Haus der Bayerischen Geschichte / Hofbibliothek Aschaffenburg (Hgg.): Das Halle'sche Heiltum. Reliquienkult und Goldschmiedekunst der Frührenaissance in Deutschland. Handschriften aus bayerischen Bibliotheken auf CD-ROM (= Theiss-Geschichtsmomente), Stuttgart: Theiss 2002, CD-ROM, ISBN 978-3-8062-1809-1, EUR 29,90
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Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.): Der Winterkönig. Friedrich von der Pfalz. Bayern und Europa im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Begleitband zur Bayerischen Landesausstellung im Stadtmuseum Amberg (9.5.2003 - 2.11.2003), Stuttgart: Theiss 2003
Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.): Der Winterkönig. Friedrich von der Pfalz. Bayern und Europa im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Begleitband zur Bayerischen Landesausstellung im Stadtmuseum Amberg (9.5.2003 - 2.11.2003), Stuttgart: Theiss 2003
Als Albrecht von Brandenburg 1513 die Nachfolge von Ernst von Sachsen auf dem Stuhl des Magdeburger Erzbischofs antrat, hatte er von seinem Vorgänger den Grundstock einer Reliquiensammlung übernommen, die er in den folgenden Jahren zu einer immensen Größe ausbauen sollte. 1520 wurde dieser Reliquienschatz in seine Lieblingsgründung, das so genannte Neue Stift zu Halle, übertragen. Von dem umfangreichen Schatz hat sich kaum etwas erhalten. Ein Teil fiel bereits zu Albrechts Lebzeiten dessen Schuldendeckung zum Opfer.
In der Aschaffenburger Hofbibliothek wird heute der Pergamentcodex Ms. 14 aufbewahrt, den Gabriel von Térey 1892 als Wiedergabe der umfangreichen Halleschen Reliquiensammlungen des Kardinals Albrecht von Brandenburg identifizierte. Erstmals behandelte er den Codex gemeinsam mit dem 1520 gedruckten Halleschen Heiltumsbuch ausführlicher. [1] Zuvor war der Pergamentcodex als Mainzer Domschatz bezeichnet worden, da der Auftraggeber, Kardinal Albrecht von Brandenburg, nach der Einführung der Reformation in Halle große Teile seines Schatzes nach Mainz und Aschaffenburg überführt hatte.
Paul Redlich, der sich in seiner Schrift über den Kardinal und das Neue Stift zu Halle auch ausführlich mit dem Heiltum der Hallenser Stiftskirche befasste, schlug für den Codex die Bezeichnung Liber Ostensionis vor, da er den von Térey gewählten Namen Hallescher Domschatz berechtigterweise als ungünstig empfand. [2] Zwar bekleidete das Neue Stift in Halle nach dem Magdeburger Dom den zweiten Rang in der Erzdiözese, es war aber eben keine Bischofskirche.
Der Pergamentcodex Ms. 14 ist um 1526 entstanden. Er enthält in ganzseitigen Federzeichnungen die Abbildungen der Reliquiare des Hallenser Neuen Stifts und deren Beschreibungen mit genauer Inhaltsangabe der darin aufbewahrten Reliquien der Heiligen. Strukturell nimmt der Codex auf die seit den 1480er-Jahren illustrierten Heiltumsbücher Bezug, die anlässlich von Heiltumsweisungen für verschiedene Orte gedruckt wurden. [3] Aber im Gegensatz zu den grafisch sehr unterschiedlich ausgestatteten Heiltumsbüchern ist der Aschaffenburger Pergamentcodex mit seinen heute 428, ursprünglich 444 Blatt ein eigens für den Kardinal Albrecht von Brandenburg hergestelltes pretiöses Einzelexemplar.
