Thomas Weiss (Hg.): Oranienbaum - Huis van Oranje. Wiedererweckung eines anhaltinischen Fürstenschlosses. Oranische Bildnisse aus fünf Jahrhunderten (= Kataloge und Schriften der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz; Bd. 21), München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2003, 396 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-422-06419-5, EUR 29,80
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Anlass der Ausstellung, deren umfangreicher Katalog hier zu besprechen ist, war die Umwidmung von Schloss Oranienbaum bei Dessau in ein Museumsschloss, nachdem das Gebäude von 1947 bis November 2002 das ehemalige Anhaltische Staatsarchiv beherbergt hatte. Die von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz konzipierte und durchgeführte Ausstellung behandelte zwei Themen: zum einen das Schloss mit seiner Geschichte und seinem aktuellen, in einer vielversprechenden Restaurierung begriffenen Zustand, zum anderen die Genealogie des Hauses Oranien, die anhand von gemalten und gedruckten Bildnissen vom 15. bis zum 20. Jahrhundert dargestellt wurde.
Schloss Oranienbaum erhielt seine heutige Gestalt und seinen sprechenden Namen im Auftrag von Henriette Catharina von Anhalt-Dessau, einer geborenen Prinzessin von Oranien-Nassau und seit 1659 Gemahlin des Fürsten Johann Georg II. von Anhalt-Dessau. Die Anlage wurde 1681-85 zunächst als Landsitz mit einflügeligem Hauptbau und zwei Kavalierhäusern errichtet, seit 1698 durch Anfügen von Seitenflügeln als Witwensitz erweitert. Der in der ersten Phase auf den niederländischen Baumeister Cornelius Ryckwaert zurückgehende Bau ist im Äußeren sparsam gehalten. Um ein vieles prächtiger war die überaus kostbare Innenausstattung. Anhand eines nach dem Tod der Bauherrin (1708) erstellten Sachinventars, anhand von zeitgenössischen Beschreibungen und vor allem anhand von Briefen und Rechnungsbüchern, die die umfangreichen Ankäufe von Luxusgütern aus den Niederlanden durch die Bauherrin dokumentieren, kann man sich ein einprägsames Bild vom Reichtum der ehemaligen Ausstattung machen. Im Katalog hat Katharina Bechler, die diese Quellen ausgewertet hat, ihre Ergebnisse unter dem Gesichtspunkt der Demonstration der oranisch-nassauischen Herkunft der Bauherrin zusammengefasst.
Hinsichtlich der Innenaufteilung ist es bemerkenswert, dass Henriette Catharina im Hochparterre des Hauptbaus wohnte, obwohl das Obergeschoss durch den Zugang über eine zweiläufige Innentreppe und besonders hohe Fenster ausgezeichnet war. Der Reiz des Hochparterres bestand in seitlichen Terrassen, die über wenige Stufen zu den beidseitig angelegten Kabinettgärten führten. Die Terrasse der Südseite konnte unter Verwendung originaler Materialien kürzlich wiederhergestellt werden (Beitrag von Reinhard Alex). Zeitgenössischen Beschreibungen zufolge befand sich die "PräsentCammer" Henriette Catharinas auf der Hofseite, das "Schlaf-Apartement" hingegen auf der Gartenseite. In welcher Art man sich die Belegung der erhaltenen Räume vorzustellen hat und ob die Bauherrin das Appartement zur Rechten oder zur Linken des Eingangs nutzte, bleibt im Katalog offen. Das Obergeschoss nahm Gästeappartements auf; sein großer Saal an der Gartenseite diente der Repräsentation. Überraschend wenig Beachtung im Katalog findet die mit einem gemauerten Herd sehr gut erhaltene private Küche der Fürstin im Souterrain, bei der es sich offenbar um eine der in den Niederlanden und in Deutschland verbreiteten Prunkküchen zur Demonstration hausmütterlicher Tugenden einer guten Landesmutter handelte [1].
