C. Scott Dixon: The Reformation in Germany (= Historical Association Studies), Oxford: Blackwell 2002, XXVII + 212 S., ISBN 978-0-631-20252-3, GBP 50,00
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Zusammenfassende Darstellungen über die Reformation im Alten Reich zu schreiben ist ein ambitioniertes Unterfangen, machen doch mittlerweile zahlreiche Einzelstudien und methodische Ansätze dieses Forschungsfeld aus. C. Scott Dixon hat es sich dennoch zur Aufgabe gemacht, neben dem Überblick auch die Analyse der Beziehung zwischen der Reformation und den Menschen in den Städten und Gemeinden zu leisten: Wie wurde die reformatorische Botschaft hierher getragen? Was genau verstanden die Laien von der neuen, evangelischen Botschaft und wie reagierten sie darauf? Diese Fragen erzwingen geradezu den weiteren Blick auf soziale, politische und kulturelle Entwicklungen im Zeitalter der Reformation. Um bereits zu Beginn allen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, erklärt Dixon, dass es nicht darum ginge, neue Quellen aufzutun. Vielmehr versteht er seine Studie als eine Synthese, also den Versuch, bestehende Narrative aus der Forschung zu extrapolieren.
Eine kurze Chronologie der Ereignisse zwischen 1521 und 1555 zeigt, welchen Rahmen Dixon der Reformation setzt. Zu den Präliminarien gehört weiterhin ein Blick auf das Alte Reich vor der Reformation. Hier findet das Bemühen um den Landfrieden ebenso Raum wie der Aufstieg der Stände. Beides erachtet Dixon als sehr bedeutsam für den Verlauf der Reformation. Neben sozialen, politischen und ökonomischen Entwicklungen thematisiert Dixon hier aber auch kulturelle Phänomene wie die Suche nach Identität und Nationalität. Alle diese Fragen mündeten in die Kritik an der Kirche, deren Reform im ausgehenden 15. Jahrhundert dringender denn je erschien. In seiner knappen, auf Schlagworte beschränkten Übersicht führt Dixon die Begrifflichkeiten ein, die er auch in den folgenden Kapiteln im Blick behält. Fraglich bleibt jedoch, ob er hier auch einen Zugang gefunden hat, um das Rezeptionsverhalten der Menschen in den Gemeinden zu untersuchen.
Die religiöse Kultur ist das Thema des folgenden Kapitels. Nach der Würdigung der causa Lutheri beschreibt Dixon die Frömmigkeit im frühen 16. Jahrhundert. Hier interessiert ihn zwar die Kritik an der Institution Kirche, doch bewertet er die Reformation nicht in erster Linie als einen neuen Frömmigkeitsschub. Vielmehr wurden sich die Menschen, so Dixon, durch die reformatorische Botschaft ihrer Möglichkeiten innerhalb der Religion bewusst, die neue Theologie wurde zu einer Alternative (40). Dreh- und Angelpunkt dieser Theologie war Martin Luther: Demnach bestimmten Rechtfertigung, Buße, das Gnadengeschenk Gottes und eine neue Auffassung der Sakramente die religiöse Kultur der Reformation.
Den zweiten Schwerpunkt bildet die Reformation in den Gemeinden. Dazu erläutert Dixon zunächst, wie die reformatorische Botschaft überhaupt in die Gemeinden gebracht wurde. Predigt und Bilder spielten hierbei eine entscheidende Rolle. Das gedruckte Wort förderte die Präzisierung der Botschaft, der Wechsel zur Volkssprache - etwa in Flugschriften - war hier unerlässlich. An dieser Stelle schließt Dixon eine kritische Auseinandersetzung mit dem Forschungskonzept der Gemeindereformation an. Auch integriert er den für die Reformation in den Gemeinden wesentlichen Bauernkrieg in seine Erwägungen.
Der Bauernkrieg forcierte nach Dixon insbesondere in einzelnen Gemeinden Sachsens und der Schweiz eine "Theologie der Revolution" (87). Darunter versteht er die Entwicklung radikaler Positionen etwa in Fragen der Disziplin oder der Sakramentslehre. Andreas Karlstadt, Thomas Müntzer, aber auch die Täufer sind entsprechende Beispiele. Charakterisiert wurde die radikale Reformation durch die enge Assoziation von religiösen Ideen und sozialem Kontext. Dies bedeutete die Auflösung von Hierarchien in den Gemeinden, vormalige Souveränitäten mussten sich nun ebenfalls an dem Wort der Bibel messen lassen (94).