Die 1931 von Philipp Maria Halm und Rudolf Berliner besorgte Ausgabe unter dem Titel "Das Hallesche Heiltum" machte "den hundertjährigen Wunsch wahr" [4] die Abbildungen des Codex allgemein zugänglich zu machen. Seither firmiert der Codex auch unter dieser Bezeichnung. Sie veröffentlichten die Federzeichnungen in schwarz-weiß. Bis auf das Vorwort und die auf die Behältnisse bezogenen Sätze musste damals auf den Abdruck der dazugehörigen Texte verzichtet werden. Die Autoren gaben eine zeitliche und topografische Einordnung der Reliquiare. Für sie galten die Zeichnungen als "wichtigste Quelle für die Erkenntnis der Goldschmiedekunst der spätesten Gotik seit 1400 und der Frührenaissance in Deutschland." [5]
Hauptsächlich auf den Ergebnissen dieses Standardwerks beruht denn auch die digitale Ausgabe des Codex auf CD-Rom, die das Haus für Bayerische Geschichte in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsbibliothek 2001/02 herausgegeben hat. Die CD-Rom "Das Halle'sche Heiltum. Reliquienkult und Goldschmiedekunst der Frührenaissance in Deutschland" ist Teil einer Reihe von wertvollen Handschriften, die das Haus für Bayerische Geschichte bisher digital publiziert hat. [6] Die Institution hat es sich zur Aufgabe gemacht "kostbare und kaum zugängliche Handschriftenschätze einem breiten Publikum zur Verfügung zu stellen." [7]
Mit der Digitalisierung des vollständigen Codex sind nun erstmals dessen Abbildungen vollständig in Farbe veröffentlicht, darüber hinaus - und das ist eines der wichtigsten Ergebnisse - wurden alle Textseiten reproduziert und sind somit der Forschung leicht zugänglich. Zudem wurden, wo es den Herausgebern möglich war, Bilder von erhaltenen Gegenständen oder Fragmenten den Abbildungen des Codex zur Seite gestellt, was an den gegebenen Stellen einen direkten Vergleich zwischen Original und Darstellung im Codex erlaubt. Bei einigen Miniaturen flossen Erkenntnisse anderer Autoren mit ein, so zum Beispiel bei einigen Datierungen.
Die Einleitung ist relativ allgemein gehalten und zielt vor allem auf ein interessiertes, fachfremdes Publikum. Hier wird unter anderem die Systematik des Buches erläutert und, auf Halm und Berliner fußend, eine knappe Beschreibung des Codex gegeben. Wobei es jedoch nicht unbedingt einleuchtend ist, warum technische Angaben, wie Größe, genauer Umfang, Paginierung und so weiter nicht in die Einleitung aufgenommen wurden, sondern unter dem Button "i" für Information, der von allen Bildseiten aus aufrufbar ist, auf der Registerkarte "zur Handschrift" zu finden sind. Für eine ausführliche Beschreibung des Codex wird man aber nach wie vor auf Halm und Berliner zurückgreifen. Es wird zwar in der Literaturliste auf die materialreichen Untersuchungen von Rasmussen verwiesen, aber leider wurden sie für die CD-Rom nur partiell herangezogen.
Auch technisch nicht so versierten Nutzern wird die - allerdings nicht immer ganz logische - Struktur der CD-Rom kaum Probleme bereiten. So muss man zum Beispiel von der Startseite aus, will man zum Gesamtinhalt gelangen, immer den Zwischenschritt über die Vorrede und deren Transkription nehmen. Bei einigen Begriffen und Techniken, wie Agnus Dei, Ziborium, Plenarium oder Email lassen sich durch Mouse-Klick Erklärungen aufrufen. Durch die frei zuschaltbare Lupenfunktion können Details in der Vergrößerung betrachtet werden, hier wünschte man sich aber oft einen größeren Ausschnitt.
