Klaus Bringmann: Kaiser Julian. Der letzte heidnische Herrscher, Darmstadt: Primus Verlag 2004, 251 S., 25 Abb., ISBN 978-3-89678-516-9, EUR 29,90
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Stefano Conti: Die Inschriften Kaiser Julians (= Altertumswissenschaftliches Kolloquium; Bd. 10), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2004, 221 S., 13 Tafeln, ISBN 978-3-515-08443-7, EUR 40,00
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David H. French (ed.): The Inscriptions of Sinope. Part I: Incriptions, Bonn: Verlag Dr. Rudolf Habelt 2004
Laura Nasrallah / Charalambos Bakirtzis / Steven J. Friesen (eds.): From Roman to Early Christian Thessalonike. Studies in Religion and Archaeology, Cambridge, MA / London: Harvard University Press 2010
Julian Apostata hat Konjunktur: An der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert erscheinen Bücher zu Leben und Werk des Kaisers, der zum Heidentum zurückkehrte, in einer Dichte, die nur eine Jahrhundertwende früher einmal annähernd erreicht wurde. [1] Es erscheint verführerisch, hier nach mentalitätsgeschichtlichen Zusammenhängen zu suchen.
Die beiden hier zu besprechenden Werke fallen in zwei sehr unterschiedliche Kategorien mit entsprechend unterschiedlichen Voraussetzungen: Bei Contis Buch handelt es sich um eine Edition inschriftlicher Quellen zu Julian. Hierfür gab es bisher nur die - inzwischen über 20 Jahre alte - Sammlung Javier Arces [2], und insofern verdient der Verfasser für seine verdienstvollen Mühen Dankbarkeit.
Nach einem Abkürzungsverzeichnis, einer kurzen Einleitung (23-24) sowie einer Analyse der geografischen (25-30) und zeitlichen (31-34) Verteilung, der belegten Inschriftentypen (35-37), der Titulatur Julians (39-50) und der "Reflexe einzelner Gesetze in den Inschriften" (51-55) folgt das eigentliche "Corpus Inscriptionum Imperatoris Iuliani" (57-196). Den Abschluss des Bandes bilden epigrafische Indizes, Personen-, Orts- und Stellenregister (197-221) sowie 13 Tafeln mit Abbildungen zu ausgewählten Inschriften.
Der Corpus-Teil führt die Inschriften nach Diözesen (von Ost nach West), innerhalb dieser nach Provinzen (alphabetisch) und Städten (alphabetisch) bzw. Straßen geordnet auf. Die einzelnen Inschriften werden zunächst durch eine Beschreibung des Trägers, der Schriftgröße, des Fund- und des Aufbewahrungsortes vorgestellt. Es folgt der eigentliche Text und nach diesem eine Kombination aus kritischem Apparat und Kommentar. Frühere Publikationen werden in der ersten Fußnote zum Stück aufgeführt.
Conti hat sich bemüht, alle Inschriften - soweit noch erhalten und zugänglich - selbst in Augenschein zu nehmen, und hat so auch die eine oder andere verbesserte Lesung erzielt. Entsprechend ist denn auch das Corpus insgesamt gesehen ein gelungenes Werk. Was im Folgenden an Detailkritik vorgebracht wird, soll daher keineswegs die Verdienste schmälern, die sich Conti mit dieser Arbeit zweifellos erworben hat.
Im Rahmen der einleitenden Bemerkungen wirkt das Kapitel VI ("Reflexe einzelner Gesetze in den Inschriften") etwas unglücklich: Es werden mehr literarische Quellen als Inschriften aus dem Corpus (nahezu keine) zitiert, da Letztere für diese Frage meist wenig erhellend sind. Dafür fehlt die in dieser Hinsicht besonders interessante Inschrift aus Amorgos, die - wie Denis Feissel nachgewiesen hat - die ausführlichere Version eines Gesetzes Julians bietet, das in den spätantiken Gesetzescorpora nur verkürzt erhalten war. [3] Dass gerade dieses interessante Stück übersehen wurde, ist etwas unverständlich, zumal es mindestens seit Herbst 2000 in Athen in einem der Schauräume des Epigrafischen Museums ausgestellt ist, wo es der Rezensent damals fotografieren konnte.
Der Aufbau der einzelnen Lemmata des Corpus ist etwas unübersichtlich. Die Angabe der Literatur zu einer Inschrift in den Fußnoten erscheint unglücklich; auch apparatus criticus und Kommentar hätten klarer getrennt werden können, doch ist das vielleicht Geschmacksache. Ärgerlich ist es, wenn man statt der Begründung einer Ergänzung nur den Verweis auf andere Arbeiten des Herausgebers findet (z. B. bei Nr. 137 und 163). Wozu ein Corpus, wenn man die entscheidenden Dinge anderenorts nachlesen muss?