Der dritte Abschnitt umfasst den Zusammenhang zwischen politischer Kultur und Reformation. Hier nimmt Dixon den institutionellen Rahmen und die Absicherung der neuen Reformationskirchen in den Blick. Die Städte finden in dieser Frage seine besondere Beachtung, förderten doch ihre Kultur, aber auch ihr politisches System die Verbreitung reformatorischer Ideen. Dabei hält Dixon allerdings auch fest, dass die Forschung ein allgemein gültiges Verständnis der städtischen Reformation nicht entwickeln könne. Zu unterschiedlich seien die Entwicklungen in den einzelnen Reichs- und Landstädten. Ungeachtet dieser Prämisse greift er jedoch einzig auf Nürnberg und damit auf ein geradezu klassisches Beispiel bei der Untersuchung reformatorischer Bewegungen zurück. Hier entwickelt Dixon auch eine seiner Hauptthesen, indem er sich deutlich von Kommunalismusforschungen abgrenzt und die Entwicklung der Reformation als städtisches Phänomen begreift. Magistrate ermöglichten demnach die Reformation und erst als Konsequenz sei das Erstarken der Gemeinden zu beobachten (110).
Dieser Grundgedanke spiegelt sich auch in Dixons Auseinandersetzung mit der Fürstenreformation wider: Ähnlich wie in den Städten diente die neue Botschaft den Territorialherren zur Festigung ihrer Herrschaft. Basierend auf Luthers Verständnis vom Priestertum aller Gläubigen betonten die Fürsten ihre Souveränität, auch wenn ihre Position zur Reformation zunächst von Neutralität bis zu offener Toleranz reichte. Aus diesen unterschiedlichen Haltungen ergaben sich Probleme in der Reichspolitik, deren Zuspitzung Dixon in der Gründung des Schmalkaldischen Bundes und im nachfolgenden Krieg sieht. Eine Entschärfung dieses Konflikts trat erst mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 ein.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem Vermächtnis der Reformation: Dazu gehört in erster Linie die wachsende Bedeutung von Konfessionen. Ausgehend vom Augsburger Bekenntnis 1530 zeichnet Dixon die protestantische und katholische Konfessionsbildung nach, um abschließend eine kurze Einführung in das Konfessionalisierungsparadigma zu geben. Dabei betont er, dass auch die Konfessionalisierung nicht linear verlief. Rückschläge ergaben sich in Gemeinden, wenn sich Einzelne nicht einer bestimmten konfessionellen Disziplin unterwerfen wollten, wenn sich der eigene Glaube von den Inhalten der Konfessionen unterschied, oder wenn etwa jesuitische Missionsmethoden als fremd und feindlich wahrgenommen wurden. Ein weiteres Vermächtnis ist nach Dixon der protestantische Staat. Basierend auf der Zwei-Reiche-Lehre und dem Priestertum aller Gläubigen übernahmen die Fürsten zunächst als Notbischöfe, dann regulär als Landesherren die Organisation von Visitationen, Kirchenordnungen et cetera. Hier wiederholt Dixon seine Ergebnisse aus dem Kapitel zur Reformation in den Gemeinden.
Schwieriger zu fassen ist sein dritter Punkt: die protestantische Kultur. Die Konzentration auf die Schrift half ganzen Gemeinden und einzelnen Personen, ihren eigenen Sinn über ihre Geschichte und ihre Identität zu etablieren. Dazu diente nicht zuletzt auch die Abgrenzung zum anderen - und hier insbesondere zu allem, was mit dem "Antichrist" assoziiert wurde. Aber auch Kunst und Sprache (die "sights and sounds of worship", 171) erfuhren eine Veränderung. Wesentlich waren ebenfalls die protestantischen Bemühungen, den Haushalt mit dem Hausvater an der Spitze zu formen: Zahlreiche Schriften konzentrierten sich auf die adäquate Erziehung aller Familienmitglieder. Geschlechterrollen wurden hier eingeschrieben und etabliert.
Abschließend wirft Dixon einen kurzen Blick auf die unterschiedlichen Tendenzen der Geschichtsschreibung der Reformation. Eine entsprechende Historiografie begann bereits im 16. Jahrhundert, fand jedoch ihren Höhepunkt in Leopold von Ranke gut dreihundert Jahre später. Mit diesem Ausblick knüpft Dixon an seine Grundthese an, dass Historiografie ein wesentliches Merkmal war, um protestantische Identität zu stiften.
Insgesamt präsentiert der Band zahlreiche Felder reformatorischer Forschung. In dieser Zusammenstellung liegt einerseits der Vorteil, da sie einen Überblick über diskutierte Fragen vermittelt. Gleichzeitig jedoch ist dies auch ihr Schwachpunkt, da eine ausführlichere Bewertung einzelner Ansätze nicht möglich ist. Und auch die auf dem Klappentext postulierte "fresh perspective on the movement" ist als solche insbesondere dann nicht erkennbar, wenn Fürsten- und Stadtreformation in bester Tradition als verantwortlich für den Reformationsverlauf gezeichnet werden. Darunter leidet insbesondere Dixons Hauptanliegen, das Verhältnis zwischen Laien und Reformation zu erschließen. Und dennoch: Dixon hat eine anregende Studie geschaffen, welche den Zugang zur Reformation und auch zu weiterführenden Fragestellungen erleichtert.
Nicole Grochowina