Uta Lindgren / Karl Schnith / Jakob Seibert (Hgg.): Sine ira et studio. Militärhistorische Studien zur Erinnerung an Hans Schmidt (= Münchener Historische Studien. Abt. Mittelalterliche Geschichte; Bd. 7), Kallmünz: Michael Laßleben 2001, XXX + 229 S., 28 Abb., ISBN 978-3-7847-4207-6, EUR 21,50
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Hans Schmidt (1930-1998), der über Jahrzehnte an der Münchener Universität wirkte, war, wie Bernd Roeck in seinem biografischen Essay (IX-XVIII) schildert, vor allem ein großer akademischer Lehrer; die Zahl seiner Veröffentlichungen blieb relativ klein. Gerade mit einigen schmalen Studien zu unbeachteten Aspekten der frühneuzeitlichen Militärgeschichte, mit seinen klugen Rezensionen hat er gleichwohl für lange Zeit mehr Wirkung entfaltet als manche Vielschreiber. Auch war er einer der ganz wenigen Hochschullehrer, die militärgeschichtliche Arbeiten anregten und betreuten - und das schon in Zeiten, in denen dieses erst neuerdings geradezu schick gewordene Sujet noch als äußerst unfein missachtet wurde. Dass er die Ehrung durch den vorliegenden Band und eine weitere noch umfänglichere, in zwei Bänden erschienene Gedächtnisschrift [1] erst nach seinem Tode erhielt, kennzeichnet eine gewisse Tragik des Gelehrtenlebens.
Nun sind Festschriften und Gedenkschriften eine durchaus eigenartige Gattung unter den wissenschaftlichen Publikationen, eng mit akademischen Traditionen namentlich der deutschen Universität verbunden. Anders als bei normalen Sammelbänden stehen an ihrem Anfang nicht ein spezifisches Konzept oder eine Tagung, die eine Reihe von Forschern zur gemeinsamen Arbeit an einem Thema vereint (dies zumindest in der Idealvorstellung), sondern ein Datum in einer persönlichen Biografie. Das einende Band der Autoren ist in erster Linie ihre Beziehung zur Person des Geehrten. Im Fall der Festschrift zum runden Geburtstag erlaubt dies zumindest in der Theorie immerhin langfristige Planung; die Gedenkschrift wird durch das traurige Ereignis mehr oder minder plötzlich veranlasst. Diese prinzipiell ungünstige Voraussetzung muss man dem vorliegenden Band in jedem Fall zugute halten. Er ist in vieler Hinsicht ein Exempel für die Problematik einer solchen Publikationsform.
Das hier zu besprechende Buch beinhaltet neben der einleitenden Würdigung Roecks und dem letzten unveröffentlichten Aufsatz Schmidts "Der Dreißigjährige Krieg in Mitteleuropa und auf dem Balkan" nicht weniger als 15 Beiträge auf nur 227 Seiten. Chronologisch umfassen sie einen Zeitraum vom 5. Jahrhundert vor Christi Geburt bis zum Zweiten Weltkrieg und reichen thematisch von der Kriegsschuldfrage in den griechisch-persischen Kriegen über die Bedeutung schwerer Geschütze vor Konstantinopel 1453 und militärische Fragen im Werk Veit Ludwig von Seckendorffs bis zur Planung des Westfeldzugs 1940. Der Band demonstriert damit durchaus das Spektrum der Interessen des Geehrten, dessen Schüler- und Freundeskreis sich weit über enge Fach- und Epochengrenzen hinaus erstreckte. Viele Beiträge sind freilich ausgesprochen dünn geraten, und das nicht nur, weil einige weniger als zehn Seiten umfassen. Bei manchen wirkt der Bezug auf die Militärgeschichte mehr verkündet als eingelöst, bei anderen befremdet die Lässigkeit, mit der bruchstückhafte Miszellen, die rezensionsartige Zusammenfassung einer Quellenedition und sogar Auszüge eines Gutachtens über eine bei Schmidt angefertigte Dissertation aus der Schublade geholt und der buchbinderischen Synthese zugeführt wurden.
So wirkt die Lektüre mancher spannend betitelter Beiträge leider schnell ernüchternd. Aber es sind natürlich auch einige darunter, die die Heranziehung des Bandes lohnend machen. So verweist Erwin Riedenauers Beitrag über kaiserliche Standeserhebungen für Angehörige des Militärstandes von Karl V. bis Karl VI. (65-83) auf die Ergiebigkeit prosopographischer Untersuchungen für die frühneuzeitliche Militärgeschichte und macht Hoffnung auf mehr. Ein bisher erstaunlicherweise völlig vernachlässigtes Thema reißt Uta Lindgren mit ihrer Untersuchung "Schlachtenpläne und Kartographie im 18. Jahrhundert" (127-154, mit 16 Abbildungen) an, in der sie am Beispiel eines Konvoluts zeitgenössischer Pläne der Schlacht von Hastenbeck (1757) den Wert solcher Karten überprüft. Auch wenn man bezweifeln kann, ob die Fragestellung nach einer "richtigen" Geländeerfassung weiterführt, ist doch schon der Hinweis auf die zentrale Quellengattung der frühen militärischen Karten und Pläne sehr zu begrüßen.
Eine gerechte Beurteilung sämtlicher Aufsätze kann von einem einzelnen Rezensenten angesichts der Breite der behandelten Forschungsfelder allerdings nicht geleistet werden. So muss auch die Hervorhebung zweier wertvoller Beiträge aus dem Bereich der frühneuzeitlichen Militärgeschichte als subjektive Auswahl gelten, die kein generelles Urteil über die nicht genannten dreizehn weiteren impliziert. Alles in allem überwiegt die Skepsis gegenüber derartigen Sammelpublikationen, deren gemeinsamer Nenner für die über den unmittelbaren Kreis der Schüler und Kollegen des Geehrten hinausgehende Fachöffentlichkeit kaum erkennbar ist.
Anmerkung:
[1] Arte & Marte. In Memoriam Hans Schmidt - Eine Gedächtnisschrift seines Schülerkreises, Bd. 1: Marcus Junkelmann: Theatrum Belli. Die Schlacht von Höchstädt 1704 und die Schlösser von Schleißheim und Blenheim; Bd. 2: Josef J. Schmid (Hg.): Aufsätze, Herzberg 2000.
Daniel Hohrath