Fiona McHardy / Eireann Marshall (eds.): Women's Influence on Classical Civilization, London / New York: Routledge 2004, XII + 196 S., ISBN 978-0-415-30958-5, GBP 18,99
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Der vorliegende Sammelband stellt das Ergebnis einer Konferenz in Exeter vom Jahr 1998 dar. Sollte bei der Tagung dem Titel nach "An Alien Influence", also die Einflussnahme der als fremd gesetzten Frau auf die als genuin 'männlich' definierten Bereiche antiker Gesellschaften, im Blickpunkt der Vorträge stehen, wurde für die Publikationsform der Fokus erweitert und generell nach "Women's Influence on Classical Civilization" gefragt.
Der sehr unspezifische Titel deutet ein erstes Dilemma des zu besprechenden Bandes an: Die Beiträge der zehn Autorinnen, darunter auch die der Herausgeberinnen Fiona McHardy und Eireann Marshall, lassen sich kaum auf einen gemeinsamen zeitlichen, geografischen wie auch speziell thematischen Nenner bringen. Verbunden sind sie allein durch die Frage nach der Bedeutung der Frau bzw. von Frauen in verschiedenen Bereichen antiker Lebenswelten; eine Stoßrichtung, eine bestimmte Lücke in der Frauen- bzw. Genderforschung schließen zu wollen - und da wären einige zu nennen -, lässt sich nicht ausmachen, zu disparat sind die Ansätze wie die Themen.
Den Band eröffnen "The Logistics of Gender from Classical Philosophy" (7-25) von Gráinne McLaughlin, die überlegt, inwieweit durch die Rezeption der phytagoreischen Oppositionen, denen auch die Geschlechter zugeordnet werden, Frauen in der Philosophie und der Mathematik als Wissenschaftlerinnen keine Akzeptanz fanden. McLaughlin weist dem Modell eine starke Wirkungsmächtigkeit zu und postuliert, dass noch die neuzeitlichen Naturwissenschaftler auf das antike Konzept zurückgriffen, um Frauen aus einer als 'männlich' verstandenen Wissenschaftssphäre zu drängen.
Judith Hallett nimmt in "Matriot Games? Cornelia, mother of the Gracchi, and the forging of family-oriented political values" (26-39) die bei Cornelius Nepos überlieferten, der Cornelia zugeschriebenen Briefe als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen zu einer explizit mütterlichen Auseinandersetzung mit erwachsenen Söhnen. Ohne auf die problematische Zuschreibung der Briefe näher einzugehen, stellt sie einen familial orientierten, emotionalen, motivierenden mütterlichen Stil gegen ein harsches, strafendes väterliches Erziehungsethos, das sie in den Exempla des Valerius Maximus vertreten sieht, in denen mythische patres ihre Söhne bei Vergehen gegen den Staat töten. Hallett verbleibt damit in den Kategorien Frau / Familie versus Mann / Staat, die sie in der römischen Gesellschaft kritisiert, und schreibt diese fest, ohne prominente, nicht-mythische Vater-Kind-Konstellationen wie die des nach Halletts Schlussfolgerungen als 'weiblich' besorgt und emotional einzuordnenden Vaters Cicero auch nur anzusprechen.
Nancy Sorkin Rabinowitz konzentriert sich in dem Beitrag "Politics of inclusion / exclusion in Attic Tragedy" (40-55) auf die Position der Frau in der athenischen Polis. Als maßgeblich stellt sie die Dichotomie zwischen 'privat' und 'öffentlich' heraus und verortet die Frau in der privaten Sphäre des Oikos. Die 'öffentliche' Kultur der Polis war dementsprechend männlich geprägt; als prominenter Ort der kontinuierlichen Festschreibung dieser Grenzen fungierte das Theater, von dem Frauen als Autorinnen, Schauspielerinnen und Zuschauerinnen ausgeschlossen waren. Dieser Exklusion stünden dominante Frauen auf der Bühne gegenüber; gerade weil jedoch mit Figuren wie Klytämnestra und Medea weibliche Rollentransgression in ihrem Scheitern dargestellt würde, könnte die Dichotomie männlich- öffentlich versus weiblich-privat festgeschrieben und die männliche Polis-Kultur bestätigt werden.
Suzanne Dixon fasst in "Exemplary houswife or luxurious slut: cultural representations of women in the Roman economy" (56-74) erste Ergebnisse zu ihren Forschungen zum weiblichen Anteil im römischen Wirtschaftsleben zusammen. Sie diskutiert die problematische Quellensituation, bevor sie auf bestimmte Bereiche wie Landwirtschaft, Handel und insbesondere Textilverarbeitung näher eingeht.
Margaret Woodhull beschäftigt sich mit "Matronly patrons in the Early Roman empire: the case of Salvia Postuma" (75-91). Am Beispiel des von Salvia gestifteten Torbogens in Pola verdeutlicht sie die Möglichkeiten von Frauen, als Stifterinnen im städtischen Raum zu wirken; Woodhull geht sogar so weit, eine 'weibliche Baukultur' auszumachen, die "concerns specific to their experiences with family and motherhood" (78) in Architektur umzusetzen vermag.
