Kapitel, sondern das gesamte Buch, da eine resümierende Zusammenfassung, welche die bemerkenswerten Ergebnisse der Untersuchung noch einmal hätte zusammenführen und neu gruppieren können, leider fehlt.
Zur Bearbeitung seines weiten inhaltlichen Spektrums stützt sich Pacini auf ein eindrucksvolles Quellencorpus. Neben den einschlägigen Beständen der Archive in Genua und Simancas hat er auch zahlreiche andere italienische und spanische Archive und Bibliotheken herangezogen, so die Archivi di Stato in Lucca, Massa, Napoli und Siena und das Archivo de la Corona de Aragón in Barcelona sowie die Biblioteca Nacional in Madrid. Aber auch Bestände französischer Institutionen, wie der Archives Nationales und der Bibliothèque Nationale in Paris, hat Pacini für seine Darstellung ausgewertet. Man mag die teilweise sehr quellennahe und minutiöse Darstellung in einzelnen Passagen als etwas ermüdend empfinden, angesichts weithin fehlender Vorarbeiten war ein anderes Verfahren gar nicht möglich - hätte sich Pacini mit seiner Argumentation doch sonst auf weiten Strecken quasi im luftleeren Raum bewegen müssen.
Seinen besonderen Wert besitzt der Band sicherlich in der Aufarbeitung der von der bisherigen Historiografie zumeist vernachlässigten Außenpolitik der Republik. In der gelungenen Verknüpfung von Diplomatie-, Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte wird man das Buch, das damit allen Ansprüchen moderner Politikgeschichte genügt, als einen Markstein betrachten können, an dem niemand, der sich mit genuesischer Geschichte in der Mitte des 16. Jahrhunderts beschäftigt, mehr vorbei wird können.
Der Band wird durch ein Personenregister erschlossen. Bedauerlich ist jedoch, dass ein Quellen- und Literaturverzeichnis fehlt.
Anmerkungen:
[1] Arturo Pacini: I presupposti politici del "secolo dei genovesi": la riforma del 1528 (= Atti della Società Ligure di Storia Patria; N.S. 30,1 = 104, Fasc.1), Genova 1990.
[2] Ramón Carande: Carlos V y sus banqueros, 3 Bde., Neuauflage Barcelona 1990.
Matthias Schnettger