Simon Harris: Sir Cloudesley Shovell. Stuart Admiral, Stapllhurst: Spellmount Publishers 2001, XV + 431 S., ISBN 978-1-8622-7099-2, USD 39,95
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"Stuart Admiral" lautet der Untertitel von Simon Harris' Buch und gibt so immerhin den Hinweis, dass es sich um die Biografie eines englischen Marineoffiziers aus dem 17. Jahrhundert handeln muss. Cloudesley Shovell selbst nämlich wird wohl nur wenigen bekannt sein - zu Unrecht bei einer Biografie, die ihn wegen seiner Beteiligung an und Leistungen in fast allen bedeutenden Seeschlachten seiner Zeit zum populärsten Admiral des frühen 18. Jahrhunderts werden ließ.
Die wichtigsten Stationen dieses Lebenslaufes (1650-1707) umfassen die Kriege gegen die Niederlande, das Verbrennen der (Piraten-)Flotte im Hafen von Tripolis 1676, die Seeschlacht von Bantry Bay 1689 mit nachfolgendem Ritterschlag, den Sieg über die Franzosen bei Barfleur, die Eroberung Gibraltars und die Schlacht vor Malaga, weitere Einsätze im Mittelmeer und eine Rolle bei der Eroberung von Barcelona sowie schließlich 1707 Shovells Tod bei einem Flottenunglück an den Western Rocks.
Genau wie dieser Abriss seines Lebens liest sich die Biografie Shovells mehr wie eine Biografie der englischen beziehungsweise britischen Flotte des späten 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts. Harris arbeitet sich chronologisch durch das Leben seines Helden. Abgesehen von einigen wenigen Verweisen auf Shovells Privatleben handelt das Buch fast ausschließlich von dessen Zeit auf See. Schlachten werden von Patrouillen, Konvoidiensten bei der Sicherung des englischen Kanals und der Vorbereitung der Schiffe für neue Unternehmen unterbrochen. Harris geht es dabei aber nicht darum, eine "problemorientierte" Biografie zu schreiben, die anhand von Shovells Leben die Marine seiner Zeit behandelt. Die Aktionen seines Protagonisten bleiben immer im Vordergrund, Wissen über Marineverwaltung, Logistik und den Seekrieg dieser Zeit erwirbt man als Leser eher nebenbei.
Aus vergleichsweise einfachen Verhältnissen stammend, tat Shovell sich auf See schnell hervor. Seine kritische Haltung gegenüber Jakob II. und vor allem seine kontinuierlichen Leistungen erhielten ihm nach der Glorreichen Revolution das Wohlwollen der Krone. Wilhelm von Oranien lernte Shovell schätzen und gab ihm beinahe durchgängig das Kommando über die Flotte, die den König im Frühjahr zu seinem Heer auf den Kontinent und im Herbst wieder nach England eskortierte. Vor diesem Hintergrund ist der Untertitel des Buches vielleicht auch ein wenig unpassend gewählt: Shovell erwarb zwar seine Sporen unter den Stuarts, erreichte seinen größten Wirkungskreis aber erst nach der Revolution; er war kein Jakobit und ist trotz seines guten Verhältnisses zu Königin Anna eher durch die Gleichzeitigkeit mit den Stuarts zu assoziieren.
Mehr als einem Königshaus scheint Shovells Aufmerksamkeit Flotte und Nation gegolten zu haben, und Harris zeichnet das Bild eines pflichtbewussten, integren Kapitäns, eines Experten auf seinem Feld, der sich besonders für das Wohl seiner Untergebenen einschließlich der einfachen Seeleute einsetzte. Loyalität spielte eine große Rolle im Leben dieses Mannes, Loyalität zur Flotte, seinen Klienten, seiner Familie und zur Nation. Über die Zeichnung dieser schon fast preußischen Helden-Figur hinaus bleibt sein Bild blass. Diese Darstellung liegt wohl zum Teil auch daran, dass sich Harris für die wenigen persönlicheren Hinweise, wie etwa dass Shovell seiner Frau treu gewesen sei, oft auf die von einem "anonymous gentleman who had served under him" (4) veröffentlichten "Secret Memoirs of Sir Cloudesley Shovell" stützt, aus denen man wenig Kontroverses oder Unübliches erwarten kann. Shovell selbst kommt ausführlich in Briefen und Schlachtberichten zu Wort, die aber fast nur Militärisches behandeln und so indirekt das Bild über ihn verstärken. Hinzu kommt noch, dass über Shovells erste Jahre auf See wenig bekannt ist und Harris deshalb einfach die Fahrten seiner Patrone schildert, bei denen Shovells Anwesenheit aber nicht immer mit letzter Sicherheit verbürgt ist.