Der ehrgeizige Anspruch der Herausgeber "offensichtliche[...] Flüchtigkeitsfehler und Uneinheitlichkeiten" von Halm und Berliner zu korrigieren [vergleiche Editorische Notiz], hat leider, mitunter zum Gegenteil beigetragen. So wurde zum Beispiel das "Kloster Berge vor Magdeburg" zu einem "Klosterberge vor Magdeburg" umgedeutet. Auch die Umformulierung von Texten führte gelegentlich zur Verunklärung. So heißt es beispielsweise zum dritten Reliquiar im ersten Gang des Codex bei Halm und Berliner: "Am Sockel wahrscheinlich emailliertes Brustbild des Kardinals und zu Seiten einer Reliquie die hl. Mauritius und Magdalena." [8] Im Text der CD wird daraus aber: "Am Sockel wahrscheinlich emailliertes Brustbild des Kardinals Albrecht von Brandenburg, zu Seiten einer Reliquie der Heiligen Mauritius und Magdalena." Durch die veränderte Beschreibung wird das Brustbild Albrechts an einer Stelle verortet, dem das Bild entgegensteht. Etwas uneinheitlich sind die Bemerkungen am Ende der Reliquiarbeschreibungen gehalten, so fragt man sich, warum ausgerechnet bei der Andreas-Statuette Angaben zu dem Weg der Reliquien dieses Heiligen gemacht wurden, bei anderen aber nicht.
Erfreulich ist die durchgängige Möglichkeit der Volltextsuche, sie gestattet den schnellen, systematischen Zugriff nach verschiedenen Gesichtspunkten, zum Beispiel nach Werkgruppen (Büstenreliquiar, Glaspokal et cetera), nach Heiligennamen oder auch Orten sowie nach Szenen und Motiven beziehungsweise nach einzelnen Wörtern, die im Text auftauchen. Lohnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die aufwändige Transkription der Heiligennamen vorgenommen wurde. Damit geht die Ausgabe auf CD-Rom über die Recherche-Möglichkeiten bei Halm und Berliner hinaus.
Zwar fehlen der digitalen Variante von Handschriften - und das gilt allgemein - die sinnlichen Qualitäten des Originals, dieser Einschränkung soll aber damit begegnet werden, dass dem Nutzer ausgewählte Seiten zum Blättern angeboten werden.
Gabriel von Térey, der sich 1892 in der Einleitung zu seiner Arbeit beschwert hatte, dass die Bibliothek den Codex zu Vergleichszwecken und für die Förderung der Wissenschaft nicht ausgeliehen hatte [9], hätte mit dieser CD die von ihm gewünschten Möglichkeiten in weitem Maße erhalten. Der Forschung wurde mit der digitalisierten Handschrift ein Arbeitsinstrument in die Hand gegeben, das nicht nur für Experten der Goldschmiedekunst einen Gewinn darstellt.
Anmerkungen
[1] Gabriel von Térey: Cardinal Albrecht von Brandenburg und das Halle'sche Heiligthumsbuch von 1520, Straßburg 1892, zur Zuschreibung zum Neuen Stift in Halle vgl. 10.
[2] Paul Redlich: Cardinal Albrecht von Brandenburg und das neue Stift zu Halle 1520-1541. Eine Kirchen- und Kulturgeschichtliche Studie, Mainz 1900, zum Liber Ostensiones vgl. 244.
[3] 1487 und 1493 für Nürnberg, 1493, 1495 und 1509 für Bamberg, 1493 für Würzburg, 1502/1514 für Wien, 1509 für Wittenberg und 1520 für Halle.
[4] Philipp Maria Halm; Rudolf Berliner: Das Hallesche Heiltum, Berlin 1931, hier Vorwort.
[5] Halm/Berliner (wie Anm. 4), 14.
[6] Digitalisiert erschienen sind: Das "Große Tucherbuch"; das Sakramentar Heinrichs II. und der Uta-Codex; das Evangeliar Ottos III.; und das Perikopenbuch Kaiser Heinrichs II.
[7] Vgl. Homepage des Hauses der Bayerischen Geschichte/ Shop/ Multimedia www.hdbg.de/basis/index_extern.html
[8] Halm/Berliner (wie Anm. 4), 23.
[9] Térey (wie Anm. 1), IX.
Livia Cárdenas