Stiftung Miniaturensammlung Tansey im Boman-Museum Celle (Hg.): Miniaturen des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Tansey. Bearbeitet von Bernd Pappe, Juliane Schmieglitz-Otten und Dietrun Otten. Aufnahmen von Birgit Schmedding, München: Hirmer 2002, 336 S., 146 Abb., davon 134 farbig, ISBN 978-3-7774-9570-5, EUR 75,80
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Der prachtvoll ausgestattete Band ist der zweite, der der Miniaturensammlung des Ehepaars Liselotte Tansey von Rautenkranz und Ernest H. Tansey gewidmet worden ist. Während zuvor ein Überblick über den gesamten Sammlungsbestand geboten wurde [1], konzentriert sich die vorliegende Publikation auf Bildnisminiaturen des 19. Jahrhunderts. Drei Beiträge - verfasst von Bernd Pappe und Dietrun Otten - beleuchten einleitend einzelne Aspekte des Themas. Darauf folgt ein 133 Nummern umfassender, alphabetisch nach Künstlernamen gegliederter Katalogteil, in welchem jeweils auf der rechten Seite das besprochene Objekt abgebildet wird. Die Miniaturen - durchgängig mit ihrem Rahmen gezeigt - sind vor einem hellgrauen, leicht strukturierten Hintergrund sehr vorteilhaft präsentiert. Zumeist werden sie in Originalgröße gezeigt, sodass sich die Qualität der preziösen Feinmalerei unmittelbar erschließt. Auf der linken Seite finden sich die Besprechungen: Neben den technischen Daten werden in der umfangreichen Legende teilweise Angaben zur Provenienz gemacht, sowie Spezialliteratur genannt. Es folgt eine kritische Betrachtung des Werkes unter Berücksichtung der Biografie der Dargestellten, soweit diese identifiziert sind, und eine formal-stilistische Einordnung des Bildnisses. Auf den Katalog folgt ein Verzeichnis der Künstlerbiografien, sodass im Katalogteil auf diese in der Regel verzichtet werden konnte. Eine umfassende Bibliografie und ein Künstlerindex runden den Band ab.
Umfang und Zusammensetzung der Sammlung, die sich seit 1997 im Rahmen einer Stiftung im Bomann-Museum Celle befindet, sind im ersten Band dargestellt worden. Dementsprechend fällt Bernd Pappes einleitender Text ("Porträtminiaturen des 19. Jahrhunderts in der Sammlung Tansey", 9-10) vergleichsweise kurz aus. Die Sammlung besticht durch die herausragende Qualität der Objekte und verdeutlicht, warum gerade das ausgehende 18. und das 19. Jahrhundert als letzte Blüte der Porträtminiatur gelten, bevor diese auf dem Stand ihrer höchsten technischen Perfektion von der Fotografie verdrängt wurde. Fast alle bedeutenden Miniaturisten der Zeit sind mit wenigstens einem Beispiel vertreten; auf Grund der Vorlieben des Sammlerpaares konzentriert sich der Bestand jedoch vorwiegend auf die kontinentale Porträtminiatur, dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf Frankreich und Österreich. Diesen Gebieten sind dementsprechend die einführenden Artikel gewidmet.
Zunächst zeichnet Pappe anhand der Pariser Ateliers von Jean-Baptiste Jacques Augustin und Jean-Baptiste Isabey, "führende Vertreter ihres Fachs im ausgehenden 18. und erstem Drittel des 19. Jahrhunderts" (11) die Ausbildung zum Miniaturmaler nach ("Ausbildung im Miniaturmalen für Künstler und Dilettanten: Die Ateliers von Augustin und Isabey in Paris", 11-29). Unter Heranziehung der Atelierpraxis bei Jacques-Louis David gelingt es dem Autor, das Problem der schlechten Quellen- und Literaturlage meisterhaft zu kompensieren. Interessant ist seine Feststellung, dass Vorlagen und Materialien eines Miniaturmalers deutlich weniger Platz beanspruchten, als diejenigen eines Staffeleimalers, und dass auf Grund der kleineren Malgründe die "Gefahr der Verschmutzung des Arbeitsumfeldes" gering war (18). Die Ateliers der Miniaturmaler hatten daher häufig den Charakter eines Salons. Dies wiederum erhöhte ihre Attraktivität für die Kunden: Nicht nur konnten diese in einer angenehmen und ihrem Stand angemessenen Umgebung Modell sitzen, nicht selten dilettierten sie selbst in dieser Kunstform (18). Nach Darstellung des Unterrichtsverlaufs in seinen aufeinander aufbauenden Stufen - Vermittlung theoretischer Grundlagen, Zeichenunterricht, Kopieren von Werken des Meisters - kennzeichnet der Autor die Zusammensetzung der Schüler in den beiden Ateliers, von denen einige später eigene Ateliers betrieben.