Fiona McHardy sucht in ihrem Beitrag über "Women's influence on revenge in ancient Greece" (92-114) einen überzeitlichen Ansatz, indem sie die Rolle von Frauen in Vendetta-Gesellschaften, wie sie in Romanen des 19./20. Jahrhunderts beschrieben werden, mit den Zeugnissen aus athenischen Gerichtsreden und Tragödien vergleicht, ohne jedoch immer zu überzeugenden Ergebnissen zu kommen.
Mit Rebecca Langlands bewegt sich der Leser wieder in der römischen Kaiserzeit: Die Autorin nimmt in "A woman's influence on a Roman text: Marcia and Seneca" (115-126) Senecas Text "Consolatio ad Marciam" als Ausgangspunkt, um zu zeigen, wie der Bezug auf eine weibliche Adressatin die Textproduktion eines männlichen Autors lenkt. Sie geht dabei bei Produktion wie Rezeption des Textes von einem Gender-Bewusstsein aus, das den Philosophen z.B. veranlasste, neue, 'weibliche' Denkmuster zu finden. Wie 'aktiv' und in welchen Formen schließlich Marcias weibliche Einflussnahme auf Seneca ausfiel - abgesehen von der Tatsache, dass sie als Adressatin fungierte -, vermag Langlands nicht zu eruieren.
Der Beitrag "Women and the transmission of Libyan culture" (127-137) von Eireann Marshall ist mit ähnlichen Problemen behaftet: Die Autorin setzt als Trägerinnen eines Kulturtransfers zwischen Lybien und Kyrene lybische Frauen, die mit kyrenischen Männern verheiratet wurden. Ein Zeichen für den Einfluss der Lybierinnen sei in der Verbreitung lybischer Namen in Kyrene zu sehen. Aus einer Notiz bei Herodot schließt Marshall weiterhin, dass die lybischen Ehefrauen auch für Veränderungen in den Essgewohnheiten sowie im Kult in Kyrene verantwortlich zu machen seien. Ihre Argumentation beruht jedoch in erster Linie auf Postulaten, eine Diskussion des Begriffs 'influence', den Marshall heranzieht, um Kulturtransfer zu konstatieren, sowie genereller der Mechanismen von Akkulturation bleibt aus.
Der Aufsatz von Mary Harlow über "Galla Placidia: conduit of culture?" (138-150) rückt das machtpolitische Potenzial einer Kaisertochter, -schwester, -gattin und -mutter in den Vordergrund. Galla Placidia werde in den Darstellungen spätantiker Historiografen erzählerisch eingesetzt "as a complement to, or antithesis of, her husbands. Her role is to qualify their actions" (140). Die Möglichkeiten, die sich aus ihrer familialen Position als Kaiserverwandte ergäben, würden von den Geschichtsschreibern dagegen nicht explizit herausgestellt; real wie narrativ jedoch stelle Placidia das zentrale Scharnier zwischen den verschiedenen Machthabern im westlichen Imperium dar.
Den letzten Beitrag des Bandes liefert Jane Rowlandson; sie fragt nach der Beziehung zwischen "Gender and cultural identity in Roman Egypt" (151-166). Ausgehend von den Ehen zwischen griechischen Männern und ägyptischen Frauen überlegt sie, ob eine Dichotomie weiblich / privat / ägyptisch versus männlich / öffentlich / griechisch festzustellen sei. Anders aber als ihre Vorrednerin Marshall macht es sich Rowlandson nicht leicht; sie bespricht die Felder der Namensgebung, der Alphabetisierung unter ägyptischen Frauen sowie der Grabdarstellungen und kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass die Quellensituation zu komplex sei, um einfache schematische Lösungen, etwa eine Korrelation zwischen Geschlecht und kultureller Identität, anzubieten.
Die Vorstellung und Besprechung der einzelnen Beiträge verdeutlicht das schon angesprochene Manko des Bandes: die Disparität der Themen. Ein verbindendes Fazit fehlt, sodass sich die Rezensentin gerade nach der Lektüre des eher skeptischen Beitrags von Rowlandson fragen muss, ob die 'bloße' Anwendung der Kategorie Gender an antike Texte, Phänomene und Gesellschaften gewinnbringend sein kann, wenn eine klare übergeordnete Fragestellung und terminologische Trennschärfe fehlen: Weder werden die Begriffe 'öffentlich' und 'privat' oder der angewandte Kulturbegriff definiert oder gar problematisiert, noch wird erläutert, was die Autorinnen als 'active' oder 'indirect role' bzw. 'influence', nach dem immerhin der Titel des Bandes sowie einzelne Beiträge fragen, verstehen. Es bleibt also die Publikation eines Tagungsbandes zur antiken Frauenforschung zu vermerken, in dem einzelne Artikel solide und informativ sind, ein Beitrag die schematische Anwendbarkeit der Kategorie Gender diskutiert, andere wiederum jedoch im Umgang damit abenteuerlich verfahren.
Ann-Cathrin Harders