Bei Nr. 39 g) wäre eventuell daran zu denken, in Zeile1. E+ITEI Cl(audius) Iulia- / nus als E+IT <Fl>(avius) Cl(audius) Iulia- / nus zu lesen.
Bei Nr. 45 bleibt Conti deutlich hinter der Edition von Johannes Nollé [4] zurück: Dort erfährt man zum einen, dass die Inschrift nur - aber immerhin - durch eine Zeichnung von George Bean überliefert ist und dass sich unter dem erhaltenen Text eine Rasur befand; zum anderen ist sein Kommentar zu dem Epitheton "theos" deutlich erhellender als die etwas kryptische Bemerkung Contis, die leider auch nicht auf Nollé verweist.
Bei den Inschriften Nr. 70 bzw. incertae Nr. 5 erscheint nicht ganz ersichtlich, warum die eine als "hypothetisch" eingestufte Ergänzung in das Hauptcorpus aufgenommen wurde, die andere aber nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Julian erwähnten, dürfte gleich groß sein. Trotz dieser Detailkritik wird man froh sein, dass es Contis Edition gibt.
Bei Klaus Bringmanns Buch handelt es sich um eine klassische Biografie, die in der von Manfred Clauss herausgegebenen Reihe "Gestalten der Antike" erschienen ist. Entsprechend den Zielen der Reihe, ist das Buch darauf angelegt, ein "allgemeinverständliches Bild" Julians zu zeichnen, ohne dem Leser wichtige Kontroversen der Forschung vorzuenthalten (7). Diese Absicht ist der Gliederung des Buches deutlich zu entnehmen:
In einer kurzen "Einleitung" (13-16) führt Bringmann den Leser in die besondere Problematik der Welt ein, in die Julian hineingeboren wurde, und gibt einen knappen Überblick über die Quellenbasis seiner Ausführungen.
Im Kapitel "Kindheit und Jugend" (17-42) wird zunächst Julians Familie und die sich daraus ergebende prekäre Existenz Julians als Abkömmling des Kaiserhauses vorgestellt. Angesichts der Bedeutung, die seine griechische Bildung für Julian hatte, schildert Bringmann gebührend ausführlich die Studienaufenthalte in Kleinasien und Athen. Gegen Klaus Rosen [5] vertritt Bringmann hier die Meinung, dass durchaus Julians Selbstzeugnis (Iulian, epistula 111 Bidez / Cumont 434 D/435 C) zu glauben und mithin seine Bekehrung zum Heidentum bereits 351 erfolgt sei (36).
Das Paradoxon antiker dynastischer Herrschaft, nach dem von den Verwandten einerseits die größte Gefahr für den Herrscher ausgeht, andererseits aber an ihnen die Aussicht auf dynastische Kontinuität und damit auf stabile Herrschaft hängt, machte 355 den einstmals in Anatolien Internierten zum Caesar. Diesen eigenartigen Zwängen und den Versuchen des Constantius II., sie zu beherrschen, ist das Kapitel "Der Mitregent" (43-66) gewidmet, ebenso der unerwarteten Bewährung Julians in militärischen und verwaltungstechnischen Angelegenheiten.
Das aus dem genannten Paradox resultierende Misstrauen, das mit Julians Erfolgen auf beiden Seiten fast zwangsweise zunehmen musste, führte unter Einfluss der militärischen Notlage der Perserkriege zum Bruch zwischen Caesar und Augustus: Der eine sah in den berechtigten Truppenforderungen den ersten Schritt zu seiner Entmachtung (und Ermordung), der andere fürchtete die Usurpation Julians und fühlte sich durch dessen Zögern bestätigt. Bringmann arbeitet die einzelnen Stationen der Usurpation von der allmählichen Eskalation über den Feldzug gegen Constantius bis hin zum offenen Bekenntnis zum Heidentum klar heraus. Anhand der Münzprägung Julians weist er darüber hinaus nach, dass Julians Haltung keineswegs rein defensiv war ("Der Usurpator", 67-82).
