Filip Vermeylen: Painting for the Market. Commercialization of Art in Antwerp's Golden Age (= Studies in European Urban History (1100-1800); 2), Turnhout: Brepols 2003, XIV + 208 S., 19 ill., ISBN 978-2-503-51381-2, EUR 57,00
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Lange Zeit bestand unter Historikern und Kunsthistorikern darüber Konsens, dass die Marktproduktion von Kunst eng mit dem Goldenen Zeitalter der Niederlande verbunden war. Zwar konnte man auch in der italienischen Renaissance, in Brügge, Antwerpen oder Nürnberg Ansätze einer Kommerzialisierung der künstlerischen Produktion feststellen, aber zu ihrem völligen Durchbruch gelangte diese erst im 17. Jahrhundert in den nördlichen Niederlanden. [1]
Der junge belgische Wirtschaftshistoriker Filip Vermeylen revidiert nun dieses Bild am Beispiel Antwerpens im langen 16. Jahrhundert. Dabei erstaunt nicht nur, dass auf dem Weltmarkt des 16. Jahrhunderts auch in größerem Umfang Kunst gehandelt wurde, sondern dass diese Tatsache, geschnitzte Altäre einmal ausgenommen, [2] von den Kunsthistorikern bisher wenig beachtet wurde. So hat beispielsweise E. Honig noch vor kurzem die Studiokooperation als wesentliches Merkmal der künstlerischen Marktproduktion in Antwerpen hervorgehoben. [3]
Vermeylen beginnt mit seiner Untersuchung in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und stellt die so genannten panden, die sich im Umkreis der Brabanter Messen als Jahrmärkte für Kunst- und Luxusgüter entwickelten, als wichtiges Element des Antwerpener Kunstmarktes heraus. 1540 bildete sich dann mit dem ganzjährigen schilderspand die erste europäische Kunstgalerie. Maler sowie die sich neu konstituierende Gruppe der Kunsthändler mieteten Läden, in denen sie Gemälde und Tapisserien einer in- und ausländischen Klientel feilboten. Mit dem Bildersturm 1566, dem hieraus folgenden niederländischen Aufstand und der Eroberung Antwerpens 1585 brach der Kunstmarkt zusammen. Calvinistische Handwerker und Künstler emigrierten, und den Verbliebenen erschien der Kunsthandel trotz sinkender Nachfrage als eine Überlebensmöglichkeit. Auf diese Weise leiteten diese langfristige Strukturveränderungen im Antwerpener Kunsthandel ein. Während es zwecklos erschien, in seinem Laden auf Laufkundschaft zu warten, konzentrierten sich die Kunsthändler auf den Export, den sie früher ausländischen Kaufleuten überlassen hatten. So setzten sie zum Beispiel auf den Messen von St. Germain bei Paris in großer Zahl Bilder ab, für die ihnen in Antwerpen die Abnehmer fehlten. Auf diese Weise bauten sie Netzwerke auf, die ihnen im 17. Jahrhundert den Kunstexport in die meisten europäischen Zentren und auch in die Neue Welt ermöglichen sollten.
Insgesamt zeichnet Vermeylen ein facettenreiches Bild des Antwerpener Kunstmarktes im 16. Jahrhundert. Dennoch bleiben einige Fragen offen. So wird die Nachfrage nach Kunst (wer kauft wann und in welchen Mengen bestimmte Kunstobjekte?) nur unzureichend thematisiert. Erst nach einer solchen Erörterung kann aber die Frage nach Umfang und Stellenwert der anonymen Marktproduktion in Relation zur Auftragsproduktion beantwortet werden. Ein vom Autor erkanntes Desideratum wäre auch die Untersuchung der Übergangsperiode vom 16. Jahrhundert zur großen Zeit der flämischen Malerei im 17. Jahrhundert. Der Antwerpener Kunstmarkt bietet also noch genügend Material für weitere Studien, für die mit Vermeylens Dissertation der Grundstein gelegt ist.
Anmerkungen:
[1] M. J. Bok, Vraag en aanbod op de Nederlandse kunstmarkt, 1580-1700, Utrecht 1994. Michael North, Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, Köln / Weimar / Wien 2001.
[2] L. Campbell, The Art Market in the Southern Netherlands in the Fifteenth Century, in: The Burlington Magazin 118 (1976) 188-198.
[3] E. A. Honig, Painting and the Market in Early Modern Antwerp, New Haven u. a. 1998.
Michael North