Torsten Woitkowitz: Die Briefe von Joachim Camerarius d.Ä. an Christoph von Karlowitz bis zum Jahr 1553. Edition, Übersetzung und Kommentar (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte; Bd. 24), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2003, 349 S., ISBN 978-3-515-08418-5, EUR 52,00
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Joachim Camerarius der Ältere (1500-1574) und Christoph von Carlowitz (1507-1574) waren beide, jeder auf seine Art, hervorragende Persönlichkeiten des 16. Jahrhunderts, die sich aber heute keiner großen Bekanntheit mehr erfreuen. Der aus einer Bamberger Patrizierfamilie stammende Camerarius wirkte als Pädagoge und Philologe in Nürnberg, Tübingen und Leipzig. An der sächsischen Universität, der er seit 1541 verbunden blieb, brillierte er nicht nur als berühmter Professor der klassischen Sprachen, er arbeitete auch bei der Reorganisation der Hochschule mit, die ihren führenden Rang in den folgenden Jahrhunderten verteidigen sollte. Als Freund Philipp Melanchthons hatte er einen wichtigen Platz in den humanistischen Netzwerken Europas.
Der sächsische Adlige Christoph von Carlowitz (so die am meisten verbreitete Schreibweise des Namens) hatte wie Camerarius eine fundierte humanistische Ausbildung genossen, sich dann aber als Politiker und Diplomat in den Diensten der albertinischen Herzöge und Kurfürsten von Sachsen einen Namen gemacht. Über alle Wendungen der Politik hinweg blieb der anpassungsfähige und kluge Carlowitz zwischen 1530 und 1570 eine der einflussreichsten Persönlichkeiten am Dresdner Hof. Beide Männer verband eine Freundschaft, die sich in ihrem über ein halbes Jahrhundert hinweg geführten Briefwechsel niederschlug. Die Zufälle der Überlieferung hatten aber zur Folge, dass nur eine Hälfte der Korrespondenz, nämlich die bereits im 16. Jahrhundert edierten Briefe von Camerarius an Carlowitz zum großen Teil auf uns gekommen ist, während Carlowitzens Schreiben als ganz verloren gelten müssen.
Was von jenem brieflichen Gespräch blieb, hat Torsten Woitkowitz nun in seiner Leipziger Dissertation zum Gegenstand einer Neuedition gemacht. Leider beschränkt sich die Ausgabe auf 37 Schreiben des Camerarius aus den Jahren 1526-1553, während jene mehr als 60 erhaltenen Briefe aus der Zeit zwischen 1554 und beider Todesjahr 1574 aus arbeitstechnischen Gründen in dieser Edition keine Aufnahme gefunden haben. Gleichwohl liegt mit Woitkowitz' Arbeit ein Briefkorpus vor, das als vorzüglicher Einstieg in künftige Studien über den nachreformatorischen Humanismus im Reich dienen kann. Wer sich von der allerdings glänzenden Latinität des Philologen Camerarius überfordert fühlt, kann sich auf die guten deutschen Übersetzungen verlassen. Die Regesten zu den einzelnen Stücken sind präzise und umfassend, die Kommentare wahrhaft gelehrt und gründlich. Der Einleitung des Bearbeiters, die über beide Briefpartner informiert, wäre jedoch mehr kritische Distanz zu den dargestellten Personen zu wünschen gewesen, statt jener emphatischen Beschreibungen, die den optimistischen Geist der Historisten des 19. Jahrhunderts atmen.
Es sei die Frage gestattet, welche Aufschlüsse die für Humanismusforscher so nützliche Edition den an politischer Geschichte Interessierten bringt. Hier ist nun zu bedauern, dass die Carlowitz-Briefe als verschwunden gelten müssen. Der enge Vertraute Kurfürst Moritz' von Sachsen konnte sicherlich spannende Interna aus dem Labor der Dresdner Politik mitteilen, in dem damals gefährliche Experimente angestellt wurden. Der biedere und in seinen Urteilen über den Weltlauf gewiss nicht originelle Camerarius liegt dagegen ganz richtig mit seiner häufig geäußerten Feststellung, dass er Gelehrter und kein Politiker sei. Immerhin ist der Leser erstaunt, wie belastbar die Freundschaft zwischen beiden gewesen ist. Während des Schmalkaldischen Krieges 1546/47 beschwor der beredte Camerarius den Briefpartner, die Sache des Protestantismus mannhaft zu verteidigen. Carlowitz galt schon den Zeitgenossen als Hauptverantwortlicher für den Schwenk des Moritz von Sachsen auf die Seite des Kaisers, die ihn in die Konfrontation mit den protestantischen Schmalkaldenern führte.
Die gegensätzlichen Ansichten über Politik hätten die Freunde trennen können. Es siegte das Gemeinsame, zum Beispiel die Liebe zur lateinischen Sprache und die Begeisterung für Pferde. Darüber kann der Leser mehr erfahren.
Thomas Nicklas