Alexander Schubert: Der Stadt Nutz oder Notdurft? Die Reichsstadt Nürnberg und der Städtekrieg von 1388/89 (= Historische Studien; Bd. 476), Husum: Matthiesen 2003, 324 S., ISBN 978-3-7868-1476-4, EUR 51,00
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Der Titel diese Buch führt auf die zentrale These hin: Haben die Städte während des so genannten Städtekrieges 1388/89 programmatisch neue Ziele verfolgt, die die bestehende Reichsform verändert hätten, dann hätten sie etwas zu ihrem Nutzen getan. Oder haben sie in ihrem Kampf gegen die Adeligen lediglich eine Verteidigungsstrategie entwickelt, die am Ende ohne Ergebnis blieb, also nach der Notwendigkeit der aktuellen Notdurft gehandelt. Die vollständige Niederlage der Städte kulminierte im Egerer Reichslandfrieden, der von König Wenzel in harscher Form und unter Beifall der Fürsten und Herren durchgesetzt wurde. Der Schwäbische wie der Rheinische Bund mussten sich auflösen.
Anhand des städtischen Schriftverkehrs seit der Gefangennahme des Salzburger Erzbischofs Pilgrim durch den bayerischen Herzog Friedrich im November 1387 geht Alexander Schubert dieser Frage nach und kommt zum Ergebnis, die Städte handelten zu ihrem Nutzen. Der Schwäbische Bund wie auch sein Rheinischer Partner wollten zwei Ziele verwirklichen. Zum einen strebten sie danach, die königliche Stadtherrschaft endgültig zu eliminieren, zum anderen wollten sie als eine im Reichsgefüge als gleichberechtigt anerkannte Gruppe die ursprünglich königliche Friedensgewalt selbstständig ausüben. Dies alles geschah unter Berufung auf das Reich - und unter möglichst großer Ausschaltung des Königs. Die widersprüchliche Politik Wenzels zu Beginn der Auseinandersetzung und seine Aktionsunfähigkeit ließen für einen gewissen Moment die Chance für die Realisierung dieser ehrgeizigen Ziele aufkommen. Städtische Prinzipientreue (oder war es doch Unflexibilität auf dem diplomatischen Parkett?) verhinderte einen entsprechenden Triumph anlässlich des Neumarkter Schiedsspruches, der von Pfalzgraf Ruprecht zu Gunsten der Städte gesprochen wurde. Deren Versuch, auf den nachfolgenden Friedenstagen von Heidelberg und Bamberg zu den Ergebnissen von Neumarkt zurückzukehren, erwies sich als vergeblich. Ungeachtet der beiden militärischen Niederlagen des Schwäbischen Bundes bei Döffingen und des Rheinischen bei Worms war die Sache der Städtebünde, trotz eines zunehmenden königlichen diplomatischen Sperrfeuers, noch nicht verloren. Das militärisch erfolgreiche Auftreten Nürnbergs gegen den Burggrafen etwa hielt auch auf dem Schlachtfeld die Angelegenheit offen. Der Bamberger Friedenstag war allein auf Initiative der Städte und einiger Fürsten und Herren zu Stande gekommen, die königliche 'Gegenveranstaltung' in Eger blieb zunächst unbesucht. Als sich die Städte weigerten, den noch einmal gegen den König agierenden Pfalzgrafen als Friedensstifter mit einer Abstandszahlung finanziell zu befriedigen, war die politische Niederlage perfekt. Weder der desavouierte Pfalzgraf noch andere Herren waren jetzt noch bereit, mit den Städten ernsthaft zu verhandeln. Von Bamberg zog man nach Eger und musste die königliche Friedensgewalt anerkennen. Wenzel versicherte sich der Herren, die Städte mussten sich unterwerfen.
In diesem Ereignisablauf spielte Nürnberg eine zentrale Rolle. Zögerlich dem Schwäbischen Bund beigetreten, blieb die Stadt gegenüber der Bundesführung in Ulm misstrauisch. Dennoch wäre es zu einfach, die Stadt einer angeblich friedliebenden, dem König nahe stehenden Partei zuzuordnen, die es in dieser Form ebenso wenig gab wie aggressive städtische Kriegstreiber. Die Stadt hatte sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts schrittweise von königlichen Einflussmöglichkeiten befreit und verfolgte eigene politische Ziele in Franken wie im Reich. Gemeinsam mit dem Städtebund prangerte sie räuberische Übergriffe auf ihre Kaufleute an, hielt sich gegenüber dem luxemburgischen König in der Sache distanziert und führte einen aufwändigen Krieg gegen den Burggrafen. Mit dem Bischof von Bamberg suchte man allerdings rasch ein Stillhalten, ja einen Ausgleich. Als sich die Stadt im Frühjahr 1389 zu einem (heimlichen) Frieden mit dem Burggrafen entschloss, um ihre militärischen Erfolge politisch umzumünzen, war eine gemeinsame Politik mit den Bundesstädten nicht mehr möglich. Nürnberg weigerte sich, einen größeren finanziellen Anteil an der dem Pfalzgrafen zu zahlenden Summe zu übernehmen und trug mit dazu bei, den Bamberger Tag platzen zu lassen. Die auch für den König bedeutsame Stellung der Stadt ließ diese den Egerer Abschluss vom Mai 1389 leichter ertragen.
Das Scheitern des Schwäbischen Bundes lag sicher an den politisch wie wirtschaftlich höchst unterschiedlich potenten Mitgliedsstädten und deren heterogenen Interessen. Die jeweilige Koordination der Befugnisse ihrer Vertreter erwies sich als mühsam und ineffektiv. In den entscheidenden Situationen reagierte die Reichsstadt Nürnberg nach ihren Eigeninteressen, sie wurde von den benachbarten Fürsten als gleichberechtigt wahrgenommen. Nürnbergs Engagement an programmatischen Veränderungen endete an der Realpolitik als Produkt der faktischen Verhältnisse in Franken. Nürnberg war de facto schon so weit vom König emanzipiert, dass es auf die Machtprobe mit diesem verzichten konnte. Damit sicherte die Stadt ihre Privilegien vor einer ansonsten drohenden Kassierung durch den König. Dies hatte allerdings auch die Konsequenz, dass die Reichsstädte als Gesamtgruppe keine große politische Rolle im Spätmittelalter spielten. Ein an sich schwacher König konnte den Zugriff der Städte auf seine Rechte verhindern, weil es diesen nicht gelang, diplomatisch auf Dauer geschlossen und effektiv zu handeln.
Die vorliegende Arbeit ist eine quellengesättigte, auf Effekthascherei verzichtende, für Reichs- wie Landesgeschichte äußerst wertvolle Untersuchung zum Städtekrieg 1388/89. Sie kann überzeugend die bisherigen Forschungsmeinungen relativieren und korrigieren.
Helmut Flachenecker