Die langjährige Nutzung von Schloss Oranienbaum als Archiv muss im Rückblick als Glücksfall gesehen werden, da sich unter und hinter den Regalen weite Teile der historischen Raumfassungen erhalten haben. Reinhard Alex erläutert die im Vorfeld der Ausstellung gewonnenen Befunde an Sockellambris und Wänden. Besonders gut erhalten sind jene Räume im Hochparterre und im Obergeschoss, die Fürst Leopold III. Friedrich Franz zwischen 1766 und 1790 im chinoisen Stil neu ausgestalten ließ. Mit den bauzeitlichen Stuckdecken im Obergeschoss des Hauptbaus und im Hochparterre der Seitenflügel befasst sich Mario Titze. Die Herkunft und die Technik der niederländischen Fliesen im so genannten Sommerspeisesaal im Souterrain wird von Wilhelm Joliet dargelegt. Die aus Holland importierten Ledertapeten, die sich im Ledertapetensaal erhalten haben, dort allerdings in Zweitverwendung angebracht wurden, bespricht Eloy F. Koldeweij. Katharina Bechler charakterisiert die ehemalige Porzellansammlung Henriette Catharinas und stellt einige geglückte Neuerwerbungen vor.
Die Aufsätze zu den oranischen Bildnissen in der Malerei befassen sich zum einen mit ihrer Entstehung in den Niederlanden, zum anderen mit der Besitz- und Aufbewahrungsgeschichte der nach Anhalt gelangten Gemälde. Über die Porträtisten am statthalterlichen Hof im Haag berichten Frans Baudouin, Marieke E. Spliethoff und Alexandra Nina Bauer. Jan Mijtens, der "Hofporträtist" der oranisch-nassauischen Prinzessinnen, schuf in den Niederlanden einheitliche Einzel- und Gruppenporträts von Henriette Catharina und ihren Schwestern nach deren Heirat in deutsche Fürstentümer. Als Vorlagen dienten ihm Porträtstudien, die er vermutlich anlässlich der Hochzeit der jüngsten Schwester Maria in Kleve 1666 angefertigt hatte (A. N. Bauer). Den unter Henriette Catharina und Johann Georg II. von Anhalt-Dessau am Dessauer Hof tätigen Maler Abraham Snaphen aus Leiden würdigt Wolfgang Savelsberg. Die der Inszenierung der oranischen Abstammung dienende Aufhängung der oranischen Familienbildnisse durch Fürst Leopold III. Friedrich Franz im Landhaus und im Gotischen Haus in Wörlitz wird von Reinhard Melzer analysiert und dargelegt.
Anhand der gedruckten Bildnisse der Oranier bringt Wilfried Slama einen fundierten Abriss der Genealogie des Hauses Oranien vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Sein Beitrag sowie der von Harm Stevens zur politischen Bedeutung der druckgrafischen Bildnisse der Oranier als Statthalter der nördlichen Niederlande stellen einen Wiederabdruck aus dem Ausstellungskatalog der Porträtsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien von 2002 "Oranien - Fünfhundert Jahre Bildnisse einer Dynastie" dar.
Besondere Anerkennung verdient die elegant auf die Ausstellungsarchitektur abgestimmte Gestaltung des Katalogs. Einleitung, Aufsätze und Katalogteil sind jeweils durch einen in Gelb, in Orange und in Dunkelrosa gehaltenen Streifen im Falz gekennzeichnet; Orange und Rosa kehren in den Seitenzahlen wieder. Die Abbildungen sind entweder ganzseitig ohne Rand gegeben oder aber in einen imaginären Fries gesetzt, dem das obere Drittel des Satzspiegels jeder Seite vorbehalten ist. Formal ist das Ergebnis reizvoll, doch leiden zahlreiche Abbildungen unter dem Diktat des Lay-outs. Die meisten der gemalten Bildnisse hätten eine größere Wiedergabe verdient. Der zeitgenössische Stich mit einer Ansicht des Oranienbaumer Schlosses von der Stadtseite wurde kurzerhand ohne Rahmung und Künstlersignaturen abgedruckt (36). Hier wird der Fachmann den zweibändigen Katalog "Onder den Oranje Boom. Niederländische Kunst und Kultur im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen" (Krefeld, Oranienburg, Apeldoorn 1999) heranziehen.
Anmerkung:
[1] Siehe hierzu ausführlich: Cordula Bischoff, "... daß es was artiges sey zum Plaisir einer Fürstin ...". Zum Phänomen der Prunkküche im Schloßbau des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe im Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. von Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini (= Residenzenforschung, 11), Stuttgart 2000, 193-204.
Ulrike Seeger