Jenny Öhman: Der Kampf um den Frieden. Schweden und der Kaiser im Dreissigjährigen Krieg (= Militärgeschichtliche Dissertationen; Bd. 16), Wien: öbv & hpt 2005, 288 S., ISBN 978-3-209-05052-6, EUR 26,00
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Die Motivationen, Ziele, Absichten, Pläne und Strategien Schwedens im Dreißigjährigen Krieg sind ein ebenso altes wie großes Thema der frühneuzeitlichen Geschichtsschreibung. Waren in den letzten Jahren vor allem Fragen der Inszenierung, der Legitimationspolitik und der Propaganda thematisiert worden, so hat Jenny Öhman nun mit ihrer Dissertation eine bisher wenig erforschte, gleichwohl zentrale Fragestellung der Politikgeschichte aufgegriffen: die diplomatischen Bemühungen um Frieden zwischen dem Kaiser und Schweden. In ihrer Untersuchung, die wesentlich auf schwedischem Quellenmaterial beruht, nimmt sie den Zeitraum zwischen der Gründung des Heilbronner Bundes 1633 und dem Beginn der Friedensverhandlungen in Osnabrück 1644 in den Blick, der nach Öhman von der Entscheidung "für einen separaten Friedensschluss mit dem Kaiser oder [...] für einen allgemeinen Frieden im Bündnis mit Frankreich" (10) geprägt war.
Damit grenzt sie sich auch von der grundlegenden Arbeit von Sigmund Goetze ab [1], der wesentlich auf die politischen Ziele und Strategien des Reichskanzlers Axel Oxenstierna abgehoben hatte. Jenny Öhman dokumentiert vielmehr die internen Spannungen der einzelnen Parteiungen im schwedischen Reichsrat, die die jeweiligen Verhandlungsphasen begleiteten und sich sehr direkt im persönlichen Gegensatz zwischen Oxenstierna und dem zweiten wichtigen Diplomaten Schwedens im Reich, Johan Adler Salvius, widerspiegelten.
Die Fokussierung auf die schwedische Perspektive wird im ersten inhaltlichen Kapitel durch eine kursorische Zusammenfassung der gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen und verfassungsstrukturellen Grundlagen Schwedens eingeleitet. Auch hier sollen zwei Ebenen der Thematik miteinander verknüpft werden: die Entwicklung der "Kriegsziele und Friedensbedingungen" (22) und die problematische personelle wie strukturelle Konstellation der Reichsregentschaft nach Gustav Adolfs Tod (29).
In den zentralen Kapiteln vermag die Verfasserin durch die detailorientierte, streng chronologische Präsentation ihrer Quellen ein dichtes Bild der diplomatischen Verwicklungen aufzuzeigen. Die Komplexität ergibt sich aus zwei eng miteinander verwobenen Handlungssträngen.
Zum einen waren die Konjunkturen der Verhandlungen wesentlich vom militärischen Erfolg abhängig. Die wechselnde Bereitschaft zu forcierten Friedensverhandlungen bei ungünstigem Kriegsglück wie auch die abwartende Haltung auf noch günstigere Bedingungen bei strategischen Vorteilen kennzeichnete die Beziehungen zwischen Schweden und dem Reichsoberhaupt insbesondere in den Jahren zwischen 1632 und 1636 (61-93). Zugleich wird deutlich, dass diese Spielräume durch die zunehmende Geldnot der Schweden und die notgedrungene Hinwendung zu Frankreich erheblich eingeschränkt wurden. Dementsprechend tritt Frankreich in der Zeit ab 1636 verstärkt als dritter Faktor auf, mit dessen Wünschen und Interessen sich Schweden bei seinen diplomatischen Bemühungen um Frieden auseinander zu setzen hatte. Jenny Öhman vermag die ambivalente Situation für Schweden herauszuarbeiten, die sich aus dem Drängen Frankreichs auf einen allgemeinen Frieden einerseits und dem nun starken Drängen des Kaisers auf separate Friedensschlüsse andererseits ergab (104-110).
Zum anderen bestand innerhalb der schwedischen Führung kein grundsätzlicher Konsens über die Friedensziele und damit die Perspektivierung für Verhandlungen. Immer wieder flicht Öhman die Entscheidungsprozesse auf schwedischer Seite in die Darstellung ein. Die Konfliktlinie verlief zwischen der 'Friedenspartei' der Reichsräte in Stockholm, die vor allem auf einen zeitnahen Friedensschluss pochten, um die Belastungen für das schwedische Reich zu senken, und jener Partei Oxenstiernas, die wesentlich aus den Heerführern auf dem Kontinent bestand. Diese setzten ihre Priorität auf einen "ehrenvollen" Frieden, d. h. eine hinreichende Entlohnung der in schwedischem Sold stehenden Söldnertruppen (105 f.). Offenkundig wird dies in den teilweise sich widersprechenden diplomatischen Vorstößen von Oxenstierna und Salvius.
Mit diesem Ergebnis geht die Verfasserin deutlich über die Ergebnisse Sigmund Goetzes hinaus, der den Reichskanzler Oxenstierna als treibende Kraft der schwedischen Politik in den 1630er Jahren präsentiert. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist die Frage nach dem 'imperialisitischen' Gesamtkonzept schwedischer Politik, die immer noch als Interpretament des schwedischen Eingreifens in den Dreißigjährigen Krieg dient [2], dringend zu überprüfen.
Allerdings vergibt die Verfasserin das große Interpretationspotenzial, dass sie durch die breite Dokumentation der schwedischen Entscheidungs- und Diskussionsprozesse eröffnet: Es fehlen eine Strukturierung des Materials, die über chronologische Aspekte hinausgeht, und eine Zuspitzung der Darstellung auf ihr Erkenntnisinteresse. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass methodische Fragen in der sehr kursorisch ausgefallenen Einleitung kaum diskutiert werden. Eine dezidierte Einordnung in den Kontext diplomatie- oder politikgeschichtlicher Ansätze hätte möglicherweise etwas mehr Klarheit und Leserfreundlichkeit bewirkt.
Trotz der angesprochenen Mängel hat Jenny Öhman mit ihrer Arbeit eine neue Perspektive für die Erforschung der schwedischen Kommunikationsprozesse eröffnet, die die Diskussion um die kurz-, mittel- und langfristigen außenpolitischen Ziele Schwedens im 17. Jahrhundert bereichert.
Anmerkungen:
[1] Sigmund Goetze: Die Politik des schwedischen Reichskanzlers Axel Oxenstierna gegenüber Kaiser und Reich, Kiel 1971.
[2] Pointiert Johannes Burkhardt: Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt 1992, 51-63.
Inken Schmidt-Voges