Annetta Alexandridis: Die Frauen des römischen Kaiserhauses. Eine Untersuchung ihrer bildlichen Darstellung von Livia bis Iulia Domna, Mainz: Philipp von Zabern 2004, XV + 432 S., 64 Tafeln, ISBN 978-3-8053-3304-7, EUR 75,80
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Historische Untersuchungen über Frauen der römischen Geschichte konzentrieren sich aufgrund der literarischen Quellenlage hauptsächlich auf die Kaiserzeit und dort auf die weiblichen Mitglieder des Kaiserhauses. Allerdings ist selbst für diese Frauen die Quellenlage so dürftig, dass die Ergänzung durch archäologische und numismatische Quellen für sie im Vergleich zu ihren männlichen Pendants eine etwas wichtigere Rolle spielt. Abgesehen von populärwissenschaftlichen Werken beschränken sich Untersuchungen zu Frauen des Kaiserhauses zumeist auf einzelne Personen oder allenfalls auf Dynastien - auch im archäologischen Bereich. [1] Erst vor drei Jahren erschien ein Überblick zur Geschichte der Kaiserfrauen von Livia bis Theodora und damit über die Entwicklung im zeitlichen Ablauf. [2] Für den archäologischen Bereich stößt die Dissertation von Annetta Alexandridis in diese Lücke. Sie untersucht in ihrer 1996 angenommen und für den Druck bis 2002 überarbeiteten Arbeit die bildliche Darstellung von Livia bis Iulia Domna; die Gattin des Septimius Severus ist die letzte Kaiserin mit in ausreichender Zahl überlieferten Darstellungen.
Ziel ihrer Untersuchung ist es, "Selbstverständnis und Außenwirkung der römischen Kaiserhäuser von Augustus bis in severische Zeit an den Bildnissen ihrer weiblichen Mitglieder nachzuzeichnen" (4).
Als Quellenmaterial der Untersuchung dienen Rund- und Reliefplastik, so weit durch Porträtzüge oder den Aufstellungskontext bestimmbar und mit ikonografischen Elementen versehen, welche über das bloße Porträt hinausgehen, daneben Münzen und Kameen.
Zunächst geht Alexandridis in einem kurzen Kapitel (7-12) auf die Problematik der unterschiedlichen Interpretationen und der Aussagekraft einzelner Materialgattungen ein. Für die Münzen der Reichsprägung für Frauen des Kaiserhauses geht die Autorin davon aus, dass sie "mehr oder minder unmittelbares Zeugnis kaiserlicher Selbstdarstellung" waren (9). Alexandridis sieht dabei die auf Reversbildern unter anderem dargestellten Gottheiten und Personifikationen im Allgemeinen nicht als mit der 'Münzherrin' identifizierbar an. Parallel erkennt sie in Kapitel 3 (18 f.) den Nachwuchs von Marc Aurel und Faustina minor "mit Hilfe von Personifikationen" und nicht in erster Linie als kaiserliche Familie dargestellt. Allerdings ist zu fragen, ob diese Unsicherheit der Identifikation zwischen lebender und göttlicher / repräsentativer Person (nicht nur bei Faustina) nicht gerade Absicht war; so versteht Alexandridis denn auch die nahezu ausschließliche Auswahl von Frauengottheiten unter den Antoninen als Bezug zur 'Münzherrin' (10) und gibt zu, dass mancher Zeitgenosse die dargestellte göttliche Gestalt mit der Kaiserfrau gleichgesetzt haben mag (19).
Unterschiedliche Bedeutungen von Attributen abhängig von der Materialgattung kann Alexandridis dagegen exemplarisch am 'bedeckten Haupt' der Frau überzeugend belegen: Es begegnete auf Münzen als Zeichen der Divinisierung; bei Statuen konnte diese Darstellung darüber hinaus auch die Braut, die verheiratete Frau oder die Opfernde kenntlich machen (44-46).
In Kapitel 3 (13-38) untersucht die Verfasserin den historischen Rahmen der Repräsentation, das heißt den 'Tugendkanon' bzw. das öffentliche Bild der Kaiserfrauen anhand von Titulaturen, panegyrischen Texten, Münzprogrammen, Inschriften, Aufstellungskontext etc. Entsprechend ihrem Ansatz untersucht sie die Entwicklung im zeitlichen Verlauf. Alexandridis betont die zunehmende Bedeutung der dynastischen Rolle von Frauen des Kaiserhauses, z. B. bei der Verleihung des Augusta-Titels, der Konsekration oder der Münzprägung. Weniger überzeugend ist ihre Interpretation des mater castrorum-Titels der jüngeren Faustina. Sie will dahinter die "moralische Autorität" (pietas) Faustinas sehen, die "in außenpolitischen Krisen Rückhalt versprach" und "Heer, Reich und Kaiser einte" (16). Die Betonung der Rolle Faustinas, die ihr in Bezug auf das Wohl des gesamten Reiches zugeschrieben wird, ist richtig. Wichtiger scheint aber doch der von Alexandridis bestrittene Zusammenhang mit der persönlichen Anwesenheit der Kaiserin in den Feldlagern, in denen sich ihr Gatte Marc Aurel befand, zudem ihre durch mindestens 12 Geburten besonders ausgeprägte Rolle als Mutter allgemein und als Mutter eines potenziellen Nachfolgers und damit als Garantin der Kontinuität im Speziellen.