Das ausführlichste Kapitel gilt der kurzen Regierungszeit Julians als Kaiser ("Die Alleinherrschaft", 83-186). Der Umfang erklärt sich daraus, dass Julian sich in dieser Zeit nicht nur voller Energie in die Regierungsgeschäfte stürzte, sondern gleichzeitig auch noch ein umfangreiches literarisches Werk schuf, das Bringmann hier zur Geltung kommen lässt. Im Einzelnen skizziert Bringmann zunächst die Ausgangssituation, die Julian vorfand, und dessen "Regierungsprogramm", das vor allem auf die Erneuerung der heidnischen Kulte sowie auf die innere und äußere Stabilisierung des Reiches zielte. Hier ist der Niedergang der heidnischen Festkultur vielleicht etwas zu stark dramatisiert (88). Zumindest das vierte Jahrhundert haben viele wichtige Feste noch ganz gut überstanden, wie etwa die Ausgrabungen Ulrich Sinns in Olympia gezeigt haben.
Julians Regierungstätigkeit erweist sich in Bringmanns Schilderung als geradezu tragisches Auflehnen gegen eine Zeit, die die Traditionen, an die der Kaiser anknüpfen wollte, nicht mehr verstand. Die großstädtische Bevölkerung in Konstantinopel oder Antiocheia am Orontes empfand sein Auftreten als unpassend, die christlichen Eliten sahen in ihm den Antichrist, und nicht einmal bei Heiden kam der Versuch einer religiösen Erneuerung an. In der gebotenen Ausführlichkeit widmet sich Bringmann hier Julians theologischem Schrifttum und den mehr oder weniger offenen Kampfmaßnahmen gegen das Christentum. Mit gewichtigen Argumenten spricht er sich gegen die traditionelle Interpretation von Julians Perserfeldzug als Alexanderimitatio aus und verweist neben der unmittelbaren Notwendigkeit auf die Tradition der römischen Orientkriege. Aus dieser stammte auch das etwas planlose Hoffen darauf, die Einnahme von Ktesiphon werde alle Probleme lösen.
Im "Epilog" (187-191) stellt Bringmann die Frage nach dem Sinn dieses militärischen Großunternehmens. In der mangelnden Geduld bei der Umsetzung und in der Überschätzung der eigenen Möglichkeiten erkennt er schließlich die wesentlichen Faktoren für das Scheitern von Julians Plänen.
Ein umfangreicher Anhang beschließt das Werk. Er enthält eine Karte, die die wichtigsten im Text genannten Orte verzeichnet, drei Beilagen, die drei unterschiedliche Quellen zur Geschichte Julians vorstellen, eine Zeittafel, die Anmerkungen, einen Überblick über die wichtigsten Quellen bzw. die wichtigste wissenschaftliche Literatur zu Julian, ein Abkürzungsverzeichnis sowie einen Index zu Personen und Orten. So begrüßenswert der Gedanke einer kommentierten Bibliografie ist, so bedauerlich ist dann aber doch, dass dort nur mehr eine kleine Auswahl der verwendeten Literatur erscheint, während der Rest mühsam aus den Anmerkungen herausgesucht werden muss.
Das Buch ist schnörkellos, aber flüssig geschrieben, die Kapitel sind durch Zwischenüberschriften übersichtlich gegliedert. Auch die Mischung zwischen allgemein verständlicher Darstellung und wissenschaftlicher Positionierung in den Anmerkungen erscheint gelungen. Hervorgehoben werden sollen vor allem die drei Beilagen, die zeigen, dass Bringmann hier das Material sogar besser überblickt als der Herausgeber der oben besprochenen Inschriften-Sammlung und auch noch neueste numismatische Erkenntnisse beisteuern kann. Lobenswert ist auch die reiche Verwendung von Karten, ein kleiner Wermutstropfen allerdings der Stammbaum der Familie Julians (18), der nicht recht zur Darstellung im Text passt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bringmanns Buch seinen Ansprüchen voll gerecht wird.
Anmerkungen:
[1] So unter anderem Marion Giebel: Kaiser Julian Apostata, Düsseldorf 2002, und demnächst eine umfangreiche Biografie von Klaus Rosen.
[2] Javier Arce: Estudios sobre el emperador Fl. Cl. Juliano, in: Anejos de Archivo Español de Arqueología 8 (1984), 91-176.
[3] Denis Feissel: Une constitution de l'empereur Julien entre texte épigraphique et codification (CIL III,459 et CTH I,16,8), in: Edmond Lévy (Hg.): La codification des lois dans l'antiquité, Paris 2000, 315-337 = AE 2000, 1370a.
[4] Johannes Nollé: Side im Altertum. Geschichte und Zeugnisse, Band 1 (= Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien; 43), Bonn 1993, Nr. 50.
[5] Klaus Rosen: Kaiser Julian auf dem Weg vom Christentum zum Heidentum, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 40 (1997), 126-146.
Jens Bartels