Dietrun Otten setzt sich in ihrem Artikel ("Schöne Wienerinnen. Wiener Porträtminiaturen von Moritz Michael Daffinger und seinen Zeitgenossen", 30-40) mit der Wiener Porträtminiatur der ersten Jahrhunderthälfte auseinander. Im Zentrum steht dabei Moritz Michael Daffinger, der französische (Isabey) und englische (Thomas Lawrence) Einflüsse zu einem eigenständigen Stil synthetisierte und der mit dem Typus der "schönen Wienerin" das beherrschende Modell der österreichischen Bildnisminiatur schuf (33). Interessant ist auch die Beobachtung einer unterschiedlichen Präsentation männlicher und weiblicher Modelle (33-34). Abschließend präsentiert die Autorin Zeitgenossen, Schüler und Nachfolger Daffingers und entwirft so ein umfassendes Panorama der österreichischen Bildnisminiatur.
Mit diesen einführenden Texten sind der besondere Charakter, aber auch die sozio-kulturelle Bedeutung der Bildnisminiatur im betrachteten Zeitraum umrissen; zudem begegnen dem Leser bereits hier viele der im Katalogteil vertretenen Künstler. Die namentlich gekennzeichneten Katalogbeiträge wurden neben Pappe und Otten von Juliane Schmieglitz-Otten, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bomann-Museum, verfasst. Die Texte bieten fast durchgängig stilistische Einordnungen und eine kritische Diskussion technischer Feinheiten. Die Autoren konnten in einigen Fällen Datierungen und Zuschreibungen korrigieren; so ist es beispielsweise gelungen, eine bislang als Bildnis Isabeys geltende Miniatur als Selbstporträt seines Schülers André Léon Larue, genannt Mansion, zu identifizierten (Nummer 81, Seite 202).
Durch den reichen Bestand der Sammlung werden auch sukzessive Veränderungen der Porträtkonventionen nachvollziehbar: So konfrontiert Daffingers um 1835 entstandene "Dame im weißen Kleid" mit dem zumeist für Adelsfamilien reservierten "Typus des 'portrait en pleine parade'", in welchem die "gesellschaftliche Stellung des Modells und dessen Wunsch nach Repräsentation" durch opulentes Beiwerk unterstrichen werden (Nummer 31, Seite 102). Den Wandel des Geschmacks dokumentiert dann zum Beispiel Gabriel Deckers Bildnis einer "Dame in grauem Kleid" von 1850 (Nummer 37, Seite 114), in welchem die Bedeutung von Accessoires und Umraum zugunsten einer Konzentration auf die Dargestellte minimiert sind. Dass vor allem bei weniger bekannten Künstlern die Katalogbeiträge manchmal sehr knapp gehalten sind, ist angesichts der schlechten Literaturlage fast selbstverständlich.
Die Bedeutung der vorliegenden Publikation kann kaum überschätzt werden, da hier im Grunde der Bildnisminiatur des 19. Jahrhunderts erstmals eine eigene Publikation gewidmet ist. [2] Der im Klappentext formulierte Anspruch, ein "wissenschaftliches Standardwerk zur europäischen Miniaturmalerei des 19. Jahrhunderts" zu bieten, wird in jeder Hinsicht eingelöst: Die Beiträge von Pappe und Otten bieten dem Leser hervorragende Einführungen in ein kaum bekanntes Gebiet; zu einzelnen Miniaturen können zudem neue Forschungsergebnisse vorgelegt werden. Das auf den ersten Blick bedauerliche Fehlen eines Beitrages zur Maltechnik resultiert aus dem Reihencharakter der Publikation: Bernd Pappe verweist auf seinen entsprechenden Beitrag im ersten Band zur Sammlung Tansey (22). Abschließend sei noch auf die herausragende Qualität der von Birgit Schmedding angefertigten Farbaufnahmen hingewiesen, die den opulenten Prachtband zu einem Kleinod werden lassen.
Anmerkungen:
[1] Stiftung Miniaturensammlung Tansey im Bomann-Museum Celle (Hg.): Miniaturen aus der Sammlung Tansey. Bearbeitet von Dietrun Otten / Bernd Pappe. Bildbeschreibungen: Dietrun Otten / Juliane Schmieglitz-Otten. München: Hirmer 2000.
[2] Einen Überblick über den Forschungsstand gibt Otten, 30.
Ekaterini Kepetzis