Im folgenden Hauptkapitel des Textteiles wertet Alexandridis die bildlichen Darstellungen auf der Grundlage vor allem der Attribute und Statuentypen aus. Besondere Beachtung legt sie dabei auf das Verhältnis zwischen 'kaiserlichem' und 'privatem' Darstellungs- und Repräsentationsinteresse. Die Autorin zeigt bei den drei Hauptthemen der Darstellung (Veranschaulichung weiblicher Tugenden, dynastische Rolle und Bedeutung für das Reich) zwei Grundtendenzen auf: Verlust an Exklusivität kaiserlicher Repräsentationsformen sowie eine Abwendung von Statuszeichen hin zur Veranschaulichung persönlicher Tugenden.
So waren Götterattribute (z. B. das Diadem) zunächst allein kaiserlichen Frauen vorbehalten, um dann auch in der nicht-kaiserlichen Darstellung übernommen zu werden (49 f.). Dabei ist nicht zu bestimmen, ob es sich um einen bewussten Verzicht oder einen unfreiwilligen Verlust der exklusiven kaiserlichen Repräsentationsformen handelte. Exklusiv blieben hingegen bestimmte Statuentypen als Bildnisträger des Kaiserhauses, die - mit Überschneidungen - den fünf Bereichen 1) Ehefrau / Mutter, 2) Priesterin / Heil- / Glücksgöttin, 3) Venus-Darstellung, 4) Iuno-Angleichung und 5) Militär zugeordnet werden können (57-65).
Die Aufgabe von Statuszeichen zu Gunsten der Veranschaulichung persönlicher Tugenden betraf drei Ebenen: Erstens die Aufgabe des Statusdenkens zumindest im Bild: Bis in flavische Zeit begegnete die stola als rechtliches und soziales Statuszeichen der matrona bei Statuen kaiserlicher als auch nicht-kaiserlicher Frauen. In flavischer Zeit wurde die Tracht durch das Ähren(-mohn)-bündel gewissermaßen ersetzt. Als Zeichen der Fruchtbarkeit und des Wohlergehens war es in iulisch-claudischer Zeit nur Damen des Kaiserhauses vorbehalten gewesen. Die Verschiebung im Darstellungsinteresse ist auffällig: Nicht mehr der rechtlich-soziale Status der matrona, sondern die (normierten) weiblichen Qualitäten standen im Vordergrund (51-57, 61 f.). Diese Entwicklung entsprach der wachsenden Bedeutung der dynastischen Rolle der Frauen des Kaiserhauses. Eine entsprechende Entwicklung lässt sich beispielsweise bei der bildlichen Repräsentation der pietas nachvollziehen (74-81). Zweitens gewannen affektionale Züge an Bedeutung: So wandelte sich die dextrarum iunctio von einem Statuszeichen des matrimonium iustum der Freigelassenen zu einem Zeichen emotionaler Verbundenheit von Ehepartnern mit dem Höhepunkt der antoninischen Mars-Venus-Gruppen (92-98). Drittens trat die Beschäftigung mit dem Körper in den Vordergrund: Nacktheit begegnete zum Beispiel als Zeichen der körperlichen Schönheit und der fecunditas (84-88).
Die Entwicklung auf diesen drei Ebenen sieht Alexandridis als chronologisch eingeschränkten archäologischen Beleg für die von Foucault propagierte 'Sorge um sich' (105 f.). Zu betonen ist allerdings, dass es sich 'nur' um einen Wandel der Formulierung handelte, während der Tugendkanon beibehalten blieb.
Belegt wird dies alles durch die Auswertung von rund 200 relief- und rundplastischen Darstellungen, die in einem ausführlichen, chronologisch nach Personen geordneten Katalog (113-207) dokumentiert sind. Ergänzt wird der Katalog durch zwei Anhänge, von denen der zweite zu den verschiedenen Statuentypen (219-270) wiederum durch nach Kaiserinnen geordnete Übersichtstabellen komplettiert wird (294-306). Auf Grundlage der RIC-Bände werden Prägungen für Frauen des Kaiserhauses in einem Anhang (271-286) und mehreren, platztechnisch fast schon verschwenderisch gestalteten Tabellen (307-378) ausgewertet, womit Alexandridis die Leitvorstellungen von den weiblichen Mitgliedern des Kaiserhauses belegt. Ein ausführlicher Index zu Katalognummern, Anhangnummern, Schriftquellen, Namen, Orten, Sachen und Museen (383-432) sowie 64 qualitätsvolle Tafeln runden den Band ab.
Die Lesbarkeit des Textes und hin und wieder auch das Nachvollziehen der Argumentation wird durch sehr viel Fließtext in den Fußnoten, die fast durchweg - auch im Katalog - die Hälfte oder mehr einer Seite einnehmen, etwas erschwert. Hinzu kommen die immer wieder unpraktische Zitierweise nach der Vorgabe des DAI, die den Titel von Aufsätzen verschweigt, und das damit verbundene Fehlen eines Literaturverzeichnisses. Dies alles kann aber die Ergebnisse dieses gelungenen Buches nicht beeinträchtigen.
Anmerkungen:
[1] Z. B. E. Bartman: Portraits of Livia. Imaging the Imperial Woman in Augustan Rome, Cambridge 1999; S. Wood: Imperial Women. A Study in Public Images 40 B.C. - A.D. 68, Leiden 1999 (siehe die Kritik von Alexandridis, 11 f.). Eine Ausnahme ist T. Mikocki: Sub specie deae, Les impériatrices et princesses romaines assimilées à des déesses, Rom 1995.
[2] H. Temporini-Gräfin Vitzthum (Hg.), Die Kaiserinnen Roms. Von Livia bis Theodora, München 2002.
Stefan Priwitzer-Greiner