Ronald G. Asch: Nobilities in Transition 1550-1700. Courtiers and Rebels in Britain and Europe, London: Hodder Arnold 2003, 223 S., ISBN 978-0-340-62528-6, GBP 12,99
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Diese lesenswerte Interpretation frühneuzeitlicher europäischer Adelsgeschichte bietet weit mehr als das bescheidene textbook-Format der Serie vermuten lässt: Auf 154 Textseiten deutet der Verfasser unter Heranziehung einer immensen Fülle einschlägiger Einzelstudien der neueren europäischen Forschung und eigener Untersuchungen zur britischen Hofkultur Veränderungen des europäischen Adels von der Mitte des 16. bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts. Asch befasst sich insbesondere mit der Entwicklung des französischen, englischen, deutschen, österreichischen und böhmischen Adels (ix). Im Vorwort erläutert der Autor zudem, anhand ausgewählter Fallstudien eine begrenzte Zahl von Problemen ansprechen zu wollen, die die meisten Adelseliten in unterschiedlicher Weise betroffen habe (ix), gemeint sind hauptsächlich die Notwendigkeit kultureller Adaption und die Stellung des Adels im Prozess der Staatswerdung. Ursache und Bezugspunkt der Wandlungen des Adels war die Entstehung des modernen dynastischen Staates, die mit der Ausbildung eines Gewaltmonopols und der Aneignung militärischer, administrativer und politischer Ressourcen auf Kosten der konkurrierenden Gewalt feudaler Adelseliten einherging (2). Dieser Prozess führte bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts zu wiederholten Konflikten, die in den bekannten Konspirationen und Revolten des Adels kulminierten.
Das symbiotische Verhältnis, das sich schließlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zwischen Adel und Monarch entwickelte, war auch das Ergebnis einer Veränderung der Kultur und des spezifischen Ethos des Adels. Der Impuls hierzu ging von der Propagierung eines humanistischen Bildungsideals und der Formulierung neuer Verhaltensnormen durch die Vertreter der Kirchen aus. Dieser Normenwandel stellte die traditionellen militärischen Tugenden des Adels als Legitimation seiner privilegierten Stellung und kulturellen Vorherrschaft in Frage. Veränderungen in der Art der Kriegführung drohten zudem jene "warlike noble virtues" (151) überholt erscheinen zu lassen und eröffneten dem professionellen Soldaten nicht-adliger Herkunft militärische Karrieren. Der Adel begegnete dieser Herausforderung erfolgreich durch die Änderung seines Ehren- und Verhaltenskodexes.
Aschs Beschreibung der Struktur und Funktionsweise des Hofes Ludwigs XIV., der durch den weitgehend unnahbaren Herrscher und seine Mittelsmänner bestimmt wurde (93 f.), und seine Schilderung der absolutistischen Verfassungsentwicklung an den Höfen Skandinaviens (142-144) weisen den Verfasser als moderat revisionistischen Kritiker, nicht jedoch als prinzipiellen Gegner traditioneller Absolutismuskonzepte aus.
Aschs Interpretation folgt z.T. dem Ansatz Norbert Elias zur Entwicklung der höfischen Gesellschaft, [1] modifiziert dessen These bezüglich der zentralen Bedeutung des Hofes im Prozess der kulturellen Zähmung der Eliten jedoch mit dem Hinweis auf gegenläufige Tendenzen, die sich aus der Rolle des Hofes als Kristallisationspunkt politischer Faktionen und Austragungsort adliger Konflikte ergaben. Adelsrebellionen konnten sich daher auch gegen einen schwachen Herrscher richten, dem es nicht gelang, einen Interessenausgleich und eine befriedigende Zuteilung von Vergünstigungen zu gewährleisten (123). Die barocke Hofkultur, die sich unter den Bedingungen der Kooperation zwischen Krone und Adel entfaltete, bildete zugleich die sichtbare gesellschaftliche Schranke für jene bürgerlichen Aufsteiger, die etwa hofften, durch Bildung, militärische Verdienste und Aneignung höfischer Formen bis zur Spitze der sozialen Hierarchie vordringen zu können (152).
Aschs 'zivilisatorisches' und politisches Argument funktioniert jedoch letztlich nur für den kleinen Ausschnitt des Hoch- und Hofadels, den der Verfasser erwartungsgemäß brillant analysiert. Erst im Schlusswort erfolgt jedoch eine eindeutige Beschränkung des verwendeten Adelsbegriffs unter Hinweis darauf, dass der Landadel und die adligen Unterschichten von der städtischen und höfischen Kultur ausgeschlossen waren (153).
Auch der Ertrag des Vergleichs zwischen dem Habsburger Hochadel und der englischen gentry unter dem egalisierenden Aspekt der "noble elites" (53) wird nicht recht deutlich. Bei der Analyse der Habsburger Aristokratie als Inbegriff des Magnatentums (44-49) wäre es wichtig gewesen, die mächtigen und unabhängigen ungarischen Magnaten zu berücksichtigen, deren Rebellionen das Verhältnis zwischen dem böhmisch-österreichischen Hofadel und der Krone nachhaltig beeinflusste. Der Wiener Hof Leopolds I. besaß zudem, wie Asch (95-98) einräumt, nicht die Anziehungs- und Ausstrahlungskraft Versailles und leistete damit wenig im Sinne des Elias'schen Modells.
Die Beschränkungen, die die Kürze des Genres textbook Asch auferlegen, führen auch zu einer gewissen Vernachlässigung der wirtschaftlichen Konflikte und Interessen in seiner Darstellung. So würde z. B. die These, dass Adelsrevolten ein Korrektiv im Sinne der Herstellung einer starken Zentralgewalt sein konnten, um einiges plausibler durch die Erwähnung der Bauernrevolten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts, ebenso wäre die neue Symbiose zwischen Krone und Adel auch im Kontext der Reaktion des Adels auf die Agrarkrisen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu erklären.
Wenn einige der von Asch aufgestellten Thesen also Fragen aufwerfen, dann mindert dies keineswegs den Wert dieser kenntnisreichen, sorgfältig recherchierten und mit interessanten Einsichten 'gespickten' Darstellung.
Anmerkung:
[1] Norbert Elias: Die höfische Gesellschaft, Darmstadt / Neuwied 1969, ND Frankfurt a. M. 1983,
Regina Pörtner