Weitaus detaillierter ist Harris in der Schilderung der Schlachten, Kampagnen und Gefechte, an denen Shovell teilnahm beziehungsweise in denen er das Kommando führte. Abgesehen davon, dass Harris die erste umfangreiche wissenschaftliche Biografie Shovells vorlegt, liegt hierin auch der Wert des Buches. Stehen zunächst noch Seegefechte im Vordergrund, kann Harris beispielsweise bei seiner Schilderung der Einnahme Barcelonas die Interaktion zwischen Heer und Flotte herausstellen, die bei allen behandelten amphibischen Operationen besonders interessant ist. Die kontinuierlichen Aktivitäten Shovells im Mittelmeer vermitteln die militärische Bedeutung, die diese Region bereits im 17. Jahrhundert für England hatte. In Harris' Behandlung stehen mehr praktische Aspekte der Machtausübung, wie sie sich als konkrete Probleme vor Ort dem Befehlshaber stellten, im Vordergrund. Besonders die kontinuierlichen Schwierigkeiten bei Logistik und Ausrüstung der Flotten vermitteln ein Bild von der Leistungsfähigkeit wie auch den Einschränkungen der englischen Seemacht. Dabei wird auch hier erneut deutlich, dass im 17. Jahrhundert die britische Seeherrschaft noch keineswegs eine ausgemachte Sache war, wie die neuere Forschung immer wieder herausstellt.
Nicht nur die Schwierigkeit, längerfristige Flottenoperationen auf See zu ermöglichen, auch technische Grenzen der Seefahrt dieser Zeit werden deutlich. So ist beispielsweise die Katastrophe, in der Shovell 1707 mit 2000 anderen Seeleuten den Tod fand, auf Navigationsprobleme zurückzuführen, die den spät im Jahr von Spanien heimkehrenden Admiral glauben ließen, seine Flotte steuere geradewegs in den englischen Kanal und nicht auf gefährliche Klippen zu. Erfreulicherweise endet Harris nicht mit dem Tod Shovells, sondern behandelt auch noch die Gerüchte um die Schiffskatastrophe und die öffentliche Reaktion sowie das Staatsbegräbnis, das Shovell nach der Bergung seines Leichnams erhielt. Etwas im Dunklen bleibt aber, warum trotz der Popularität Shovells und des großen öffentlichen Interesses an seiner Person die Begräbnisprozession, an der rund hundert Kutschen und Fuhrwerke teilnahmen, kaum auf Interesse stieß, ja ein "disappointment" (368) gewesen sei.
Welches Fazit lässt sich nun über dieses Buch ziehen? Zuerst einmal schließt es, wie schon erwähnt, mit der Biografie Shovells eine Lücke in der Forschung. Äußere Ereignisse, politische und wirtschaftliche Strukturen der Zeit et cetera werden so weit behandelt, wie sie den Lebenslauf des Admirals direkt berühren. Harris verdeutlicht von Anfang an die besondere Position Shovells als Seemann und Flottenführer. Damit hat er seine selbst gestellte Zielsetzung auch zweifelsohne erfüllt: "The intention of this biography is to accord Cloudesley Shovell proper recognition as one of the greatest mariners in England's naval history" (XV). Das Buch empfiehlt sich insofern allen, die sich mit Shovell und seiner maritimen Rolle, seinen Gefechten und militärischen Operationen und den Seekriegen seiner Zeit befassen wollen. Wer Biografien bevorzugt, die mehr den Charakter ihres Protagonisten behandeln oder die Person stärker unter allgemeinen, problemorientierten Gesichtspunkten diskutieren (zu denken wäre für diese Zeit beispielsweise an Jens Metzdorfs Biografie von Francis Hare [1]), wird den "Stuart Admiral" mit den genannten Einschränkungen lesen müssen.
Anmerkung:
[1] Jens Metzdorf: Politik - Propaganda - Patronage. Francis Hare und die englische Publizistik im Spanischen Erbfolgekrieg, Mainz 2000.
Torsten F. Reimer