Joachim Lilla (Bearb.): Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933 - 1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924. Unter Mitarbeit von Martin Döring und Andreas Schulz (= Eine Veröffentlichung der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien), Düsseldorf: Droste 2004, 996 S., ISBN 978-3-7700-5254-7, EUR 120,00
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Debra J. Allen: The Oder-Neisse Line. The United States, Poland, and Germany in the Cold War, Westport, CT: Praeger Publishers 2003
Joachim Lilla (Bearb.): Der Preußische Staatsrat 1921-1933. Ein biographisches Handbuch. Mit einer Dokumentation der im 'Dritten Reich' berufenen Staatsräte, Düsseldorf: Droste 2005
Joachim Lilla (Bearb.): Der Reichsrat. Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs 1919-1934. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung des Bundesrates Nov. 1918 - Febr. 1919 und des Staatenausschusses Febr. - Aug. 1919, Düsseldorf: Droste 2006
In bewährter Manier und Gründlichkeit hat die Parlamentarismus-Kommission ein neues biografisches Handbuch erarbeiten lassen. Freilich fällt dieses Nachschlagewerk aus dem Rahmen: Zwar wird nun die Lücke von 1933 bis 1942/45 geschlossen, doch blieb der Reichstag im "Dritten Reich" als reine Akklamationsbühne weitgehend funktionslos. Somit ist das Werk nicht so sehr als Abgeordneten-Handbuch von Bedeutung, da die Mitgliedschaft im Reichstag letztendlich nur als formales Zuordnungskriterium der Einträge gelten kann. Vielmehr erscheint es als ein kompetentes Nachschlagewerk für die meisten nationalsozialistischen Führungsgruppen, auch wenn Angaben über viele relativ unbedeutende Funktionäre ihren Niederschlag fanden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den regionalen NSDAP-Potentaten im Reich, aber auch "Multi-Funktionäre" aus Partei und SS, die in ganz Europa tätig waren, sind zahlreich vertreten. Sinnvoll erscheint die Ergänzung um die nationalsozialistischen und - damit teilidentischen - völkischen Abgeordneten aus der Weimarer Zeit. Zusammen ergibt dies fast 1300 Einträge, von allen bekannten NS-Führern bis hinunter zu vielen Kreisleitern.
Der Hauptbearbeiter, selbst Archivar in Krefeld, ist bereits durch mehrere ähnliche Veröffentlichungen ausgewiesen, die eine qualitative Analyse des enormen Datenmaterials in Angriff nehmen. Angesichts der fehlenden Transparenz der Politik im "Dritten Reich" mussten die meisten Angaben mühevoll in Personalakten und anderswo recherchiert werden. So lässt sich vielfach das Datum des Kirchenaustritts oder eine der epidemischen Korruptionsaffären ermitteln. Dabei treten die Tücken die NS-Biographik zu Tage: Widersprüchliche Angaben mussten durch Fußnoten dokumentiert werden. Viele Daten sind als rein formal anzusehen, oft saß der entsprechende Funktionär schon erheblich länger auf dem Posten, als es der offizielle Ernennungszeitpunkt der Akte verzeichnet. Andererseits trieb der Wildwuchs an neuen Funktionen, die der Nationalsozialismus schuf, seine Blüten. So wurden manche der hier verzeichneten Dienststellen nie eingerichtet (zum Beispiel die Generalkommissariate Charkow und Rostow).
Etwas bedauerlich ist der Verzicht auf Informationen, die allerdings nur schwer systematisch beschafft werden können, so vor allem die Berufsbezeichnung des Vaters, aber auch die familiären Verhältnisse oder die Existenz eines Nachlasses. Für die Lebensläufe in der Nachkriegszeit, die hier nicht ausgespart bleiben, wäre eine "Regelanfrage" beim Bundesarchiv in Ludwigsburg sicher nützlich gewesen. Sie hätte - eingestellte - strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen erheblich mehr NS-Chargen dokumentiert.
Als grundsätzliche Schwierigkeit bei der Erstellung aller biografischer Lexika zum "Dritten Reich" erscheint die nähere Charakterisierung der Tätigkeit des jeweiligen Funktionärs, die sich über die formelle Dienstbezeichnung oft gar nicht erfassen lässt. Besonders heikel sind dabei Feststellungen über kriminelle Aktivitäten. Die Bearbeiter haben hier Zurückhaltung walten lassen, vermutlich weil dann extensive Recherchen in der gigantischen Literatur zur NS-Politik vonnöten gewesen wären, aber auch, weil oft zweifelsfrei gesicherte Angaben nicht gemacht werden können. Immerhin finden sich hin und wieder Einträge zu den Verfolgungs- und Mordaktionen des Nationalsozialismus.
Sieht man von diesen, vielfach kaum zu überwindenden Problemen ab, so bleibt ein positives Fazit: Der Leser bekommt ein Nachschlagewerk an die Hand, dass an Präzision und gut recherchierter Detailgenauigkeit seinesgleichen sucht. Die Quellenangaben beruhen auf der Konsultierung von 115 Archiven, wenn ich richtig zähle; hinzukommen weitere Institutionen. Ein ausführliches Register von nicht weniger als 180 Seiten lässt keine Wünsche offen; selbst die zahlreichen Selbstmorde bei oder nach Kriegsende sind in einer Übersicht verzeichnet. Eine vergleichbare Erschließung vermisst man in fast allen anderen Büchern dieses Zuschnitts. So ist eine Personenrecherche über die Dienststelle oder den Ort möglich. Zweifelsohne setzt "Statisten in Uniform" neue Maßstäbe. Das Buch wird auf Dauer ein unverzichtbares Hilfsmittel für die Forschung zur Zeit des Nationalsozialismus bleiben.
Dieter Pohl